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DIGITALE TRANSFORMATION IM GROSSHANDEL ERFOLGREICH GESTALTEN

Eine Toolbox des Ferdinand-Steinbeis-Instituts macht den Großhandel fit für die Zukunft

Digitalisierung ist das Gebot der Stunde. Doch bevor digitale Technologien zum Einsatz kommen, sollten sich Unternehmen zunächst Gedanken über ihr zukünftiges Wertschöpfungsszenario machen. Bei der Visualisierung bestehender Fähigkeiten und bei der Gestaltung zukünftiger Wertschöpfungsszenarien hilft insbesondere kleinen und mittelständischen Großhandelsunternehmen zukünftig eine Toolbox. Sie entstand im Rahmen einer von grosshandel-bw initiierten und vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg geförderten Studie, die das Team am Ferdinand-Steinbeis-Institut (FSTI) durchgeführt hat. Ihre Feuertaufe hatte die Box im Rahmen der Veranstaltung „Zukunft des Großhandels“ Ende Mai in Stuttgart.

Die Toolbox beinhaltet 60 großhandelsspezifische Fähigkeiten zur Erbringung von Wertschöpfung, die im Rahmen der Studie durch teilstandardisierte Leitfadengespräche mit 13 Großhändlern erhoben wurden. Die beteiligten Unternehmen unterschieden sich nicht nur in Mitarbeiterzahl und Umsatz, sondern auch hinsichtlich der Wirtschaftszweige – von Beschlägen und Metall bis hin zu Pharmazeutik und Büchern. In neun Schritten ermöglicht die Toolbox sowohl den Status quo der Unternehmen visuell darzustellen als auch neue Wertschöpfungsszenarien zu gestalten. Die Grundlage für diese Szenarien sind zum einen die im Unternehmen vorhandenen, zum anderen aber auch neue Fähigkeiten. Durch das Zusammenspiel von Fähigkeiten unterschiedlicher Partner können mit der Toolbox Wertschöpfungsnetzwerke gestaltet werden.

 

Gestaltung eines Wertschöpfungsnetzwerks mithilfe der Toolbox

 

Mehrwert für Nutzer und Partner stiften

Die Veranstaltung in der Mercedes-Benz Arena in Stuttgart bot Prof. Dr. Heiner Lasi und Patrick Weber, Experten am Ferdinand-Steinbeis-Institut der Steinbeis- Stiftung, die Möglichkeit, den praktischen Nutzen der Toolbox vorzustellen: „Es geht darum, sich zu überlegen, welcher Mehrwert für Nutzer und Partner in Zukunft gestiftet werden kann. Technologien, wie beispielsweise Online- Plattformen, sind hier nur der Befähiger und sollten erst im zweiten Schritt passend ausgesucht werden“, fasste Heiner Lasi seine Botschaft an die Teilnehmenden zusammen.

Um dem Publikum die Praxistauglichkeit der Toolbox näher zu bringen, präsentierte Peter Meißner, Geschäftsführer der Beschläge Koch GmbH, die Transformation des Wertschöpfungsszenarios im ersten Praxisbeispiel des Tages. Im Gespräch mit Alexander Neff (FSTI) und Heiner Lasi stellte er den Status quo des Unternehmens vor und erläuterte die Erweiterung des bestehenden Wertschöpfungsszenarios durch das Ergänzen zusätzlicher Fähigkeiten zum neuen kundenzentrierten Wertschöpfungsszenario.

Dr. Daniel Werth, Geschäftsführer der Beyerbach GmbH, gab in einem Praxisbeispiel Einblick in die Transformation seines Unternehmens. Der Weg der Beyerbach GmbH führte dabei vom Fachgroßhandel für Gastronomiebedarf zu einem Lösungsanbieter für Supermarktkonzepte. Entscheidend für ihn wie auch für Peter Meißner: Nach der Transformation hatten sich bestehende Fähigkeiten in ihrer Ausprägung verändert und wurden nun durch digitale Technologien ergänzt oder ersetzt.

Moderiert von Boris Behringer, Hauptgeschäftsführer von grosshandel-bw, diskutierten Rainer Janz (Bereichsleiter Produkt- und Qualitätsmanagement bei der Hermann Bantleon GmbH) und Peter Wittmann (Projektleiter im Steinbeis Digital Business Consortium (SDBC)) das Thema Wertschöpfungsnetzwerke am dritten Beispiel des Tages: dem ebenfalls vom Ministerium geförderten Micro Testbed Großhandel mit dem Fokus auf Handel mit Kühlschmierstoffen der Firma Bantleon. Dabei wurden durch einen in der Produktionsanlage platzierten Sensor Emulsionseigenschaften gemessen und die Daten in eine Smart Shopfloor Browser-Applikation eines IT-Unternehmens geladen, was ein ständiges, standortunabhängiges Monitoring über den Zustand der Emulsion ermöglichte. Die Integration eines weiteren Partners in dieses Wertschöpfungsnetzwerk hatte die Installation einer Apparatur an der Maschine zur Reinigung der Emulsion zur Folge. Zwar muss dadurch der Kühlschmierstoff nicht mehr so häufig ausgetauscht werden, was den Handel von Bantleon reduziert, dafür kann das Unternehmen im Netzwerk der Micro Testbed- Teilnehmer neue Dienstleistungen beim Verkauf tarifieren, was dank digitaler Technologien zur Verstetigung der Wertschöpfung führt.

Sowohl die Toolbox als auch das Micro Testbed unterstützen Unternehmen dabei, neue Wertschöpfungsszenarien für die Zukunft zu gestalten. Digitale Technologien können im nächsten Schritt der Schlüssel für die erfolgreiche Umsetzung des neuen Wertschöpfungsszenarios sein.

Aktuell arbeiten der Verband grosshandel- bw und das FSTI ein Workshopkonzept aus. Im Rahmen dieser Workshops werden (digitale) Wertschöpfungsszenarien mit Hilfe der Toolbox gestaltet.

In zwei halbtägigen Terminen werden Unternehmen in kleinen Gruppen bei der individuellen Anwendung der Toolbox unterstützt. Mitte Oktober sollen die Workshops starten.

 

 

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Großhandelsstudie

Im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden- Württemberg und des Verbands grosshandel-bw führte das FSTI vom Juni 2018 bis Mai 2019 eine Studie zur Digitalisierung im Großhandel des Landes durch.

Für die Studie wählte grosshandel-bw auf Basis der Selektionskriterien des FSTI 13 baden-württembergische Großhändler aus verschiedenen Branchen als Interviewkandidaten aus. Aufgrund der Varianz an Handelsgütern war für die Gestaltung des Erhebungsinstruments früh klar, dass eine branchenübergreifende Studie für den Großhandel nur auf abstraktem Weg möglich ist. Die Interviews erhoben aus diesem Grund die Fähigkeiten der einzelnen Unternehmen um zu ermitteln, was die Großhandelsunternehmen auszeichnet.

Im nächsten Schritt wurden die Ergebnisse der Interviewauswertung mit mehreren Experten evaluiert, um festzustellen, welche der bereits vorhandenen Fähigkeiten der einzelnen Großhändler in einem branchenübergreifenden Wertschöpfungsnetzwerk einen Mehrwert beitragen können. Damit ist es möglich, potenzielle Rollen einzelner Großhandelsunternehmen anhand ihrer Fähigkeiten und unabhängig von ihren aktuellen Handelsgütern für die Zukunft der digitalen Wertschöpfung im Netzwerken zu beschreiben.


Anwendung der Toolbox

Die Toolbox führt Unternehmen in neun Schritten durch die Analyse ihres Wertschöpfungsszenarios:

  1. Definition des Wertschöpfungsszenarios im Status quo
  2. Auslegung der vorhandenen Fähigkeiten im Status quo
  3. Zukünftiges Wertschöpfungsszenario formulieren
  4. Kennzeichnung vorhandener Fähigkeiten für das zukünftige Wertschöpfungsszenario
  5. Auswahl weiterer Fähigkeiten für das zukünftige Wertschöpfungsszenario
  6. Prüfen, ob die Fähigkeiten in veränderter Ausprägung benötigt werden
  7. Partner definieren
  8. Partnern Fähigkeiten zuordnen
  9. Optionaler Abbau nicht mehr benötigter Fähigkeiten

Mehr zur Toolbox finden Sie unter https://steinbeis-fsti.de/de/toolbox [1].


Micro Testbed Großhandel

Der Fokus des durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg geförderten Testbeds liegt auf dem Großhandel für Kühlschmierstoffe. Mit der regelmäßigen Überprüfung des Kühlschmierstoffes, dessen Reinigung und im Ernstfall sogar dessen Austauschs werden beim produzierenden Kunden Maschinenstillstandzeiten reduziert und erhebliche Kosten vermieden. Dies war die Grundlage zum Start des Micro Testbeds. Die Teilnehmer einigten sich darauf, eine gemeinsame, plattformbasierte Gesamtlösung anzubieten. Deren Bestandteile sind die Lieferung der adäquaten Emulsion, die regelmäßige Prüfung mittels verschiedener Messmethoden der einzelnen Teilnehmer, deren Messdaten in einem Dashboard für den Kunden übersichtlich aufbereitet werden, bis hin zur umweltfreundlichen Entsorgung des Kühlschmierstoffes.