VORBILD NATUR: HIGH-SPEED LASERSTRUKTURIERUNG FÜR EINE NEUE GENERATION ELEKTRISCHER STECKKONTAKTE

Saarbrücker Steinbeis-Team und TE Connectivity Germany optimieren mit laserbasierter Strukturierung die Oberflächenbearbeitung

Die belebte Natur macht es eindrucksvoll vor: Oberflächen sind hier in verschiedensten Größenskalen geometrisch strukturiert und evolutionsbedingt perfekt an die jeweilige Funktionalität angepasst. Technische Oberflächen dagegen werden bislang meist nur über Rauhigkeitsmaße beschrieben – das macht offensichtlich, welches Potenzial bisher verschenkt wird. An dieser Stelle hat das Steinbeis-Forschungszentrum Material Engineering Center Saarland (MECS) angesetzt und ein innovatives, laserbasiertes Strukturierungsverfahren zur schnellen und effizienten Bearbeitung von Oberflächen nahezu jeglicher Art entwickelt. Das Verfahren hat sich nun in der langjährigen Zusammenarbeit mit einem der Weltmarktführer im Bereich der elektrischen Steckverbindersysteme, der TE Connectivity Germany GmbH, als disruptive Innovation erwiesen. Für diese Zusammenarbeit erhielten die beiden Projektpartner den Transferpreis der Steinbeis-Stiftung 2019.

Was war der Hintergrund dieser Zusammenarbeit? Die Anzahl und Komplexität der elektronischen On-Board-Systeme moderner Automobile nimmt zu, in denen derzeit in einem modernen Oberklassefahrzeug mehr als 2.500 Kon­takte in über 250 Steckverbindern eingesetzt werden. Das stellt eine immer größer werdende Herausforderung dar, insbesondere, wenn man zukünftige Funktionalitäten wie etwa das autonome Fahren im Blick hat. Zwei Aspekte spielen dabei eine enorme Rolle: Die immer zahlreicher werdenden Steckverbindungen erfordern einerseits einen möglichst geringen elektrischen Kontaktübergangswiderstand und andererseits eine Verringerung der benötigten Steckkraft.

Das Projektteam bei Steinbeis und TE setzte bei seinem ambitionierten Projekt auf das patentierte Verfahren der „direkten Laserinterferenzstrukturierung“ (Direct Laser Interference Patterning – DLIP). Damit erhalten elektrische Steckverbinderkontakte entscheidend bessere Kontakteigenschaften, um die zunehmende Elektrifizierung im Automobil zuverlässig bewerkstelligen zu können. Neben der herausragenden technischen Leistung stellt die langjährige Zusammenarbeit zwischen dem Steinbeis-Forschungszentrum Material Engineering Center Saarland und TE Connectivity ein idealtypisches Beispiel für eine erfolgreiche Transferleistung dar: Sie erstreckte sich von ersten Grundlagenarbeiten im Labor, über die produktspezifische Optimierung bis hin zur Fertigstellung einer Pilotanlage zur Highspeed-Laserstrukturierung elektrischer Steckverbinderkontakte für die industrietaugliche Serienproduktion. Keine Frage, dass diese erfolgreiche Kooperation nun in der Auszeichnung mit dem Transferpreis der Steinbeis-Stiftung mündete.


„DIE KOMBINATION AUS GEOMETRISCHER PRÄZISION UND TECHNISCH-WIRTSCHAFTLICHER GESCHWINDIGKEIT IST EINZIGARTIG“
Prof. Dr. Frank Mücklich und Dr.-Ing. Helge Schmidt im Gespräch mit der TRANSFER

Herr Professor Mücklich, mit Ihrem Team am Steinbeis-Forschungszentrum Material Engineering Center Saarland (MECS) erforschen Sie Oberflächenstrukturen im Nano- und Mikrobereich. Ihr Projektpartner TE Connectivity ist einer der Weltmarktführer bei Steckverbindungen. Helfen Sie uns auf die Sprünge: Wie kam es zum nun ausgezeichneten Projekt zwischen Ihnen?

Origineller Ausgangspunkt der erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen dem Steinbeis-Forschungszentrum MECS und TE waren zwei völlig unabhängig voneinander durchgeführte Doktorarbeiten auf dem Gebiet der elektrischen Steckverbinderkontakte. Während Dr.-Ing. Michael Leidner, Mitarbeiter von TE Connectivity, unter Verwendung von Simulationssoftware idealisierte strukturierte Oberflächen elektrischer Steckverbinderkontakte modellierte, arbeitete zeitgleich Dr.-Ing. Kim Trinh, damals Mitarbeiter am Steinbeis-Forschungszentrum MECS, an der experimentellen Realisierung von mikroskopisch feinen, periodisch strukturierten Oberflächen auf elektrischen Steckverbinderkontakten mittels DLIP-Lasertechnologie. Bei der Analyse der elektrischen und tribologischen Eigenschaften kamen beide Forscher auf ganz unterschiedlichen Wegen und unabhängig voneinander zu verblüffend ähnlichen Ergebnissen, was die überzeugende Basis für eine außerordentlich erfolgreiche Kollaboration schuf. Der entscheidende Kontakt kam erst durch die Präsentation von Ergebnissen auf einer Konferenz in den USA zustande.

Mit der zunehmenden Elektrifizierung in heutigen Pkws nimmt zwangsweise die Anzahl an Steckkontakten zu – davon profitieren Sie, Herr Dr. Schmidt, bei TE Connectivity, es stellt Sie aber auch vor Herausforderungen in der Entwicklung. Welche sind das konkret?

Die zunehmende Anzahl und Komplexität der elektronischen Systeme in modernen Automobilen erhöhen automatisch die Anforderungen an die Komponenten und Bauelemente, damit die zukünftig geplanten Funktionalitäten des Gesamtsystems zur Anwendung im Betrieb gelangen können. Eine langanhaltend zuverlässige elektrische Kontaktierung mittels Steckverbinder muss unter trockenen wie feuchten, aber auch kalten wie heißen Umgebungsbedingungen sowie bei Vibrationen im Fahrbetrieb gewährleistet werden. Neben der Stabilität gegenüber diesen harschen Bedingungen gilt es aufgrund der zunehmenden Polanzahl im Steckverbinder, den Reibkoeffizienten der verwendeten Kontaktoberflächen und damit die Steckkraft zu verringern. Dieses muss bei einem langfristig stabilen elektrischen Kontaktwiderstand abgesichert sein.

Herr Professor Mücklich, Sie setzen bei der Strukturierung der Steckverbindungen auf das sogenannte „Direct Laser Interference Patterning“, kurz DLIP. Was prädestinierte diese Technik für den Einsatz im Projekt?

Alle Oberflächen in der belebten Natur sind als Folge einer genialen evolutionären Optimierung auch auf mikroskopisch kleinen Skalen strukturiert und auf diese Weise hervorragend an die jeweiligen Funktionalitäten angepasst. Warum also begnügen wir uns bei technischen Oberflächen bisher nur mit fertigungsbedingter Rauheit? Ein Grund dafür war, dass die bisher verfügbaren Methoden zur gezielten Strukturierung von Oberflächen keinen ausreichend universellen Ansatz für eine mikroskopisch präzise und geometrisch flexible, sowie gleichzeitig schnelle und damit auch wirtschaftlich effiziente Gestaltung von Oberflächen bieten. Die DLIP-Technik erlaubt nun erstmals die effiziente Herstellung eines mikroskopisch feinen periodischen Oberflächenmusters auf nahezu jedem Material. Mit Hilfe der DLIP-Technik können nicht nur mikro-, submikro- oder nanoskalige Oberflächenstrukturen unterschiedlichster Form hergestellt werden, sondern dies kann auch gleichzeitig in industriell relevanten Förderbandgeschwindigkeiten in Rekordzeiten von mehreren hundert Steckkontakten pro Minute geschehen. Die Kombination aus geometrischer Präzision und technisch-wirtschaftlicher Geschwindigkeit ist einzigartig unter allen bislang verfügbaren Methoden.

Sie haben es in Ihrem Transferprojekt nicht bei der Oberflächenstrukturierung belassen, sondern auch gleich eine Pilotanlage für die Serienfertigung entwickelt – das lässt erahnen, dass Ihre Zusammenarbeit noch lange nicht beendet ist. Was haben Sie für die Zukunft geplant?

Unsere bisherige gemeinsame Transferleistung besitzt ein enormes technisches und wirtschaftliches Potenzial. Dabei ist die DLIP-Technik sehr kostengünstig und aufgrund der berührungslosen Materialbearbeitung durch die Lasertechnologie sehr ressourcenschonend anwendbar. Gleichzeitig werden sich die Produktionskosten aufgrund der enorm hohen Produktionsgeschwindigkeiten trotz drastischer Verbesserungen der tribologischen Eigenschaften der Steckverbinderkontakte nur geringfügig erhöhen. 

Die Technik soll  bereits nach der einjährigen Validierungsphase der Pilotanlage 2019/2020 im Jahr 2021 in der Serienproduktion bei TE integriert werden. Um diesen Prozess zu begleiten, wollen wir im kommenden Jahr ein Start-up gründen, das sich auf den Anlagenbau von DLIP-Anlagen zur automatisierten, industriellen Produktion fokussiert und über diese hochinnovative Technologie auch in Zukunft in weitere Märkte vordringen wird.

Kontakt

Prof. Dr.-Ing. Frank Mücklich (Autor)
Leiter
Steinbeis-Forschungszentrum Material Engineering Center Saarland (MECS) (Saarbrücken)
www.mec-s.de

Dr.-Ing. Helge Schmidt
TE Fellow / Technical Expert Automotive Engineering
TE Connectivity Germany GmbH (Bensheim)