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„Die Chancen liegen in den Optimierungsmöglichkeiten von Diagnostik und Therapie“

Im Gespräch mit Professor Dr. med. Daniel König, Steinbeis-Unternehmer am Steinbeis-Transfer­zentrum Gesundheitsförderung und Stoffwechselforschung

Digitalisierung spielt in der Medizin eine große Rolle. Der richtige Umgang mit Daten ist dabei besonders wichtig, damit der befürchtete „gläserne Patient“ nicht zur Realität wird. Professor Dr. med. Daniel König, Steinbeis-Experte für Gesundheitsförderung und Stoffwechselforschung, sprach mit der TRANSFER über die wichtigsten Meilensteine sowie Chancen und Risiken bei der Einführung digitaler Technologien in der Medizin und darüber, dass trotz der vielfältigen Möglichkeiten der Digitalisierung der persönliche Kontakt zwischen Arzt und Patient entscheidend ist.

Herr Professor König, der Einzug digitaler Technologien in die Medizin verändert diese grundlegend, was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Meilensteine? Auf welche Veränderungen sollten wir uns in nächster Zeit einstellen?

In meinem Spezialisierungsbereich kann man vor allem die Bereiche Diagnostik, Therapie und die Entwicklung beziehungsweise Implementierung digitaler Interventionskonzepte abgrenzen.

Im diagnostischen Bereich will ich insbesondere das Monitoring von Funktionszuständen des Herzkreislaufsystems und des Stoffwechsels hervor­heben. Ich denke hier beispielsweise an neue Tools zur Messung und Dokumentation von Laborparametern. Aber auch die Diagnostik von Herzrhythmusstörungen wird durch neue Technologien und Telematik-infrastruktur zunehmend verbessert.

Im therapeutischen Bereich ist vor allem die Entwicklung der Telemedizin bedeutsam, das heißt, dass zumindest ein Teil der ärztlichen Konsultation beziehungsweise der Patient-Arzt-Kommunikation über digitale Technologien ablaufen kann. Zum Teil wird diese Kommunikation durch die eben angesprochenen diagnostischen Tools ergänzt. Gerade die aktuelle COVID-19-Pandemie hat hier neue Möglichkeiten und Chancen, aber auch Limitierungen aufgezeigt, wenn wir zum Beispiel an die konkrete Testung denken.

Auch im Bereich der Intervention werden durch online angebotene Schulungs- und Interventionsprogramme zunehmend neue Wege beschritten, damit Gesunde im präventiven Setting, aber auch Patienten in der Sekundärprävention ihre Gesundheit durch Teilnahme an solchen Online-Gesundheitskonzepten optimieren können.

Welche Chancen, aber auch Risiken bringen Ihrer Meinung nach diese Entwicklungen mit sich? Wie beeinflussen sie Ihre tägliche Arbeit?

Die Chancen liegen eindeutig in den Optimierungsmöglichkeiten von Diagnostik und Therapie. Trotzdem sollten digitale Technologien nur als Unterstützung in der ärztlichen Therapie beziehungsweise der Arzt-Patient-Beziehung angesehen werden. Durch eine Betonung digitalisierbarer Kenngrößen könnten wichtige individuelle Aspekte von Krankheit und Gesunderhaltung in den Hintergrund rücken. Man sollte daher nie vergessen, dass der persönliche Arztbesuch, das Gespräch und die ärztliche Untersuchung immer ein wichtiger Bestandteil der Diagnostik und Therapie sein werden.

Obwohl im Bereich der Datensicherheit gute Fortschritte erzielt wurden, ist der Datenschutz nach wie vor ein Risikobereich. Auch wenn viel unternommen wird, damit der viel zitierte „gläserne Patient“ nicht zunehmend Realität wird, bestehen doch gerade bei der cloud-basierten, dezentralen Datenverarbeitung oder bei der Kommunikation über soziale Medien Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes.

Ihr Steinbeis-Unternehmen beschäftigt sich intensiv mit dem Thema Gesundheitsförderung, wie wird Ihre Arbeit in diesem Bereich durch die Digitalisierung beeinflusst?

Wir beschäftigen uns unter anderem mit dem Einfluss des Lebensstils auf gesundheitliche Risikofaktoren für Herz-Kreislauferkrankungen beziehungsweise Diabetes mellitus Typ 2. Hier ergeben sich über Aktivitätsscanner vielfältige Auswertungs- aber auch Interventionsmöglichkeiten. Dies gilt jedoch nicht nur für die diagnostische Evaluation. Eine sehr gute Chance liegt darin, diese Auswertungen dem Benutzer unmittelbar in Form von digitalen oder Online-Coachings verfügbar zu machen und dadurch sein Verhalten zu optimieren.

Big Data in der Medizin: Heute lassen sich immer mehr Gesundheitsdaten erheben und miteinander vernetzen, wovon sowohl die Patienten als auch die medizinische Forschung profitieren. Der Umgang mit diesen hochsensiblen Patientendaten wirft aber auch viele ethische Fragen auf, wie kann aus Ihrer Sicht eine für alle Seiten gute Lösung aussehen?

Beim Umgang mit hochsensiblen Patientendaten müssen bestimmte Aspekte im Vorfeld ganz klar geregelt und auch kommuniziert werden: Warum werden die Daten erhoben? Es muss Transparenz darüber geben, wo die Daten gespeichert werden und wer Zugriff darauf haben darf sowie wer die Daten analysieren kann und darf. Das Einverständnis des Patienten muss und darf erst nach einer vollumfänglichen Aufklärung eingeholt werden. Bei Studien oder Erhebungen großer Datenmengen, zum Beispiel über Aktivitätstracker, dürfen keine Rückschlüsse auf Einzelpersonen durch Anwendung der sogenannten Pseudonymisierung möglich sein.

Viele dieser Aspekte werden durch die Datenschutz-Grundverordnung bereits ausführlich adressiert. Bei einer verantwortungsvollen Umsetzung im Rahmen der Patientenversorgung beziehungsweise klinischer Studien werden bereits viele Datenschutzfragen ausreichend berücksichtigt. Gerade die Diskussion um den Datenschutz bei der aktuellen Corona-App hat aber gezeigt, dass hier immer wieder neue Aspekte diskutiert und berücksichtigt werden müssen.