© PSO GmbH

Vom Ende der Zettelwirtschaft: Das E-Rezept als Game-Changer

Ein Steinbeis-Team analysiert Chancen und Risiken des E-Rezeptes

Die BITKOM-Studie zum Thema Digital Health bescheinigt der Hälfte der deutschen Bevölkerung, dass sie die fortschreitende Digitalisierung auf dem Gesundheitsmarkt als Notwendigkeit ansieht, besonders um den steigenden Gesundheitskosten entgegenzuwirken. Die Befragten stehen digitalen Anwendungen im Gesundheitswesen offen gegenüber, fast 60 % würden das E-Rezept nutzen. Auch in der Nutzung der elektronischen Patientenakte sehen laut Studie 65 % der Deutschen hohe Nutzungspotenziale. Der deutsche Gesundheitsmarkt sei im internationalen Vergleich jedoch noch weit abgeschlagen. Das Team am Steinbeis-Transferzentrum Technologie – Organisation – Personal (TOP) in Ravensburg und die PSO GmbH wollen das ändern: Gemeinsam haben sie einen Prototyp einer E-Rezept-App entwickelt und analysiert.

Diese Diashow benötigt JavaScript.

 

Die Corona-Pandemie hat den Wandel im Gesundheitswesen, den die Digitalisierung mit sich bringt, stark beschleunigt. Das führt auch zu immer neuen Innovationen im Bereich E-Health. Der im August 2019 verabschiedete Gesetzesentwurf „Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV)“ war der Startschuss für die elektronische Patientenakte und das E-Rezept in Deutschland. Dadurch sollen ein schnellerer und sicherer Datenaustausch zwischen allen beteiligten Akteuren gewährleistet werden. Hierfür sind E-Health-Apps notwendig, die Patienten die Verwaltung ihrer Daten und Rezepte ermöglichen. Das E-Rezept ist dabei der Game-Changer.

Die PSO GmbH, ein Start-up aus Ravensburg, beauftragte das Team am Steinbeis-Transferzentrum TOP damit, die erste Demo-Version ihrer E-Rezept-App „eRiXa“ zu testen und diese mit anderen E-Rezept-Apps am Markt in einer Nutzwertanalyse zu vergleichen. Das Steinbeis-Team verschaffte sich mit einer Anbietermatrix einen Überblick über den Markt der Gesundheits-Apps. Die dabei identifizierten Marktführer wurden schließlich in den Vergleich zur Nutzwertanalyse einbezogen und von Studentinnen der Hochschule Konstanz – Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG) ausführlich getestet.

Den Kundennutzen im Fokus: Nicht jeder ist ein Power-User

Das Projektteam identifizierte drei typische Nutzergruppen von E-Rezept-Apps und legte deren Wünsche und Anforderungen an eine App fest. Für die Definition der Nutzergruppen wurden das Alter und der Krankheitsstand der App-User herangezogen: Die Analyse unterscheidet zwischen der jungen Zielgruppe (18 bis 30 Jahre, selten krank), der mittleren Zielgruppe (31 bis 60 Jahre, häufig chronisch krank) und der älteren Zielgruppe (61 bis 99+ Jahre, häufigere Erkrankungen). Die Nutzergruppen haben dieselben Grundanforderungen an die App, unterscheiden sich jedoch in darüber hinausgehenden spezifischen Anforderungen. Auffällig war, dass mit steigendem Alter und zunehmender Häufigkeit von Krankheiten die Zusatzanforderungen an die App zunahmen.

Methodik der Nutzwertanalyse: Das Schulnotenprinzip

Für die drei definierten Nutzergruppen führte das Projektteam die Nutzwertanalyse durch und testete die App auf vier zentrale Kriterien hin: Technik, Usability, Features der Apps und Anbieter. Beim Test wurden angelehnt an diese Anforderungen zahlreiche Charakteristika wie beispielsweise die Ladedauer der App oder die Anzahl der Registrierungsschritte bewertet. Jedes analysierte Kriterium wurde je nach Bedeutung mit einer entsprechend hohen Prozentzahl gewichtet. Für die Bewertung der Apps nutzte das Projektteam das Schulnotenprinzip.

Projektergebnisse: Chancen nutzen, Risiken im Auge behalten

Das E-Rezept kommt spätestens am 1. Januar 2022, wenn es gesetzlich in Deutschland zur Pflicht wird. In der Zwischenzeit bieten sich viele Chancen über Pilotprojekte den gesamten Gesundheitsmarkt auf diese Innovation vorzubereiten. Insbesondere bei der Telemedizin hat die Corona-Pandemie dazu beigetragen, dass dieses Geschäftsfeld als große Chance für eine kontaktlose Patientenversorgung wahrgenommen wurde. Bei der Behandlung durch den Telearzt ist zukünftig die Möglichkeit zur Ausstellung eines E-Rezepts ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Für den niedergelassenen Arzt kann das in der Umstellungsphase zwar zu einem Mehraufwand führen, der langfristig aber zu einem Zeitvorteil werden kann. Denn durch schnellere digitale Prozesse bleibt dem Arzt mehr Zeit für die Patientenbetreuung.

Ob sich diese innovative Form der Patientenbehandlung auch nach einem Ende der Corona-Pandemie durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Die Online-Apotheken erhoffen sich mit der Telemedizin und dem E-Rezept steigende Marktanteile von bis zu 10 % bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Zuletzt wurde erneut eine Diskussion über ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Medikamenten in Deutschland zum Schutz der Apotheken vor Ort entfacht, weil es in den meisten anderen europäischen Ländern bereits entsprechende Verbote gibt. Für die Vor-Ort-Apotheke ist es wichtig, sich auf die Beratung und neue Geschäftsfelder wie den Botendienst zu fokussieren. Der reine Vertrieb von Arzneimitteln wird in Zukunft nicht mehr ausreichen, weil das Versand-Apotheken effizienter umsetzen können und durch „Same-Day-Delivery“ auch den bisher vorhandenen Zeitvorteil der Vor-Ort-Apotheken ausgleichen.

Das E-Rezept bietet viele Chancen für die Akteure des Gesundheitswesens, wenn diese jetzt die verfügbaren Apps und Tools nutzen, um ihre Patienten auf die Zukunft vorzubereiten. Das Steinbeis-Transferzentrum TOP bietet dafür eine Plattform über das Gemeinschaftsprojekt „eRiXa“ und der E-Rezept-App – zum Beispiel über ein Testbed für interessierte Ärzte, Apotheken, Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäuser sowie Patienten aus ganz Deutschland: Die E-Rezept-App aus Ravensburg ist das Bindeglied für Akteure im Gesundheitswesen wie auch Patienten!


Mehr zum Projekt „eRiXa“ und der E-Rezept-App finden Sie auf www.erixa.de

Kontakt

Stefan Odenbach (Autor)
Freiberuflicher Projektleiter
Steinbeis-Transferzentrum Technologie – Organisation – Personal (TOP) (Ravensburg)
www.stz-top.de

Prof. Edmund Haupenthal (Autor)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Transferzentrum Technologie – Organisation – Personal (TOP) (Ravensburg)
www.stz-top.de