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ANLEIHEN – EIN INTERESSANTES FINANZIERUNGSINSTRUMENT FÜR DEUTSCHEN MITTELSTAND

Ein Interview mit Christian Schulte, Steinbeis-Experten für Mittelstandsfinanzierung und Investments, und Dr. Rolf Weilenmann, Leiter Corporate Finance bei der Helvetischen Bank AG

Seit mehr als zehn Jahren unterstützt das Unternehmen des gehobenen Mittelstandes bei der hausbankenunabhängigen Finanzierung. Neben direkten institutionellen Fremdkapitalfinanzierungen ist die Emission einer Anleihe eine wichtige und interessante Fremdkapitalquelle für Unternehmen. Für deutsche Emittenten gibt es eine Reihe von Vorteilen, wenn sie eine Anleiheemission in der Schweiz durchführen. Steinbeis M&I kooperiert in diesem Zusammenhang mit der Helvetischen Bank AG aus Zürich. Wie diese Zusammenarbeit aussieht und wie deutsche Unternehmen davon profitieren können, darüber hat die TRANSFER mit dem Steinbeis-Experten Christian Schulte und Dr. Rolf Weilenmann von der Helvetischen Bank AG gesprochen.

Herr Schulte, warum sind innovative hausbankunabhängige Finanzierungsinstrumente wichtig für Unternehmen des gehobenen Mittelstandes?

Christian Schulte: Für viele Unternehmen, die wir beraten und flankieren, ist es wichtig neben der Finanzierung durch die Hausbanken zusätzliche Finanzierungsquellen aufzubauen. Das gibt dem Unternehmen Stabilität und eine ausgewogenere Finanzierungsstruktur. Und das hat auch oft einen positiven Effekt für die Unternehmen im Bereich der Covenants und Zinskonditionen.

Was hat sich in den letzten 18 Monaten in Deutschland im Anleihebereich getan? Und was sind die Gründe für die Emission einer Anleihe aus Sicht des gehobenen deutschen Mittelstandes?

Christian Schulte: Im Jahr 2018 wurden 30, im ersten Halbjahr 2019 insgesamt elf kleinere Unternehmensanleihen vornehmlich von Immobilien- und Industrieunternehmen in Deutschland begeben. Wir sind mit einer Reihe von Unternehmen im Gespräch, die die Emission einer Anleihe erwägen. Die Gründe hierfür sind vielfältig, zum Beispiel Anleihen als hausbankenunabhängiger Finanzierungsbaustein, Finanzierung von Akquisitionen und attraktive Konditionen. In diesem Zusammenhang weist aus der Sicht von deutschen Unternehmen die Begebung einer Unternehmensanleihe in der Schweiz Vorteile auf.

Herr Dr. Weilenmann, die Helvetische Bank AG ist die Marktführerin in der Schweiz bei der Emission von Unternehmensanleihen bis zu 100 Mio. CHF und begleitet auch regelmäßig deutsche Emittenten. Welche Vorteile bringt deutschen Unternehmen die Zusammenarbeit mit Ihnen?

Rolf Weilenmann: Unsere Anleihen verfügen jeweils über kompetitive Kupons beziehungsweise Credit Spreads sowie geringe übrige Emissionskosten im Vergleich zu kleineren Anleihen in Deutschland, was in vergleichsweise tiefen Gesamtkosten resultiert, auch nach einer Währungsabsicherung, da die Anleihen normalerweise in Schweizer Franken emittiert werden. Zudem werden in den Anleihebedingungen keine einengenden Financial Covenants oder Sicherheiten implementiert. Des Weiteren übernehmen wir die Emission vor der Lancierung fest (Platzierungsgarantie), weshalb die Emission für den Emittenten mit der Lancierung in jedem Fall ein Erfolg wird. Dieser Prozess eignet sich insbesondere auch für Debütanleihen und für Akquisitionsfinanzierungen. Die Anleihen werden dabei am qualitativ hochstehenden Anleihesegment der Schweizer Börse notiert, das über einen ausgezeichneten Ruf verfügt, oder evtl. privat platziert. Der gute Ruf basiert übrigens unter anderem auf der Tatsache, dass es seit 2010 praktisch keine Ausfälle oder Leistungsstörungen gab. Unsere letzten Emissionen für deutsche Emittenten haben wir im zweiten Quartal 2019 fest übernommen und erfolgreich platziert. Dabei handelt es sich um Emissionen der Schön Klinik SE (BBB, stabil, Euler Hermes Rating GmbH), die zwei Anleihetranchen ausgab (1 3/4% CHF 30 Mio. 2019-2022 und 2 1/8% CHF 50 Mio. 2019-2024), und der Paragon GmbH & Co. KGaA (ohne Rating), eine in der Automobilzulieferindustrie und Elektromobilität aktive Gruppe (4% CHF 35 Mio. 2019-2024).

Herr Schulte, die Steinbeis M&I arbeitet bereits seit längerer Zeit mit der Helvetischen Bank AG zusammen, wie sieht die Kooperation konkret aus?

Christian Schulte: Es geht vor allem um die Ansprache und Selektion von potenziellen Unternehmen. Wir kennen viele der in Frage kommenden Unternehmen seit mehr als zehn Jahren und nehmen daher eine entsprechende Einschätzung der Unternehmen vor. Quantitative und qualitative Faktoren der Unternehmens- beziehungsweise Bonitätsanalyse fließen dabei ein, auch unabhängig davon, wie lange wir das Unternehmen bereits kennen.

Welche Kriterien muss ein Unternehmen konkret erfüllen, damit es sich für die Emission einer Anleihe in der Schweiz qualifiziert?

Rolf Weilenmann: Bei den Emissionskandidaten handelt es sich um reife mittelständische Gesellschaften mit einem erfolgreichen Geschäftsmodell und einem Fremdkapitalfinanzierungsbedürfnis von mindestens 20 Mio. Euro. Dabei erwirtschaften die Gesellschaften jeweils einen Umsatz von mindestens ca. 75 Mio. Euro und verfügen über nachhaltige Cash Flows sowie über ein Eigenkaptal von mindestens 25 Mio. Euro.

Christian Schulte: Wir fokussieren uns auf Unternehmen im Rating-Bereich BB oder BBB, wobei kein explizites (das heißt publiziertes Rating) notwendig ist, sondern implizite, nicht publizierte Rating-Überlegungen der begleitenden Bank ausreichen.

Was sind die Erfolgsfaktoren bei der erfolgreichen Anleiheemission in der Schweiz und wie lange dauert durchschnittlich dieser Prozess beziehungsweise wie arbeitsaufwendig ist die Emission aus Unternehmenssicht?

Rolf Weilenmann: Die Erfolgsfaktoren sind eine robuste Bond Story, die vorliegt, wenn die obigen Anforderungen an den Emittenten erfüllt sind sowie ein mindestens „vernünftiges“ Kapitalmarktumfeld. Investoren mit vernünftigen Renditevorstellungen zu finden ist aufgrund des immensen Anlagenotstandes hingegen weniger ein Problem. Die Vorbereitungszeit beträgt oftmals ca. drei Monate. Sie ist jedoch von diversen Rahmenbedingungen abhängig und kann im Optimalfall auch nur einen Monat oder auch materiell mehr als drei Monate betragen. Die anschließende Vermarktung findet innerhalb einer Woche statt und der Emissionserlös steht dem Emittenten zwei bis drei Wochen später zur Verfügung.

Christian Schulte: Aus unserer Sicht ist die Anleiheemission in der Schweiz mit einem zeitlich überschaubaren Aufwand erfolgreich darstellbar. Das gilt auch für Finanzierungsmittel, die von institutionellen Finanzierungsgebern Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. In der Regel weisen diese Finanzierungmittel eine längere Laufzeit auf und arrondieren die Hausbankenfinanzierung optimal. Unser Steinbeis-Unternehmen bietet für interessierte Unternehmen regelmäßig Webinare an, um das Thema zu vertiefen.

Kontakt

Christian Schulte
Steinbeis-Beratungszentrum Mittelstandsfinanzierung und Investments (Frankfurt)
www.steinbeis-mittelstandsfinanzierung.de

Dr. Rolf Weilenmann
Helvetische Bank AG