- Steinbeis Transfer-Magazin - https://transfermagazin.steinbeis.de -

MERGERS & ACQUISITIONS IN DER DIGITALEN WELT

Digital M&A-Playbook fokussiert digitale Märkte und deren Anforderungen

Technologische Innovationen, Digitalisierung und anspruchsvollere Kundenbedürfnisse fordern Unternehmen konstant heraus, sich sowohl produktspezifisch als auch betriebsintern weiterzuentwickeln. Radikalere Umfeldveränderungen oder gar die Disruption des gegenwärtigen Geschäftsmodells können tiefergehendes Handeln erforderlich machen. Agile Start-ups entwickeln zukunftsweisende Technologien wie künstliche Intelligenz oder Blockchain-Anwendungen, die nicht nur betriebswirtschaftliche Potenziale bergen, sondern auch einen starken gesellschaftlichen Einfluss haben. Diese Start-ups werden zunehmend zu Zielunternehmen für Mergers & Acquisitions (M&A) und erfordern eine Neuausrichtung – Digital M&A. Um diese Entwicklung praktisch umsetzen zu können, hat die Steinbeis Consulting Mergers & Acquisitions GmbH das Digital M&A-Playbook entwickelt.

Besonders bei KMU mit geringeren Mitarbeiterzahlen stocken Investitionen in die Digitalisierung. Dies birgt das Risiko, dass diese Unternehmen in Zukunft an Wettbewerbsfähigkeit einbüßen und damit den Anschluss an eine zunehmend digitalisierte internationale Umgebung verlieren. Erhebungen der Bitkom zufolge geben 56% dieser Unternehmen an, im Zuge der Digitalisierung ihr Portfolio beziehungsweise Geschäftsmodell anpassen zu wollen, aber nur 34% davon verfügen über eine bereichsübergreifende Digitalisierungsstrategie.

DIGITAL M&A: KONZEPT

Digital M&A bietet Unternehmen die Chance, ihre Digitalisierungsstrategie zu definieren und zu implementieren. Der globale Transaktionswert von digitalen M&A-Deals erreichte 2017 658 Milliarden Dollar und repräsentierte damit ein Viertel des gesamten M&A-Marktes, so dass digitalen Deals ein entscheidender Stellenwert zukommt. Es stellt sich jedoch die Frage der Unternehmensbewertung der Digital-Unternehmen, die teilweise mit einem 40-fachen Umsatzmultiplikator bewertet werden. Synergien und Technologiezugang rücken zunehmend in den Fokus. Zusätzlich sind häufig kulturelle Differenzen zu erwarten und die herkömmliche M&A-Logik stößt so an ihre Grenzen. Dieser Limitierung muss mit einem digitalen Mindset begegnet werden. 

DIGITAL M&A: UMSETZUNG

Während der konzeptionelle Gedanke von Digital M&A klar definiert werden kann, ist die praktische Umsetzung herausfordernd. Steinbeis Consulting Mergers & Acquisitions hat daher das Digital M&A-Playbook entwickelt, um das digitale Mindset herzuleiten und eine digitale M&A-Strategie zu realisieren, die auf den folgenden fünf Charakteristika basiert:

  1. Ambitionierte Ziele verfolgen
  2. Risiken eingehen und akzeptieren
  3. Digitale Fähigkeiten sukzessive ausbauen
  4. Strategische Relevanz möglicher Targets bewerten
  5. Transformationsprozesse aktiv gestalten

Disruptive Technologien werden auch in Zukunft neue Geschäftsmodelle ermöglichen oder effizienter gestalten. Unternehmen mit einem guten Technologie- und Trendverständnis können vor allem dann profitieren, wenn sie effiziente und skalierbare Einsatzmöglichkeiten dieser Technologie entlang ihrer Wertschöpfungskette identifizieren. Im Hinblick auf eine Digitalstrategie muss immer kurzfristiger geplant und ein zunehmend iterativer und agiler Managementansatz gefunden werden, der sich an der digitalen Transformationspyramide orientiert. Das bestehende Wissen um M&A-­Prozesse ist für digitale Targets nur begrenzt anwendbar. Während der Ablauf einer Transaktion dem traditionellen Ablauf folgt, sind innerhalb der Transaktionsschritte zum Teil deutliche Unterschiede zu identifizieren. 

Digitale Transformationspyramide
© 2019 Dr. Holger Schmidt | Netzoekonom.de | TU Darmstadt | Ecodynamics | Plattform-Index.com, in Anlehnung an: Patrick Turchi

 

Als Beispiel sei ein Hidden Champion genannt, der als einer der weltweiten Marktführer Krankenwagen und Sanitätshubschrauber ausstattet. Die entwickelte Digitalisierungsstrategie fokussierte nicht nur die konsequente Vernetzung der medizintechnischen Geräte (zum Beispiel Defibrillatoren) mit dem Internet, um so unter anderem Predictive Analytics zu nutzen, sondern auch die Vernetzung der Krankenwagen und Hubschrauber mit Krankenhäusern, um schnell überlebenswichtige Daten übermitteln zu können. Da die hierfür erforderlichen Kompetenzen nur teilweise intern aufgebaut werden konnten, wurde im ersten Schritt ein innovatives Unternehmen im Bereich Datenanalyse als Kooperationspartner gewonnen und schließlich akquiriert.

Da der angestammte B2B-Markt stagnierte, sah die Digitalisierungsstrategie im nächsten Schritt die Fokussierung auf den stark wachsenden B2C-Bereich vor, wie zum Beispiel die Auswertung patientenspezifischer Daten aus Smart Watches und anderen Wearables. Hierbei galt es, die interessantesten Start-­ups mit innovativen Methoden, Netzwerkanalysen und Sentiments in sozialen Medien zu identifizieren. Mit Blick auf die Synergiebetrachtung waren bei der folgenden Unternehmensbewertung nichttraditionelle Synergien von besonderer Relevanz. Das Steinbeis-­Team quantifizierte diese durch eine objektive Betrachtung der Gegebenheiten, die der Käufer bietet, sowie der Fähigkeiten, die das Target mitbringt.

Der Due-Diligence-Prozess war primär durch eine zukunftsgerichtete Betrachtung geprägt, da eine Vergangenheitsbetrachtung aufgrund fehlender Daten nicht möglich war. Von exponierter Bedeutung war dabei das Schlüsselpersonal, vor allem weil es sich um eine frühe Akquisition handelte. Da das Potenzial eng an diese Personen gekoppelt ist, wurde versucht, Fähigkeiten und Motivation bestmöglich nachzuvollziehen. Im Umgang mit dem digitalen Target war es für den Käufer wichtig, den Deal schnell zu schließen, um das technologische Momentum bestmöglich zu verwenden. Im Zuge des Transaktionsabschlusses musste der Käufer die geforderten Autonomieansprüche des Target-Managements abwägen und darauf abzielen, das Management für einen erfolgreichen Know-how-Transfer bestmöglich an sich zu binden. Dazu wurden die Earn-out-­Optionen genutzt, durch die ein Teil des Kaufpreises erfolgsabhängig und in den Folgejahren fällig wird.

Nach dem Ende der Transaktion galt es für die erfolgskritische Post-Merger-­Integration, das Schlüsselpersonal des Targets langfristig an das Unternehmen zu binden. Neben der Zusicherung eines hohen Autonomiegrades an diese Mitarbeiter waren der offenere Umgang mit Fehlern und eine höhere Risikobereitschaft weitere elementare Bestandteile, die im Zuge der Post-Merger-Integration berücksichtigt werden mussten. Zeitweiliger Personalaustausch und Rotation unterstützten die Integration und trugen zu einer erfolgreichen Transaktion und der digitalen Neuausrichtung bei. 

Im Fokus des Digital M&A-Playbooks steht das Begriffspaar Potenzial und Zukunft anstatt erwiesener Performance und Vergangenheit. Dieser Fokus zieht sich in vielen Facetten durch das Digital M&A und gibt beispielsweise der Unternehmensbewertung und Due Diligence eine neue Bedeutung. Die Betrachtungsparameter von Risiko und Erfolg müssen neu kalibriert und die Bedeutung des Cashflows überdacht werden. Je nach Integrationsvorhaben spielen weiche Faktoren, wie die Unternehmenskultur, eine entscheidende Rolle, die sich in der Konsequenz auch in Selbstverständnis, Risikobereitschaft und Autonomie verdeutlichen. Das von Steinbeis Consulting Mergers & Acquisitions entwickelte Digital M&A-Playbook unterstützt Mittelständler erfolgreich dabei, Erfahrungen im Umgang mit digitalen Targets zu sammeln und Abläufe zu standardisieren.