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„Man muss sehr früh beginnen Kinder neugierig zu machen“

Im Gespräch mit Professor Dr. Heinz Trasch, Leiter des Steinbeis-Transferzentrums Science, Technology & Economy

Professor Dr. Heinz Trasch spricht mit der TRANSFER über die Neugierde der Kinder und wie Erwachsene sie darin unterstützen können. Daneben berichtet er von seinen Erfahrungen bei „Jugend gründet“ und wie wichtig solche Wettbewerbe für die berufliche Zukunft der Jugendlichen sind.

Herr Professor Trasch, die Zukunft, auch die der Wirtschaft und Wissenschaft, liegt in den Händen der Jugend, die Aufgabe der älteren Generation besteht darin, sie darauf vorzubereiten. Welche Methoden sind aus Ihrer Sicht hierfür am erfolgreichsten und wo besteht noch Verbesserungsbedarf?

Ich möchte diese generelle Frage etwas ausführlicher beantworten. Ich bin der festen Überzeugung, dass man sehr früh damit beginnen muss Kinder neugierig zu machen, denn Neugierde ist eine der treibenden Kräfte neue Erkenntnisse zu erzielen. Dazu müssen Dinge und Vorgänge altersgerecht hinterfragt und gemeinsam Erklärungen gesucht werden. Das geschieht am besten im familiären Umfeld und sollte durch die Kindergärten intensiv unterstützt und in den Grundschulen und weiterführenden Schulen fortgesetzt werden. Wichtig dabei ist, dass man verstärkt auf das Anwenden von gelerntem Wissen und auf das Zusammenwirken verschiedener Fachdisziplinen achtet. Wissen ist wie ein Rohstoff zu verstehen. Es wird erst wertvoll, wenn es richtig genutzt und eingesetzt wird. Das lässt sich gut in betreuten Projektaufgaben für Einzelne, für Projektgruppen oder Arbeitsgemeinschaften vermitteln. Teamarbeit in solchen Projekten schafft oder verstärkt persönliche Eigenschaften, entwickelt Talente weiter und stärkt die Teamfähigkeit, die für den späteren Beruf in vielen Fällen Voraussetzung ist. Damit solche Projektaufgaben erfolgreich durchgeführt werden können, braucht es unterstützende Moderatoren, die nicht nur initiierend bei der Projektsuche behilflich sind, sondern die Projekte auch integrierend und betreuend begleiten und Hilfestellungen geben auf dem Weg zur jeweiligen Problemlösung. Solche moderierenden Tätigkeiten sollten engagierte Familienmitglieder, Erzieher, Lehrer oder Ausbilder leisten, da dies sicherlich Auswirkungen auf die spätere Berufswahl hat. Von solchen uneigennützig handelnden Personen und Vorbildern gibt es meiner Meinung nach viel zu wenig, da ist noch viel Potenzial nach oben. Einen sehr guten Ansatz verfolgt das Steinbeis-Innovationszentrum für Unternehmensentwicklung an der Hochschule Pforzheim mit seinem bundesweiten Online-Wettbewerb „Jugend gründet“. Schüler und Schülerinnen der Oberstufe oder Auszubildende entwickeln mit Unterstützung von Fachlehrern oder Ausbildern interessante eigene Geschäftsideen und versuchen sie im Team in unternehmerischer Weise virtuell umzusetzen. Im spielerischen Wettbewerb müssen sie ihre Idee einer kritischen Jury vorstellen und dabei versuchen Investoren für ihre Idee zu begeistern. Durch den Wettbewerbscharakter von „Jugend gründet“ lernen die Teammitglieder auch, dass nicht jede Geschäftsidee erfolgreich ist. Einige der Teammitglieder haben sich nach ihrer Berufsausbildung für eine Existenzgründung entschieden, was belegt, dass dieser Weg ein richtiger Weg ist. Möglichkeiten wie diese, junge Menschen auf das Berufsleben vorzubereiten, gibt es meiner Meinung nach viel zu wenig. Zurzeit läuft ein weiteres Projekt, Schüler der Oberstufe auf das Berufsleben vorzubereiten, initiiert von dem mittelständischen Unternehmen Heinrich Schmid aus Reutlingen. Die Schüler können während der gymnasialen Ausbildung in der Oberstufe parallel eine Berufsausbildung in dem Unternehmen machen. Dabei erfolgt der praktische Ausbildungsteil im Unternehmen. Die Teilnehmer an diesem Projekt können ein halbes Jahr nach ihrem Abitur die Gesellenprüfung in dem Handwerksberuf machen. Das Projekt läuft unter dem Namen „Duales Gymnasium“ und wurde in diesem Jahr am Firstwald-Gymnasium in Kusterdingen gestartet.

Sie sind seit 2004 Juror bei „Jugend gründet“ – dem bundesweiten Online-Wettbewerb für Schüler und Auszubildende. Was hat Sie damals fasziniert und was fasziniert Sie heute noch?

Wie schon gesagt sind diese Wettbewerbe beste Vorbereitungen für die spätere Berufswahl und gegebenenfalls für eine Existenzgründung. Die Idee hat mich von Anfang an begeistert. Seit meiner früheren Verantwortung bei Steinbeis sponsern wir den ersten Preis in diesem Wettbewerb. Bei den Präsentationen vor der Jury und in persönlichen Gesprächen mit den Teams lässt relativ schnell erkennen, wer später eher die Naturwissenschaft oder die Technik oder doch mehr die Betriebswirtschaft favorisiert. Es bilden sich innerhalb der Teams Strukturen aus, wie sie auch in Unternehmen zu finden sind. Die Positionen werden überwiegend nach den Neigungen der einzelnen Teilnehmer besetzt. Genau diese Erkenntnisse bestärken mich in der Annahme, dass der Weg, den das Projekt-Team „Jugend gründet“ eingeschlagen hat, der richtige ist. Das zeigt sich auch in der wachsenden Zahl der Teilnehmer.

Wie kann dieser Wettbewerb Ihrer Meinung nach die Jugendlichen auf ihre berufliche Zukunft vorbereiten? Welche Vorteile haben sie davon?

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass einige Teilnehmer an diesem Wettbewerb nach Abitur und Studium mit interessanten Geschäftsideen eigene kleine Unternehmen gründeten. Aus Gesprächen mit diesen früheren Teilnehmern haben wir erfahren, dass sie diesen Schritt bewusst getan haben, weil sie die Erfahrungen, die sie bei der Teilnahme an „Jugend gründet“ gemacht haben, einbringen konnten. Es wurde auch mehrfach erwähnt, dass der Weg in die Existenzgründung nicht mehr so schwierig erschien, da die Erstellung eines Businessplans schon geübt und durch die Gespräche mit Moderatoren und Juroren gelernt wurde, Geschäftsideen zu Ende zu denken und ggf. auf weitere Anwendungsfelder zu übertragen. Selbst wenn das Unternehmen nicht erfolgreich lief und wieder aufgelöst wurde, empfanden es die Jungunternehmer nicht als persönliche Niederlage, sondern überprüften ihre Geschäftsideen, korrigierten sie oder gründeten erneut mit einer neuen Idee. Aber nicht jeder Teilnehmer am Wettbewerb wurde Existenzgründer. Die überwiegende Mehrzahl machte ihre ersten beruflichen Schritte in den verschiedensten Unternehmen. Ihnen war der Wettbewerb behilflich bei der Berufswahl. Die Entscheidung der Teilnehmer naturwissenschaftliche, technische oder betriebswirtschaftliche Studiengänge zu belegen wurde oft durch die Vorbereitungsarbeiten zur virtuellen Unternehmensgründung und das Rollenspiel bei der Teampräsentation beeinflusst.

Sie als Jurymitglied stehen im unmittelbaren Kontakt mit den Teams: Wie profitieren die Jugendlichen von Ihrer Berufserfahrung? Was haben aber auch Sie von den Teilnehmern gelernt?

Die eigene Berufserfahrung bringt jeder Juror in diesen Wettbewerb ein. Zum einen gilt es die Geschäftsidee, das Produkt oder die Dienstleistung und die Präsentation der Teams zu bewerten, und zum anderen wird im Feedback mit den einzelnen Teams sowohl gelobt als auch sachlich kritisiert. Das Feedback ist Bestandteil in den Zwischenfinalen und dem Finale. Die Teilnehmer der heterogen besetzten Jury können im direkten Gespräch mit den Teams ihre persönlichen Eindrücke schildern und auf weitere Möglichkeiten der Geschäftsidee hinweisen. Auch die Präsentationstechnik wird dabei angesprochen. Hin und wieder muss auch das Selbstbewusstsein einzelner Teammitglieder angesprochen werden. Es wird also nicht nur über die präsentierten Produkte oder Dienstleistungen gesprochen, sondern auch über die Art und Weise der Präsentation. Meist entwickeln sich dabei interessante Gespräche, die von den Fragen der Teammitglieder an die Juroren leben. Je länger sie als Juror an Zwischenrunden und Finalen teilnehmen, desto besser lernen sie die einzelnen Teammitglieder in ihren Fähigkeiten einzuschätzen, was wiederum im Feedback mit den Teams oder in Gesprächen mit einzelnen Jugendlichen sehr vorteilhaft ist. Ich bin auch immer wieder überrascht, mit welchen interessanten Ideen die Teams sich im Wettbewerb präsentieren.

Als Juror haben Sie bestimmt viele interessante Projekte gesehen, welche davon haben Sie am stärksten beeindruckt und warum?

Da ich seit 2004 als Juror in diesem Wettbewerb mitarbeite, habe ich sehr viele interessante Projekte gesehen. Sie lassen sich in einzelne Kategorien einteilen und zeigen oft Lösungswege zu den täglich anfallenden kleinen und großen Problemen auf. Immer wieder finden sich Projekte und Dienstleistungen aus den Bereichen Energieerzeugung, Gesundheit, Sicherheit, Ernährung, Lifestyle-Produkte und oftmals elektronisch unterstützte Systeme – neue Apps – zur Bewältigung oder Vereinfachung anfallender Arbeiten oder sie machen das Leben einfach angenehmer. Bei den vielen Möglichkeiten der Energieerzeugung wird häufig der Piezoeffekt als Stromquelle genutzt, im Bereich Gesundheit und Sicherheit sind überwiegend beeinträchtigte Menschen die Zielgruppe, im Themenbereich Ernährung finden sich sowohl neue Produkte, wie Insektengerichte, aber auch Dienstleistungen, die dem Nutzer elektronische Unterstützung in seinem Bestell- oder Kaufverhalten bieten und die Kategorie Lifestyle-Produkte unterstützt in vielfältiger Weise sportliche Aktivitäten und den Hobbybereich. Ich möchte keine einzelnen Produkte oder Dienstleistungen hervorheben, da ich immer wieder überrascht bin von dem breiten Spektrum an Projekten, den dieser ständig wachsende Wettbewerb von Jahr zu Jahr bietet. Dabei spielen die Lehrer und Ausbilder als Initiatoren, Gesprächspartner und Moderatoren eine ganz entscheidende Rolle. Ich bin jedoch der Meinung, dass in diesem Wettbewerb der Weg das Ziel ist und nicht das Projekt. Die Beschäftigung mit der Existenzgründung ist das wahre Ziel, auch wenn das ein oder andere erfolgreiche Projekt aus diesem Wettbewerb schon als Gebrauchsmuster oder Patent angemeldet wurde.

Kontakt

Professor Dr. Heinz Trasch war von 2004 bis 2012 Vorstandsvorsitzender der Steinbeis-Stiftung. Heute leitet er das Steinbeis- Transferzentrum Science, Technology & Economy. Das Steinbeis- Unternehmen bietet seinen Kunden Beratung im Bereich der konkreten Wirtschaftsförderung sowie Wissens- und Technologietransfersysteme, Bewertung von Innovationssystemen und innovativen Produkten sowie Stellungnahmen zu technologischen Trends und gutachterliche Tätigkeiten.

 

 

Professor Dr. Heinz Trasch
Steinbeis-Transferzentrum Science, Technology & Economy (Ludwigshafen)