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WENN DIE DROHNE ZWEIMAL KLINGELT

Welches Potenzial steckt in der autonomen Drohnenlieferung?

Wie werden in der Zukunft unsere Bestellungen zu uns geliefert: Bringt sie der Roboter oder doch die Drohne? Die Emqopter GmbH aus Würzburg beschäftigt sich schon heute mit der Technologie von morgen und setzt dabei auf individuelle und maßgeschneiderte Drohnentechnik. Welche regulatorischen Hemmnisse noch zu überwinden sind und wie die Akzeptanz von autonomen Lieferdrohnen in der Bevölkerung erhöht werden kann, darüber hat Marvin Bihl, Geschäftsführer der Emqopter GmbH, für die TRANSFER nachgedacht. Er war als Experte bei der ersten #techourfuture-Veranstaltung „Zukunft Autonomes Fliegen – Über Land und Leute“ dabei.

Im Dezember 2013 verkündete Jeff Bezos, Gründer und Geschäftsführer von Amazon Inc., im US-Fernsehen im Rahmen der Sendung „60 Minutes“ auf CBS, dass Amazon plane Pakete in der Zukunft mit Hilfe von vollautonomen Drohnen auszuliefern – obwohl ihm bewusst war, dass es in den USA zum damaligen Zeitpunkt keine regulatorische Grundlage gab ein solches Vorhaben zu implementieren. Bezos stellte in einem Bericht einen Oktokopter vor, der in einer Lagerhalle automatisiert mit einem Paket bestückt wurde, die Halle autonom verlässt, zu einem Kunden fliegt, dort vor der Haustür landet, das Paket selbstständig ablegt und anschließend wieder zurückfliegt. Einen operativen Lieferbetrieb mittels Drohne hielt er damals frühestens 2015 für realistisch. Mittlerweile ist Amazon das größte börsennotierte Unternehmen der Welt, hat schätzungsweise mehrere Milliarden US-Dollar in die Erforschung und Entwicklung von Lieferdrohnentechnologien investiert und bereits die vierte Generation unbemannter Flugsysteme für den Transport von Waren vorgestellt. Damit war Amazon eines der ersten Unternehmen, das sich aktiv mit der Thematik beschäftigte, ist aber bei weitem kein Einzelfall mehr. So unterhalten beispielsweise auch Alphabet, Alibaba, DPDHL, JD.com und viele weitere Großunternehmen Lieferdrohnenprojekte. Hierin spiegelt sich das Potenzial wider, das der Technologie insbesondere im Bereich „letzte Meile“- Logistik zugesprochen wird.

REGULATORISCHE EINSCHRÄNKUNGEN

Die Relevanz der Technologie könnte aber noch größer sein, berücksichtigt man die regulatorischen Hemmnisse, denen unbemannte Flugsysteme, insbesondere im Outdoor-Bereich, heute noch unterliegen. So ist es bisher beispielsweise nur möglich, Lieferdrohnen in deren typischen Spezifikationen hinsichtlich Größe, Gewicht und technischer Eigenschaften auf bestimmten, von der jeweils zuständigen Landesluftfahrtbehörde erlaubten, vordefinierten Routen zu betreiben. Die Zeit, die verstreicht, bis eine solche Erlaubnis erteilt wird, variiert und ist abhängig von der bisherigen Erfahrung der entsprechenden Landesluftfahrtbehörde mit der Thematik und ihrer Auslastung. Eine flexible und bedarfsgerechte Routenplanung in Echtzeit, wie sie beispielsweise für Paketzustellungen an private Haushalte notwendig wäre, wird dadurch nahezu unmöglich. Des Weiteren treten Schwierigkeiten auf, wenn der Betrieb eines unbemannten Luftfahrzeuges (UAS) grenzübergreifend in die Zuständigkeit mehrerer Landesluftfahrtbehörden fallen sollte. Der Einsatz einer Lieferdrohne auf der letzten Meile ist in Deutschland heute daher nur auf Linienrouten zwischen festen Punkten möglich. Interessant ist die Technologie daher insbesondere für eilige Transporte, die regelmäßig zwischen A und B durchgeführt werden müssen.

EMQOPTER-DROHNE LIEFERT IM URBANEN RAUM

Genau für solche Anwendungsfälle hat Emqopter die erste vollautonome Lieferdrohne entwickelt, die in Deutschland regelmäßig im urbanen offenen Luftraum betrieben wird. Das System ist vollredundant aufgebaut. Das bedeutet, dass es im Falle eines Fehlers oder Ausfalls jeder Komponente eine andere Komponente gibt, die die Aufgabe der ersten lückenlos ersetzt oder zumindest ein „sicheres Versagen“ des Systems, wie etwa einen Missionsabbruch und eine Rückkehr zum Ausgangspunkt oder eine Notlandung auf einem sicheren Platz, einleitet.

Im Schnitt lassen sich mit der Lieferdrohne zwei Drittel der Zeit und 20% der Betriebskosten im Vergleich zum Transport mit einem Auto einsparen. Hinzu kommt, dass die Lieferdrohne vollkommen elektrisch und damit emissionsfrei betrieben wird und die Verkehrsinfrastruktur, insbesondere im urbanen Raum, entlastet.

Große kommerzielle Potenziale der Drohnen, die insbesondere auch Unternehmen wie Amazon in der bedarfsgerechten und flexiblen Lieferung auf der im B2C-Bereich typischen „letzten Meile” sehen, bleiben dabei bislang ungenutzt. Um dieses Potenzial zu heben, hat die EU sich auf eine einheitliche Regulierung für UAS im kommerziellen Bereich verständigt.

Durch die Einführung des sogenannten U-Space soll ein kollaborativer Luftraum geschaffen werden, den sich bemannte und unbemannte Flugsysteme gleichermaßen teilen. Mit Hilfe einer SIM-Karte kann eine Drohne im Mobilfunknetz europaweit lokalisiert werden. Führt man diese Daten mit den vorhandenen Radardaten der bemannten Luftfahrt zusammen, lässt sich der gemeinsame Luftraum koordinieren. Eine Remote-ID soll jedes UAS zusätzlich jederzeit eindeutig identifizierbar machen. Gepaart mit einheitlichen Regeln für notwendige Spezifikationen für die Genehmigung von spezifischen Missionen lassen sich auch Aufstiegserlaubnisse über ein Traffic Management System in Echtzeit erteilen. Die erste Phase der Implementierung des U-Space startete bereits 2019 mit der Initialisierung der Grundlagen des Services. Bis 2035 soll der U-Space dann vollumfänglich seinen Dienst aufnehmen.


„Die Akzeptanz von autonomen Flugobjekten in der Bevölkerung zu erhöhen ist uns sehr wichtig“

Im Gespräch mit Marvin Bihl

Herr Bihl, warum ist es aus Ihrer Sicht wichtig die Gesellschaft über Zukunftstechnologien zu informieren?

Einmal um Wissen zu schaffen und zum anderen, um Akzeptanz zu erreichen. Das Wissen ist wichtig, damit sich gesellschaftlich gewollt die beste Technologie durchsetzt. Hierfür gibt es auch Beispiele aus der Vergangenheit, wo sich die technologisch schwächere Technologie durchgesetzt hat, weil de facto eine falsche Kommunikationspolitik gegenüber der Öffentlichkeit betrieben wurde. Und zum anderen ist es insbesondere bei so einer disruptiven Technologie wie unbemannte Flugsysteme wichtig Akzeptanz in der Bevölkerung zu schaffen. Die menschliche Natur ist grundsätzlich so angelegt, dass sie das Unbekannte erst einmal ablehnt. Daher bin ich überzeugt, dass die Gesellschaft je nachdem, welche Informationen sie zur Verfügung gestellt bekommt, auch beeinflusst, welche Technologien sich durchsetzen. Wenn wir diesen Gedanken weiter ausführen, wird schnell klar, dass die Informationsbereitstellung gewissermaßen auch eine Befähigung ist, um zu entscheiden, in welche Richtung es gehen soll.

Welche Vorbehalte begegnen Ihnen im Rahmen Ihrer Arbeit, sowohl mit Geschäftskunden als auch dem Verbraucher?

Es gibt drei primäre Bedenken, die eigentlich regelmäßig aufkommen: Lärmemission, Datenschutz und kriminelle Einsatzmöglichkeiten. Beim Thema Datenschutz geht es in erster Linie darum, ob im System personenbezogene Daten erhoben werden können oder erhoben werden, die dann gegen Unbeteiligte eingesetzt werden können, entweder um diesen zu schaden oder um einen Profit daraus zu ziehen. Das können zum Beispiel Bild- und Videodaten sein, die beim Flug über die Straße, über Privatgelände oder Industriegelände entstehen können. Ein weiterer Vorbehalt ist, ob autonome Flugobjekte nicht auch zu terroristischen Zwecken eingesetzt werden könnten. Wenn wir solchen Vorbehalten begegnen, erklären wir, dass das System zum einen bei Lärmemissionstests besser abschneidet als ein Auto im regulären Straßenverkehr und zum anderen datenschutzkonform ausgelegt ist. Das bedeutet, dass das Kamerasystem an Bord ausschließlich der Lageaufzeichnung im Luftraum dient. Dies ist ein Sicherheitsaspekt und es werden keinerlei Daten von Personen am Boden aufgezeichnet oder gesammelt. Aufzeichnungen finden im System ohnehin nicht personenbezogen statt. Es leuchtet den meisten Leuten ein, dass man für so ein System auch eine Kameraaufzeichnung benötigt, um zu sehen, was im Luftraum passiert. Das kann man mit dem Cockpit eines Piloten vergleichen, der ein Fenster nutzt, um rausschauen zu können. Deshalb sieht er trotzdem nicht, was die Leute unter ihm im Garten treiben. Natürlich besteht darüber hinaus die Gefahr, dass Drohnen für kriminelle Aktivitäten missbraucht werden, die Gefahr ist aber deutlich geringer, als zum Beispiel beim Auto.

Wo und wie würden Sie autonome Flugobjekte verwenden, wenn Sie das entscheiden könnten, und für welche Situationen würden Sie es ausschließen?

Eigentlich würde ich sie in allen Situationen verwenden, in denen es einen wirtschaftlichen und/oder gesellschaftlichen Sinn ergibt. Ausschließen würde ich sie für die Situationen, in denen es für eine Mehrheit an Menschen einen Disnutzen erzielt. Ein konkretes Beispiel hierfür ist der Medizingütertransport: Wenn es um den Transport von eiligen Blutproben zur Analyse oder um eine schnelle Behandlung von Patienten geht, dann geht der Nutzen sicherlich über den Disnutzen hinaus, den einige Menschen durch Lärmbelastungen und den Verkehr von Flugobjekten am Himmel sehen. Das ist übrigens ein Beispiel, dass auch die Teilnehmer bei #techourfuture in Sinsheim genannt haben. Dort wurde zum Beispiel deutlich, dass solche Anwendungen in der medizinischen Logistik durchaus akzeptiert werden, wenn aber eine Standard- DHL-Lieferung im Garten abgesetzt wird, stößt das momentan auf weniger Akzeptanz. Dazu muss man natürlich sagen, dass auch beim Medizingütertransport die letzte Meile eine Rolle spielt. Die Akzeptanz wird schrittweise geschaffen und am Ende des Tages spielen die Lärmemissionen grundsätzlich keine große Rolle, denn die sind geringer als durch ein Auto im Straßenverkehr. Das ist eine Frage der Gewohnheit. Mit dem Auto im Straßenverkehr wächst man auf, die Drohne, die zwei Gärten weiter startet und landet, habe ich vielleicht seit fünf Jahren. Das wird für die nachfolgenden Generationen auch kein Problem mehr sein. Die Akzeptanz wird sich skalieren vom selteneren Medizingütertransport bis hin zu Lieferungen von Amazon-Paketen, das ist eine schrittweise Entwicklung. Auch wenn das heute von einigen Leuten noch nicht akzeptiert wird.

Wenn wir von einem flächendeckenden Einsatz sprechen, denke ich, dass das regulatorisch schon relativ schnell möglich sein wird. Was dann die wirtschaftliche Effizienz und die Akzeptanz in der Bevölkerung angeht, möchte ich keine zeitliche Prognose abgeben, aber auf jeden Fall wird es sich dabei zunächst eher um kleinere Lieferungen handeln. Im urbanen Bereich sehe ich persönlich Multikoptersysteme, die am ehesten und am effizientesten eingesetzt werden: Sie sind sehr zuverlässig, sehr flexibel, können sehr präzise starten und landen, auf engem Raum.

Brauchen wir für die unbemannten Flugsysteme spezielle Regelungen im Luftverkehr?

Ja, auf europäischer Ebene gibt es Bemühungen, eine einheitliche Regulierung zu schaffen. Es geht darum, dass der Luftraum kollaborativ zwischen bemannten und unbemannten Flugsystemen geregelt wird. Wenn ich eine Drohne habe und mit ihr von A nach B fliegen möchte, bekomme ich über die Flugsicherung einen Korridor, eine Flughöhe sowie Start- und Landezeit zugewiesen, so wie das jetzt für die bemannte Luftfahrt üblich ist. Der Luftraum wird einheitlich geregelt und diese Systeme können zentral kommunizieren.

Natürlich besteht die Gefahr der missbräuchlichen Nutzung von Drohnen, allerdings ist diese kleiner als beispielsweise beim Auto. Dafür wird die kollaborative Luftraumnutzung sorgen: Wenn jemand nicht kollaborativ unterwegs sein wird, wird er auch frühzeitig im Luftraum detektiert werden. Ist er zuerst kollaborativ unterwegs und führt dann gegen den ursprünglichen Nutzen feindselige Operationen durch, kann er nachverfolgt werden. Das habe ich mit dem Auto eben nicht.

Was unternehmen Sie und Ihr Unternehmen, um die Akzeptanz Ihrer Technologie in der Bevölkerung zu erhöhen?

Die techourfuture-Veranstaltung ist zum Beispiel eine unserer Aktivitäten in diesem Bereich. Darüber hinaus sorgen wir mit Projekten für unsere Kunden für mehr Akzeptanz bei den Anwohnern: Wir führen zum Beispiel eine Art Integrationsworkshops durch. Diese sind in zwei Phasen gegliedert: Zuerst geht es darum, die Anwohner zu informieren beziehungsweise abzuholen. In diesem Schritt laden wir alle Anwohner ein, um das Projekt und das System/die Technologie vorzustellen. Im zweiten Schritt führen wir dann einen Designthinking-Workshop durch, gehen dort gezielt auf die Fragen und Bedenken der Menschen ein und geben ihnen einen Einblick in die technische Entwicklung. Die Akzeptanz von autonomen Flugobjekten, insbesondere Lieferdrohnen, in der Bevölkerung zu erhöhen, ist uns sehr wichtig.

Kontakt

Marvin Bihl (Autor)
Geschäftsführer
Emqopter GmbH (Würzburg)