Manfred Mattulat (Steinbeis), Prof. Dr. Michael Auer (Steinbeis), Prof. Dr.-Ing. Günter Willmerding (Steinbeis), Jakob Häckh (Steinbeis), Peter Hailer (Daimler), Hubert Reck (Daimler), Raimund Spiller (Daimler), Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Johann Löhn (Steinbeis), Dr.-Ing. Leonhard Vilser (Steinbeis) (v. l. n. r.)

Preisträger-Projekt 2018: Echtzeitsteuerung von Pkw-Antriebsstrangprüfständen zur realitätsnahen Fahrzeugerprobung

Kürzere Entwicklungszeiten dank der neuen Prüfstandssteuerung

Die Anforderungen an Fahrzeugantriebe sind vielfältig und erfordern einen sehr großen Aufwand, um sie hinsichtlich Fahrleistung, Emissionen, Lebensdauer und Kraftstoffverbrauch zu erfüllen. Um die damit verbundene Entwicklungszeit und den Parametrierungsaufwand zu reduzieren, trat die Daimler AG an das Steinbeis-Transferzentrum Verkehrstechnik.Simulation.Software heran mit dem Ziel ein neues Prüfstand-Steuerungssystem für Antriebsstränge zu entwickeln. Für die innovative, zukunftsorientierte Idee hinter diesem Vorhaben wurden die Projektpartner mit dem Transferpreis der Steinbeis-Stiftung – Löhn-Preis 2018 ausgezeichnet.

Um eine effiziente Entwicklung von Fahrzeugantrieben in kurzer Zeit zu ermöglichen, werden Computer- und Prüfstandsimulationen sowie Fahrversuche durchgeführt. Bei den Fahrversuchen werden reale Streckendaten erfasst, die als Grundlage für die Simulationen dienen. Es ist eine regelungstechnisch sehr anspruchsvolle Aufgabe, die in der Realität gemessenen Fahrzyklen auf einem Antriebsstrangprüfstand nachzufahren, da die Elemente des Antriebsstranges große Totzeiten und Nichtlinearitäten aufweisen. Die bisherige Methode, bei der man mit gemessenen Daten den Prüfstand steuerte, erforderte einen sehr hohen Parametrierungsaufwand und führte oft zu Verspannungen des Prüfstandaufbaus und somit zu unrealistischen Ergebnissen. Mit diesem Problem wand sich die Daimler AG, Stuttgart in Vertretung der Triebstrangentwicklung und des Powertrain-Prüffelds an das Steinbeis- Transferzentrum Verkehrstechnik.Simulation.Software in Niederstotzingen, dessen Simulationssoftware winEVA bereits erfolgreich zur Lastkollektiverzeugung im Unternehmen eingesetzt wurde.

Um Bauteile von Antriebssträngen optimal auslegen zu können, müssen frühzeitig Belastungskollektive vorliegen. Dazu werden in frühen Phasen neue Topologien bei Antriebssträngen in Absprache mit den Fachabteilungen in winEVA umgesetzt und simuliert. So passen Auslegung und spätere Prüfstandserprobung optimal zusammen. Die Lösung für die ideale Prüfstandssteuerung fand schließlich der Steinbeis-Experte Jakob Häckh. Sie bestand darin, die Regelstrecke als Simulationsmodell parallel abzubilden und die Daten des Modells mit dem wirklichen Antriebsstrang permanent abzugleichen. „Jeder Fahrer fährt anders, je nach Fahrertyp, nach Strecke, nach Motorisierung des Fahrzeugs und dadurch reagiert natürlich auch der Antriebsstrang anders. Und das Ganze mussten wir in Echtzeit programmieren. Die Lösung war, das flexible winEVA-Fahrermodell in der IMC-Regelung parallel in der Regelung laufen zu lassen“, so Jakob Häckh.

Als finale Lösung des Problems wurde eine Kombination von Steuerung und Regelung gewählt. In der Prüfstandsteuerung werden dazu eine Echtzeitsimulation des Antriebsstrangs mit winEVA unter den Prüfstandbedingungen durchgeführt und die Stellgrößen, Gaspedalstellung und Raddrehzahlen an den Prüfstand übergeben. Die Reaktionen des Prüfstands werden mit denen des Simulationsmodells verglichen und Abweichungen zwischen Prüfstandverhalten und Simulationsmodell verwendet, um das Simulationsmodell anzupassen.

Innerhalb kurzer Zeit gelang es den Projektpartnern, die bereits vom Steinbeis- Unternehmen entwickelte Simulations-Software winEVA an die Prüfstandsbedürfnisse anzupassen. Um neue Funktionen sicher testen zu können, wurde bei Daimler ein Simulator aufgebaut. 2011 begann die Daimler AG das Simulationstool winEVA auf den Powertrain-Prüfständen auszurollen. Da winEVA plus unabhängig vom Automatisierungssystem ist, kann es flexibel auf quasi jedem Powertrain-Prüfstand genutzt werden. Mit der Simulation-Software winEVA kann Daimler heute sämtliche aktuellen und zukünftigen Antriebsstränge simulieren und reale Straßenfahrten nachbilden. Durch Berechnungen und Prüfstandsversuche können bereits in der Vorentwicklung die Auslegung und Lebensdauer verschiedener Bauteile optimiert werden. Dadurch spart Daimler deutlich an Entwicklungszeit.

Diese grundlegende Vorgehensweise wurde im Laufe der Jahre immer weiter verfeinert und weiterentwickelt, so dass sowohl konventionelle, hybridisierte, als auch hochdynamische, rein elektrische Antriebsstränge sowie Allradtriebstränge mit komplexer Allradstrategie regelungstechnisch steuerbar sind. Für die innovative, zukunftsorientierte Idee hinter diesem Vorhaben und die fortlaufende und aufeinander aufbauende Entwicklungspartnerschaft wurden die Projektpartner mit dem Transferpreis der Steinbeis-Stiftung ausgezeichnet.

Die Zusammenarbeit geht kontinuierlich weiter: Derzeit entwickeln die Partner in winEVA plus das Online-Monitoring-Tool für Prüfstände. Damit können die Entwickler noch schneller und genauer die Belastungen der Teile überwachen.

Kontakt

Jakob Häckh leitet mit seinem Stellvertreter Prof. Dr.-Ing. Günter Willmerding das Steinbeis-Transferzentrum Verkehrstechnik.Simulation. Software. Zu den Hauptarbeitsgebieten des Steinbeis-Unternehmens gehören die Simulation von Antriebsstrang, Kraftstoffverbrauch, Emissionen und Schwingungen, die Echtzeitsteuerung von Prüfständen, die Gestaltung und Berechnung neuartiger Fahrzeugkomponenten unter Einsatz von FE-Methoden und die Lebensdauervorhersage sowie die Software winADAM, winEVA und winLIFE.

Jakob Häckh
Prof. Dr.-Ing. Günter Willmerding
Steinbeis-Transferzentrum Verkehrstechnik.Simulation.Software (Niederstotzingen)
www.stz-verkehr.de