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Homeoffice braucht mehr als nur funktionierende Technik

Das bwcon-Team ist überzeugt: Digitales Arbeiten bleibt auch nach der Pandemie voll im Trend

Aktuell befinden sich rund 25% aller Beschäftigten im Homeoffice, ein Rekordwert. Der Start in diese Phase verlief für die meisten sehr überraschend und teilweise ohne eine wesentliche Vorbereitung. Umso wichtiger ist es, nun einmal kurz innezuhalten und neben den vielen Tools, die in derart (und für deutsche Verhältnisse überraschend) kurzer Zeit Einzug in unseren Arbeitsalltag gehalten haben, auch einmal den Blick dafür zu schärfen, wie das Arbeiten von zu Hause gut funktionieren kann. Auch die bwcon GmbH im Steinbeis-Verbund hat seit Mitte März ihre Aktivitäten auf Online-Modus umgestellt und inzwischen über 20 Online-Seminare aus dem „bwcon-Homeoffice“ organisiert. Das Team war von den Ergebnissen positiv überrascht. Wie die ersten Phasen des digitalen Zusammenarbeitens bei der bwcon gelaufen sind und zu welchen Erkenntnissen sie geführt haben, berichten die beiden Steinbeiser Sven Golob und Dr. Jürgen Jähnert.

So waren bei den Online-Seminaren von bwcon überraschenderweise deutlich mehr Teilnehmer anwesend als bei den Präsenzveranstaltungen vor dem Lockdown. Dies ist schon an sich ein großer Erfolg, zeigt aber auch gleichzeitig, dass die bisherigen Gründe dafür, nicht digital zusammenzuarbeiten, vorgeschoben waren und es einen externen Druck braucht, um gewohnte Verhaltensweisen zu ändern. Sven Golob und Dr. Jürgen Jähnert sind überzeugt, dass das digitale Zusammenarbeiten auch in Zukunft bestehen bleiben wird. „Es hat sich deutlich gezeigt, dass der externe Veränderungsdruck durch die Pandemie zu nachhaltigen Veränderungen im Unternehmen führen wird“, so Jürgen Jähnert, Geschäftsführer der bwcon GmbH. So wird es bei bwcon in der Kommunikation mit Kunden auch weiterhin einen Platz für digitale Meetings geben, vor allem für die, die der Informationsbeschaffung dienen, operative Abstimmungen bieten und eher kurzweilig sind (1-3 Stunden).

Der Stress einer ungewöhnlichen Zeit

Aber zurück zum Anfang: Niemand konnte vorhersehen, dass es zu diesem Ausnahmezustand kommen würde. Wir können uns momentan nicht auf Prognosen verlassen, fahren gewissermaßen permanent auf Sicht. Diese Unsicherheit und dieser immense Kontrollverlust, gepaart mit einer unsichtbaren Bedrohung, verursachen Stress. In dieser für viele ungewollten Corona-Homeoffice-Situation stellt sich also nicht nur die Frage nach den passenden Tools, sondern auch nach dem richtigen Umgang mit dem Home­office selbst. Oder anders: Was brauche ich, um in der aktuellen Situation gut im Homeoffice zu arbeiten? Das bwcon-Team hat schnell die Erfahrung gemacht, dass permanentes Online-Arbeiten in Videokonferenzen sehr ermüdend ist und daher Pausen zwischen den Meetings enorm wichtig sind.

Das Bedürfnis nach Struktur

Es hat sich auch gezeigt, dass wir Menschen eine gewisse Routine, erwartbare Ergebnisse unserer Interaktion mit unserer Umwelt und verbindliche Normen brauchen, um uns sicher zu fühlen. Je höher die Unsicherheit im Außen, umso höher der Stellenwert der „inneren“ Struktur. Im Homeoffice können also Stellschrauben wie ein separater Arbeitsplatz in möglichst störungsfreier Umgebung, Ergonomie dieses Arbeitsplatzes und vor allem eine Trennung von Arbeits- und Wohnraum wichtige Faktoren sein, um Stress zu reduzieren, der durch verschwimmende Grenzen zwischen „Leben und Arbeiten“ entsteht. Hier ist das Thema Eigenverantwortung und Eigenantrieb des Mitarbeiters gleicherweise von Bedeutung. In Bezug auf die Arbeitszeit ergibt sich ein sensibles Thema: Im Homeoffice ist Arbeitszeiterfassung weniger zielführend und für die Strukturierung der Arbeitszeit treten die Arbeitsergebnisse in den Vordergrund. Die Zeitstrukturierung, die zum gelingenden Homeoffice beiträgt, erfordert einen transparenten Kalender, der nach Möglichkeit mit der Zeitplanung der Familie abgeglichen ist. Auch regelmäßige Auszeiten sind wichtig! Denn digitales Arbeiten ufert gerne schnell aus und man ist „always on“. In die Tagesstruktur gehören also unbedingt auch Pausenzeiten. Die Empfehlung von bwcon lautet: Falls ein Team-Chat genutzt wird, gilt es, regelmäßig den eigenen Status zu pflegen und auch den jeweiligen Status der anderen zu respektieren. Hier hat sich gezeigt, dass Mitarbeiter nicht immer, bevor ein Kollege kontaktiert wird, in dessen Kalender schauen. Dieses Umdenken ist aktuell im Gange, erfordert aber noch ein wenig Zeit, bis dies nachhaltig die Arbeitsweise verändert.

Zur gemeinsamen Planung hat sich das digitale „daily standup“ als Format im Team bewährt, um Transparenz über die Auslastung und Aufgabenverteilung herzustellen. Hier treffen sich die Teammitglieder täglich kurz für 15 Minuten in einem digitalen Raum und besprechen den Tag. Weiter muss Platz sein, den bisherigen informellen Austausch in die digitale Welt zu transferieren. Gemeinsame Mittagessen sind auch „remote“ möglich und auch Pausen können „gemeinsam“ genommen werden. Dabei hat die bwcon mit den beiden digitalen Kommunikationswegen Zoom und Slack gute Erfahrungen im schnellen und unkomplizierten Bereitstellen von virtuellen Räumen gemacht.

Das Bedürfnis nach Sicherheit

Auch das in unserer Gesellschaft wichtige Thema Datenschutz darf im Home­office nicht zu kurz kommen. Die datenschutzrechtliche Einschätzung der verschiedenen Werkzeuge aus der Perspektive der IT-Sicherheit erfordert, dass zunächst der wenig präzise Begriff Sicherheit näher erläutert wird. Geht es um die Vertraulichkeit der digitalen Sitzung, muss allen Beteiligten bewusst sein, dass keines der aktuell eingesetzten Kommunikationsmedien als abhörsicher einzustufen ist. Datendiebstahl wäre ein weiteres potenzielles Angriffsszenario. Hier werden die Adressdaten der Teilnehmer einer Sitzung entwendet und für weitere Zwecke missbraucht. Des Weiteren erfordern einige Konferenzwerkzeuge das Herunterladen externer Software auf den Rechner. Hier ist die Frage, ob man dem Hersteller der Software traut, denn diese könnte potenziell Informationen des Rechners auslesen und unerlaubt versenden. Wichtig ist, dass jeder Nutzer von ans Internet angebundener Software versteht, dass Sicherheit kein statisches Ziel ist, das einmalig erreicht wird oder nicht, sondern als ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess betrachtet und vor allem gelebt werden muss. Für diesen kontinuierlichen Verbesserungsprozess gilt dann: Jeder Monat Stillstand ist eigentlich ein Rückschritt.

Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit

Zu unseren Grundbedürfnissen gehört auch der Hunger nach Anregung vom und Anbindung ans Außen. Das heißt, wir benötigen ein Gefühl der Zugehörigkeit, das vor allem durch den Austausch mit anderen entsteht. Im Homeoffice hat das auf mehreren Ebenen Auswirkungen, denn durch die damit verbundene Isolation erhöht sich der Kommunikationsbedarf drastisch. Gemeint ist aber nicht nur die rein faktenorientierte, sachliche Kommunikation, sondern das „sich MIT-Teilen“ in einer Gruppe. Sowohl Informationen als auch Gefühle sollten offen kommuniziert werden (dürfen), um das Zugehörigkeitsbedürfnis zu stillen. Durch einfache Check-in-Runden zu Beginn eines Meetings mit der Frage „Wie geht es dir heute?“ kann die Isolation des Homeoffices ein Stück weit gelockert werden. Doch die viele Kommunikation hat natürlich auch eine Kehrseite: „Ein wichtiger Erfahrungswert ist, dass sich die Dichte an Online-Meetings mit der Nutzung im Team rasant erhöht. Daher sollten Termine bewusst kurzgehalten und mit einem klar formulierten Ziel und einem entsprechend ausgewählten Teilnehmerkreis geplant werden. Was natürlich nicht nur für das Homeoffice gilt“, so Sven Golob.

Auch das digitale Wissensmanagement bekommt im Homeoffice eine noch höhere Relevanz, denn durch die räumliche Trennung ergeben sich schnell Kommunikations- und Wissenslücken im Team und der ganzen Organisation. Daher lohnt es sich, in Meetings auch Re­trospektiven einzubauen, um den Erfahrungsaustausch zu verfestigen. Dabei werden die drei Leitfragen „Was ist passiert? Was habe ich gelernt? Was mache ich nun?“ beantwortet und in der Gruppe reflektiert.

Das Bedürfnis nach Anerkennung

Feedback ist in der kontaktarmen Home­office-Situation extrem wichtig, denn die Isolation macht es schwierig, positive Rückmeldung „zwischen Tür und Angel“ zu bekommen und so die eigene Arbeit als sinnvollen Beitrag zu erleben. Insbesondere für Führungskräfte ist das eine große Herausforderung. Auch hier helfen die oben erwähnten regelmäßigen Check-ins in Meetings und auch gezielte Fragen nach der individuellen Situation. Es reicht oft schon eine kleine Wertschätzung in Form eines Satzes wie „Ich sehe, dass du gerade in einer sehr belastenden Situation steckst“ und „Ich wollte dir sagen, wie toll ich es finde, wie du dich trotzdem einbringst.“ „Sparen Sie nicht mit Lob und fordern Sie umgekehrt auch proaktiv Feedback ein“, empfiehlt Jürgen Jähnert. Isolation führt schnell zu Niedergeschlagenheit und der wirken Sie über positive Feedbacks entgegen – was der Produktivität und dem eigenen Wohlbefinden, wie auch der Teamkultur sehr guttut. Klare Ziele in einer klaren Struktur helfen, sich selbst zu motivieren, was Sie in Ihrer Planung berücksichtigen sollten. In den oben erwähnten Retrospektiven können Sie auch gemeinsam Erfolge würdigen und positive Lernerfahrungen greifbar machen. Zu guter Letzt können Sie auch positives Reframing nutzen, um das Home­office in ein gutes Licht zu rücken. Fragen Sie sich einmal: Wofür ist das gerade nützlich? Was kann ich lernen?