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GREENCITYLAB: VISIONÄRE MOBILITÄT REAL ERPROBT

Autonomisierung der Mobilität erfordert neue Wege in der Entwicklung urbaner Räume

Auch wenn der Zeithorizont für die Umsetzung tatsächlich autonomer Mobilität unklar ist, gehen Szenarien davon aus, dass mit der fortschreitenden Autonomisierung ein ganz neues Verkehrssystem entsteht. Wie ändern sich Nutzungen, Dichte und Gestaltung städtischer Räume unter dem fortschreitenden Einfluss des autonomen Fahrens? Zu diesem Themenkomplex haben sich das Steinbeis- Beratungszentrum Technologieförderung & Projektfinanzierung, das Ferdinand-Steinbeis-Institut, die Stadtentwickler von Green City Experience und städtische Akteure zusammengeschlossen. Gemeinsam wollen sie die Chancen automatisierter Mobilitätslösungen in den Bereichen Parken, Laden, Sharing und Logistik erproben und die möglichen Risiken durch den Experimentierraum minimieren.

Die Vorstellung, dass beispielsweise die Zeit im Fahrzeug nicht mehr mit Fahraufgaben verbracht werden muss, zieht eine vollständige Neubewertung des Faktors Zeit nach sich. Dies kann dazu führen, dass Nutzer ihre Wohnortwahl verändern, da lange Pendelwege nicht mehr als nachteilig gesehen werden würden. Ob regenerative oder hypermobile Stadt, neue Szenarien geben viel Raum für Unsicherheit über die weitere Entwicklung.

Zumindest den Akteuren kommunaler Verkehrs- und Stadtplanung fehlen derzeit noch wichtige Entscheidungs- und Handlungsgrundlagen, in welcher Form sich autonomes Fahren mittel- bis langfristig durchsetzen wird. Für kommunale und regionale Akteure der Politik, der Verwaltungen, Verkehrsbetreiber sowie der Immobilienwirtschaft ist jedoch eine hohe Planungssicherheit von zentraler Bedeutung. Insbesondere die Anpassung von Verkehrsinfrastrukturen und der Siedlungsentwicklung erfordert eine langfristige Herangehensweise einschließlich der entsprechenden Regulation und Finanzierung.

Das von Steinbeis-Experten und ihren Projektpartnern geplante Reallabor GreenCityLab erprobt hoch automatisierte und autonome Anwendungen in den Bereichen Mobilität und Logistik in einem bestehenden innerstädtischen Quartier. Vorzugsweise soll das GreenCityLab in München im Stadtviertel Schwanthalerhöhe mit rund 30.000 Einwohnern entstehen.

Der innovative Ansatz dieses Experimentierraums besteht darin, dass bevor die hoch automatisierten und autonomen Anwendungen bereits als fertige Produkte getestet werden, die Experten einen durch Virtual Reality unterstützten Beteiligungsprozess durchführen. Dieser erlaubt, dass explizit die Zukunftserwartungen der Stakeholder zur Planungsgrundlage gemacht werden können. Auf diese Weise kann die Produktentwicklung und der Test der Produkte im GreenCityLab viel zielgerichteter und eine sehr viel konkretere Marktpotenzialeinschätzung für Innovationen im Bereich Mobilität vorgenommen werden, da das Reallabor gleichsam Testfeld und Testmarkt ist.

Städtische Akteure erhalten so verlässliche Grundlagen, wie und in welchem Zeitraum autonomes Fahren die Pläne zur Gestaltung von Parkflächen, Fahrradspuren, Kreuzungen, Bürgersteigen, Querschnittsgestaltungen von Straßen etc. beeinflusst, und können sich darauf vorbereiten.

Zwei wesentliche Bausteine für das Gelingen des GreenCityLabs sind die höhere Akzeptanz der neuen Lösungen durch die Entwicklung eines transdisziplinären Prozessansatzes unter Berücksichtigung von Virtual Reality (VR) und der Aufbau einer offenen Plattform für ein multithematisches, inter- und multimodulares Mobilitätssystem.

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MEHR AKZEPTANZ DANK DES TRANSDISZIPLINÄREN PROZESSANSATZES

Die Entwicklung des GreenCityLabs verfolgt den Co-Creation Ansatz, dabei finden alle drei Phasen – Co-Design, Co-Produktion und Co-Evaluation – gemeinsam mit den Beteiligten sowie den Entscheidungsträgern statt. In der ersten Phase erfolgt die partizipative Entwicklung des GreenCityLabs (Co-Design). Zusammen mit den Anwohnern werden verschiedene Szenarien entwickelt, die mithilfe von innovativen Ansätzen aus dem Bereich der VR zunächst visualisiert und mögliche Umsetzungsrealitäten aufgezeigt werden. Die Auswahl der umzusetzenden Projekte erfolgt im Zusammenspiel mit einem Gremium an Fachexperten, aber vor allem im Dialog mit den jeweils Betroffenen, sodass die Bedarfe, Wünsche und Erwartungen direkt in die Implementation fließen. Diese partizipative Konzeptionierung und Diskussion auf Basis konkreter bildhafter Zukunftsentwürfe führt den Diskurs der Stadt- und Mobilitätsentwicklung in die Ent-Ideologisierung, Ent-Theoretisierung und Ent-Abstrahierung der Planungskonzepte, hin zu einem integrierten Lösungsansatz, der zukunftsoffen, bürgernah, fair, demokratisch, transparent, nachhaltig, innovationsgetrieben und wirtschaftsfreundlich ist.

Die einmal programmierten Szenarien können mit Hilfe von VR-Brillen direkt im Quartier zum Beispiel durch einen VRgestützten Stadtteilspaziergang erlebt werden. Technisch geht das auch an jedem anderen Ort, so ist die Methode dank der VR-Technologie mobil und skalierbar. Die VR-Technik offenbart eine neue Form der Informationsvermittlung: Durch das aktive Erlebnis im digitalen Raum können unterschiedlichste Perspektiven eingenommen und somit das Verständnis für das Projekt an sich sowie für andere Interessensgruppen gesteigert werden.

Nutzer sind im Anschluss an das VR-Erlebnis gefragt, Anregungen und Fragen zu äußern. Dadurch entsteht ein immer detaillierteres Verständnis der Zukunftserwartungen und Wünsche. Das gesammelte Feedback wird durch das Projektteam konsolidiert und adaptiert, um so eine Priorisierung und schlussendlich eine Umsetzung bestimmter Szenarien im GreenCityLab zu ermöglichen.

OFFENE PLATTFORM FÜR EIN MULTITHEMATISCHES, INTER- UND MULTIMODULARES MOBILITÄTSSYSTEM

Unter dem Einfluss neuer IK-Technologien (KI, 5G, Blockchain) werden innovative Mobilitätstechnologien in die reale Infrastruktur vor Ort integriert. Hierzu wird ein ganzheitliches vernetztes Ökosystem bestehend aus relevanten Industrie- und Forschungspartnern sowie einem breiten Leistungsbündel nutzenstiftender Anwendungsszenarien aufgebaut und verprobt. Der Nutzer kann über eine App neue Formen der urbanen Mobilität ausprobieren. Hierbei entstehen neue Zukunftsfelder und Geschäftspotenziale, die es gilt in eine sich selbst tragende Wirtschaftlichkeit zu überführen.

Unter Einsatz offener Standards als eine der Grundvoraussetzungen, um Chancen der vernetzten Mobilität, auch hinsichtlich der Stadtentwicklung, nutzbar machen zu können, können sich alle Stakeholder des Ökosystems am Austausch und der Nutzung von Daten für die jeweiligen Services in allen aufgeführten Bereichen beteiligen. „Das erhöht die Interoperabilität, ermöglicht neue Geschäftsmodelle und steigert die Wettbewerbsfähigkeit aller beteiligten Unternehmen“, so Steinbeis-Experte Oliver Damnik.

Datengetriebene Dienste für neue Wertschöpfungsszenarien können auf jeder Ebene der Automatisierungspyramide entwickelt werden, physische Objekte im Mobilitäts- und urbanen Infrastrukturumfeld gesteuert, Prozesse und IT-Systeme konsequent darauf ausgerichtet werden. Der Einsatz bestehender Plattformen und die Verbindung jeweiliger Funktionalitäten verschiedener Plattformen der beteiligten Unternehmen und staatlichen Parteien wird hin zu einem integrierten Ökosystem auf Basis offener Internettechnologie weiterentwickelt.