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AUF DEN PUNKT GEBRACHT

Steinbeis-Team entwickelt Verfahren zum selektiven Aufbringen von Beschichtungen mit sehr feinen Pulverpartikeln

Die Steigerung der Produktivität und eine zunehmende Energie- und Umwelteffizienz industrieller Erzeugnisse sind gegenwärtig prägende Trends im Maschinenbau. Das erfordert eine hohe Standzeit der Maschinen- und Anlagentechnik in der industriellen Anwendung. Gleichzeitig kommt es im Laufe des Betriebs zwangsweise zu hohen Abnutzungserscheinungen an stark belasteten Bauteilgeometrien. Diese Abnutzung an den einzelnen metallischen Bauteilen erfordert entweder den Tausch der verschlissenen Komponenten oder eine, in vielen Fällen wirtschaftlich günstigere Aufbereitung der Bauteile. Für diese Aufbereitung werden häufig thermische Spritz- oder Schweißverfahren eingesetzt: Damit wird das abgenutzte Material wiederaufgebaut und anschließend spanend endbearbeitet. Allerdings bringen alle derzeit verwendeten Verfahren gravierende Nachteile mit sich. Das Steinbeis-Innovationszentrum Intelligente Funktionswerkstoffe, Schweiß- und Fügeverfahren, Exploitation hat eine Verfahrenstechnik entwickelt, die wesentliche Nachteile beseitigt.

Ein zentrales Problem der aktuell zum Aufbringen von metallischen Schichten verwendeten Verfahren besteht darin, dass die thermische Last, die auf das wiederaufzubauende Bauteil einwirkt, sehr hoch ist. Das kann zu Rissbildung und Gefügeveränderungen führen oder die Formtreue an sich beeinträchtigen. Diese Umstände machen dann eine aufwendige thermische Nachbehandlung oder eine mechanische Nachbearbeitung notwendig. Neben diesen Materialbeeinträchtigungen kann es bei der Verwendung von sehr feinen Pulverpartikeln auch zu beschichtungstechnischen Problemen wie beispielsweise der Pulver-Agglomeration kommen, die die Pulverförderung für den Beschichtungsprozess erschwert. Deshalb sollten die Pulverteilchen immer in loser Schüttung gehalten und die Agglomerate aufgebrochen werden, sodass eine Zwangsströmung des Pulverfördergases erzeugt werden kann.

Dieser Problematik hat sich das Team am Steinbeis-Innovationszentrum Intelligente Funktionswerkstoffe, Schweiß- und Fügeverfahren, Exploitation in Dresden in einem Forschungsprojekt angenommen. Sein Ziel: Die Entwicklung einer funktionssicheren Verfahrenstechnik, die durch sehr feine Pulverstrukturen (Pulverkorngröße ≤ 30 µm) Beschichtungen selektiv auf metallischen Bauteiloberflächen aufbringt und damit beanspruchungsgerechte und endkonturnahe Bauteilgeometrien herstellt. Als Beschichtungsverfahren für das Auftragen der sehr feinen Pulverstrukturen nutzte das Projektteam in den durchgeführten Untersuchungen das Plasmaspritzverfahren. Dieses Verfahren eignet sich für eine Vielzahl von Bauteilgrößen und Werkstoffen, von Metallen bis hin zu hochschmelzenden Keramiken.

DAS PHYSIKALISCHE VERFAHREN

Das im Projekt entstandene physikalische Verfahrensprinzip schmilzt den pulverförmigen Spritzzusatz in einem thermischen Plasma auf und schleudert ihn auf die vorbereitete Werkstückoberfläche. Ein externer Pulverförderer bringt mit Hilfe eines Trägergases die Pulverteilchen inner- oder außerhalb der Gasdüse in den Plasmastrahl. Der Plasmastrahl wird durch das zum großen Teil ionisierte Arbeitsgas zwischen Elektrode und Düse betrieben und durch einen Hochstrom-Lichtbogen erzeugt. Die hohe Geschwindigkeit des aus der Injektordüse austretenden Plasmastrahls entsteht durch die thermische Expansion des Gases (Argon). Diese Grundlagen des Verfahrens ermöglichen, dass die angestrebten technischen Parameter und die Funktionalität des Beschichtungssystem-Prototyps zum Aufbringen von beanspruchungsgerechten dünn-metallischen Schichten erreicht werden.

Hergestellte Mikroschichten mit dem entwickelten Beschichtungssystem, Plasma-Pulver-Spritzen unter Variation der Prozessparameter

DIE GERÄTETECHNIK

Doch das Forschungsprojekt umfasste nicht nur die Konzeption des innovativen Verfahrens: Gemeinsam mit dem Industriepartner SGE Spezialgeräteentwicklung GmbH entwickelte das Steinbeis-Team auch die zugehörige Gerätetechnik für das Aufbringen von sehr feinen Pulverstrukturschichten auf metallische Bauteiloberflächen. Auf Basis des erarbeiteten werkstofflich-technisch-konstruktiven Lösungsansatzes entstand ein innovativer Plasmaspritzbrenner (elektrische Brennerleistung bis zu 150 A) mit einem Pulverförderergerät und einem Steuer- und Führungssystem für das Beschichten von Mikrostrukturen sowohl für die Fertigung von Neubauteilflächen als auch für die Reparatur von verschlissenen Bauteilflächen. Das Beschichtungssystem wie auch den Prototyp prüfte das Projektteam anhand zahlreicher simulativ-experimenteller Untersuchungen qualifiziert auf Herz und Nieren. Diese Arbeiten ermöglichten einerseits ein grundlegendes Prozessverständnis und andererseits eine fehlerfreie technisch-konstruktive Gestaltung des gesamten Beschichtungssystems und die Ermittlung der thermischen Bauteilbelastung. Mit der entwickelten Verfahrenstechnik konnten beanspruchungsgerechte dünne Schichten gegen Verschleiß- und Korrosionsbeanspruchungen für die Fertigung von neuen Bauteilfunktionsflächen und die Instandsetzung verschlissener Bauteilflächen hergestellt werden.

DAS PLASMASPRITZEN IN DER ANWENDUNG

„Die auf das Substrat auftreffenden Spritzpartikel verformen sich und kühlen innerhalb weniger Millisekunden ab. Die dabei entstehende Partikel-Morphologie hängt hauptsächlich vom Durchmesser, der Temperatur und Geschwindigkeit sowie der Abkühlgeschwindigkeit ab“, erläutert PD Dr.-Ing. habil. Khaled Alaluss, einer der Leiter des Steinbeis-Innovationszentrums, den Vorgang des Plasmaspritzverfahrens. Die Viskosität der Schmelze, die Oberflächenspannung und der Wärmeübergangskoeffizient zwischen Partikel und Substrat beeinflussen die Fließvorgänge während des Partikelaufpralls. Damit hat die Morphologie der entstehenden Splats einen sehr entscheidenden Einfluss auf die Schichteigenschaften, Haftung und Porosität. Die Schichthaftfestigkeit ist entscheidend für die Charakterisierung der Schichteigenschaften. Sie wird durch die chemischen/physikalischen und metallurgischen Wechselwirkungen zwischen Spritzpartikeln und Substrat stark beeinflusst. Dadurch wurden die notwendigen Randbedingungen für die Erzeugung einer fehlerfreien Plasmaspritzschicht prozesstechnisch definiert und optimiert. Das Ergebnis: eine gute Schichthaftfestigkeit, -härte und -genauigkeit mit sehr geringer Schichtporosität. Das entwickelte Pulverförderergerät erzielte eine gute Auftragsrate ohne Pulver-Agglomeration bei einer guten Schüttdichte.

Die während des Forschungsprojekts hergestellten Beschichtungen zeigten eine gleichmäßige Schichtgeometrie, eine gute optische Erscheinung und Dichte an verschiedenen Punkten entlang der Schichtlänge sowie einen gleichmäßigen und fehlerfreien Aufbau. Damit weisen die plasma-gespritzten Mikroschichten qualitätsgerechte, reproduzierbare Eigenschaften auf. Für das Projektteam ein Erfolg auf ganzer Linie – das Beschichtungssystem kann vom Prototyp in die praktische Anwendung gehen.


Technische Parameter des Verfahrens