- Steinbeis Transfer-Magazin - https://transfermagazin.steinbeis.de -

DAS STREULICHT MACHT’S AUS: RUNDHEIT, WELLIGKEIT UND RAUHEIT IN EINEM ARBEITSGANG GEPRÜFT

Messtechnologie macht das Überprüfen in der Lagerproduktion effizienter

Lager sind Präzisionsmaschinenelemente mit sehr hohen Anforderungen an die Rundheit, Welligkeit und Rauheit der Wälzkörper wie auch der Lagerringe. Die Produktionsprozesse müssen Toleranzen im Submikronbereich einhalten. Zur Überprüfung der Rundheit und Welligkeit wird ein spezielles Messgerät verwendet, ein zweites Gerät misst die Rauheit der Oberfläche. In Laborumgebung werden Stichproben überprüft und genau hier liegt das Problem: Um den steigenden Anforderungen an die Qualität der Lager gerecht zu werden, ist ein höherer Stichprobenumfang als bisher üblich notwendig. Gleichzeitig darf die für die Qualitätsprüfung benötigte Zeit aber nicht steigen. Was nun tun? Die Experten an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, am Steinbeis-Transferzentrum Wälzlagertechnik in Herzogenaurach und von der OptoSurf GmbH in Ettlingen haben eine Lösung gefunden: Die optische Messtechnik mithilfe von Streulicht. 

Die Technologie basiert auf der Reflexion von Licht auf einer Oberfläche. Damit können Rundheit, Welligkeit und Rauheit in einem einzigen Arbeitsgang gemessen werden. Für eine saubere Umgebung können die Messungen mit Streulicht automatisiert und in Produktionsprozesse wie Honen und Schleifen integriert werden. Darüber hinaus ist die Zykluszeit kürzer als beim taktilen Messverfahren. Ein Team aus Forschern der Hochschule Würzburg-Schweinfurt, des Steinbeis-Transferzentrums Wälzlagertechnik und von der OptoSurf GmbH hat die Messtechnologie näher in einem gemeinsamen Projekt untersucht, das vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst sowie von der Europäischen Union als europäisches ESF-Projekt mit dem Titel „Digitaler Wissenstransfer innovativer Messtechnik für KMU” unterstützt wird. Dieses ESF-Projekt wird an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-­Schweinfurt durchgeführt.

STREULICHTTECHNOLOGIE

Die Streulichttechnologie ist ein alternatives Messverfahren zur Erfassung der Mikrogeometrie technischer Oberflächen. Die winkelauflösende Messmethode von Streulicht basiert auf dem Gesetz der Lichtstreuung und dem Spiegelfacettenmodell: Einfallendes Licht wird von den Mikroprofilwinkeln einer rauen Oberfläche reflektiert [6]. Mit einer Fourieroptik wird das reflektierte Licht in die Brennebene übertragen. Ein Detektor erfasst die Intensitätsverteilung, die der Häufigkeitsverteilung des Streuwinkels entspricht. Das Streulichtverfahren ist auch in der Lage, die Makrogeometrie (Formprofil) der Oberfläche zu beurteilen. Ergebnisse von Streulichtmessungen können kalibriert werden. Die Rundheit und Welligkeit sind auf internationale Standards rückführbar. Das optische Ergebnis für die Oberflächenrauheit „Aq“ ist ein neuer Parameter, der nicht mit den allgemein bekannten Werten Ra und Rz, sondern mit dem gelegentlich verwendeten Rdq-Wert korreliert.

FOURIERANALYSE DES FORMPROFILS

Zur Vorhersage der Rauscheigenschaften eignet sich aufgrund der harmonischen Anregung des Lagers eine Analyse des Formprofils mithilfe einer Four­ier­analyse. „Der Grundgedanke ist, dass die Rollkugel der Ringoberfläche die Schwingung des Lagers anregt. Die Anregung des Lagers kann in eine Breitbandanregung oder eine harmonische Anregung unterschieden werden“, erläutert Dominik Helfrich, einer der Leiter des Steinbeis-Transferzentrums Wälzlagertechnik. Die harmonische Anregung ist dabei unangenehmer, weil sie einen einzelnen Ton erzeugt, der sich während der Modulation verändern kann [1].

In der Regel misst die Wälzlagerindustrie die Form und Welligkeit in einem Präzisionsmessraum unter idealen Bedingungen mit einem Formtester. „Die Anwendung in einer Produktionsumgebung ist nicht empfehlenswert, da Umgebungsvibrationen die Messergebnisse verzerren. Diese verzerrten Messungen können leicht zu teuren Fehlinterpretationen führen“, macht Prof. Dr.-Ing. Stephan Sommer, Leiter des Steinbeis-Transferzentrums Wälzlagertechnik und Professor an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt deutlich. Für die Bestimmung der Rundheit wird ein Tiefpassfilter verwendet, der die hochfrequenten Anteile (Welligkeit und Rauheit) eliminiert. Zur Auswertung der hochfrequenten Anteile wird das Formprofil einer FFT (Fast Fourier Transformation) unterzogen. Die Frequenzen im mittleren und hohen Frequenzbereich (>25 Wellen/Umfang) geben oft Anlass zu Beschwerden, da Geräusche entstehen [1].

Das Honen als zerspanendes Verfahren führt zu einer optimierten Oberflächenbehandlung, einer besseren Rauheit, einer verbesserten absoluten Formabweichung und einer Verringerung der Amplituden im Frequenzspektrum. Aus diesem Grund ist die Fourieranalyse des Formprofils ein Standardprozess in der Qualitätssicherung.

DIE STREULICHTTECHNOLOGIE IN DER LAGERINDUSTRIE

Die Qualitätssicherung in der Produktion von Lagern erfordert Präzisionsmessungen. Engste Toleranzen müssen bei großen Stückzahlen und kurzen Taktzeiten eingehalten werden. Mit herköm­mlichen Messverfahren können bisher lediglich Proben gemessen werden, um die Prozessfähigkeit zu überwachen. Zufallsfehler im Produktionsprozess können so leicht übersehen werden. Daher wäre eine 100%-ige Inline-Prozessüberwachung ein großer Vorteil. Das Steinbeis-Team hat gemeinsam mit den Experten der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt eine Testmaschine entwickelt, die den Streulichtsensor zur Messung der Form, Welligkeit und Rauheit der Laufbahn enthält und in die Produktionslinie integriert ist. So ist eine 100%-ige Überwachung der Laufbahnen von Außenringen möglich. Denn eine unvollständig gehonte Laufbahn ist ein typischer Defekt, der in der Serienproduktion von Kugellagern auftreten kann. Befindet sich solch ein Fehler im Kontaktbereich der Wälzkörper, ist es wahrscheinlich, dass das Lager in seinem zukünftigen Betrieb laut sein wird. Bei der Stichprobenprüfung können diese Fehler nur durch Zufall gefunden werden.

Bei Tests mit der Streulichtmessung hat das Projektteam 1.024 sich überlappende Messpunkte für Streulicht rund um den Lagerring verteilt. Gut gehonte Oberflächen zeigen Aq-Werte, die zwischen definierten Toleranzgrenzen liegen. Geschliffene Ringe zeigen Aq-Werte, die deutlich über den Toleranzen liegen. Lokale Bereiche, die schlecht gehont sind, können damit leicht erkannt werden. Ähnliche Ergebnisse lassen sich erzielen, wenn die Form des Rings beurteilt wird: Im Rundheitsprofil eines unvollständig gehonten Lagerrings ist im Bereich der Schleifoberfläche eine lokale Welligkeit zu erkennen. Auch das Amplitudenspektrum zeigt diesen Fehler, daher wird der Ring anhand der abnehmenden Toleranzkurve in der 100%-­­­Prüfung als defekt beurteilt und aussortiert. Die Prüfmaschine im Forschungsprojekt benötigt weniger als eine Sekunde für die Messung und Auswertung eines Rings. Obligatorische Voraussetzung für die Mes­sungen ist eine saubere Oberfläche.

Eine weitere Anwendungsmöglichkeit für die Streulichttechnologie stellt die Welligkeitsmessung der Laufbahnen eines Kugelgewindetriebs dar. Kugelgewindetriebe bilden heute die Komponenten in der elektronischen Servolenkung von Autos. Die Oberflächenqualität der Laufbahn spielt für das Geräuschverhalten der Lenkung eine entscheidende Rolle, die Welligkeit der Laufbahn im Kontaktbereich von Kugel und Ring ist dabei wesentlich. Ein Endbearbeitungsprozess eliminiert die Welligkeit, die in der Regel in den vorhergehenden Prozessen erzeugt wird. Eine große Herausforderung stellt dabei die unterschiedliche Leistung des Lagers im Betrieb dar. Wenn die End­bearbeitung nur einseitig stattfindet, ist eine sinnvolle Auswertung mit Koordinatenmessung nicht möglich, da sie an beiden Flanken misst. Das Streulicht ist in der Lage, den Sensor zu schwenken und die Welligkeit explizit beiden Flanken der Laufbahn zuzuordnen. 

In der Automobilindustrie steigt die Na­ch­frage nach qualitativ hochwertigen Wälzlagern. Das Streulicht liefert eine rückführbare Messtechnik, die den statistischen Rauheitswert Aq berechnet und verschiedene Herstellungsverfahren wie Honen und Schleifen unterscheiden kann. Gleichzeitig lässt sich durch die Integration des Makrowinkels das Formprofil bestimmen. Die Technologie ist robust, schnell, berührungslos und kann in Fertigungsbereichen zur 100%-igen Überwachung des Produktionsprozesses eingesetzt werden – das Forschungsteam hat sie daher als Lösung rundum überzeugt!