Einkaufen per App: Die drei Gründer Moritz Simsch, Valentin Uhrmeister und Anna Pfeifer wollen mit Nemms die Kunden zurück in die Innenstädte locken. Erste Erfahrungen in Konstanz liefen gut. Jetzt wird deutschlandweit nach Städten gesucht. Foto: Kerstin Conz

Es muss nicht immer Amazon sein

Steinbeis-Mentoren coachen junge Gründer, die Online-Suche und Einkaufen vor Ort vernetzen

Einen bestimmten Laufschuh, Schulranzen aus recycelten PET-Flaschen oder einen besonderen Rotwein aus Spanien – wer spezielle Einkaufswünsche hat, landet schnell im Internet. Ein Knopfdruck und die gewünschte Ware ist bestellt. Immer mehr Innenstädte leiden unter diesem Kaufverhalten. Valentin Uhrmeister, Moritz Simsch und Anna Pfeifer wollten das ändern. Seit Juni weist ein orangefarbener Krake in Konstanzer Geschäften auf eine App hin, die Online-Shoppen mit den stationären Einzelhändlern vernetzt. Wie das funktionieren kann, analysieren die drei Jung-Unternehmer mit Steinbeis-Coach Jens Freiter.

Einkaufen per App – aber nicht bei Amazon & Co., sondern in den Geschäften vor Ort – mit ihrem Start-up Nemms wollen die drei jungen Gründer aus Konstanz das Einkaufsverhalten revolutionieren und die Kunden wieder in die Innenstädte bringen. „In den Innenstädten gibt es die meisten Produkte. Ich weiß nur nicht wo“, sagt Moritz Simsch. Kunden müssten daher oft von Laden zu Laden gehen. Online ist die Suche zwar bequemer. Doch dafür geht der Ärger los, wenn man die Ware von der Paketstation abholen oder alles zurückschicken muss. Nemms will nun bequeme Online-Suche mit der lokalen Beratung der Geschäfte vernetzen. In der App können Kunden ihre Frage stellen, die dann an die Läden weitergeleitet und beantwortet wird.

„Die Händler waren überraschend schnell überzeugt“, sagt Valentin Uhrmeister. Für die meisten sei ein eigener Online-Shop gar nicht rentabel. Viele würden jedoch ohnehin schon regelmäßig Kundenanfragen per E-Mail bearbeiten. Nemms schließe hier eine Lücke, erklären die Gründer. Mit 80 Händlern sei bereits ein Großteil der innhabergeführten Geschäfte registriert. Die ersten 55 wurden akquiriert, der Rest habe sich selbst angemeldet.

Auch das Kraken-Logo sei vielen Konstanzern schon bekannt. Den überzeugten Amazon-Kunden werde man mit der App vermutlich nicht bekehren, doch bei vielen Menschen hätte angesichts der sterbenden Innenstädte bereits ein Umdenken eingesetzt, glauben die Gründer. Die drei gehen davon aus, dass Kunden durchaus wieder öfter selbst in die Läden gehen, wenn sie wissen, dass sie ein gewünschtes Produkt dort auch finden.

„Immer mehr reine Online-Anbieter wie My Muesli haben gemerkt, dass Online-Kunden nicht sehr treu sind und lassen sich auch in den Innenstädten nieder“, sagt Anna Pfeifer. Mit ihren Läden und der Beratung vor Ort im Geschäft seien die lokalen Händler klar im Vorteil. Fehlt nur noch die App. „Hier ist sicher ein Platz für Nemms“, sagt die 31-Jährige. Denn anders als die Händler auf Nemms hat man auf Amazon keinen Ansprechpartner, der einen beraten kann, welches Produkt man nehmen soll.

Das größte Problem in der Gründungsphase ist für das Konstanzer Trio die Finanzierung. Seit der Gründung Anfang 2018 haben die Jungunternehmer die App entwickelt und kontinuierlich optimiert. Doch Geld verdient haben sie mit ihrer Idee bisher noch nicht. Nach der Zusage des Bundeswirtschaftsministeriums für ein Exist Gründerstipendium für innovative Projekte haben alle drei ihre Jobs im IT-Bereich aufgegeben. Doch ab 2019 muss Nemms sich selbst tragen.

Wie das funktionieren kann, haben die drei Gründer mit dem Steinbeis- Experten Jens Freiter in mehreren Workshops ausgelotet. Jens Freiter war Mitbegründer der Holidaycheck AG, die den Reisemarkt revolutioniert hat. Er ist Experte bei der Gründungsinitiative Hilzingen, die laut Rupert Metzler, dem Initiator und Bürgermeister, allein in den letzten 20 Monaten 70 Gründungen begleitet hat.

„Die größte Herausforderung ist die Skalierung des Geschäftsmodells“, sagt Jens Freiter. Denn um von Nemms leben zu können, müssen mindestens fünf Kommunen mitmachen. Außerdem gibt es jede Menge Mitbewerber wie Findeck in Freiburg, Lokafox, Buy Lokal oder Atalanda, die alle den lokalen Händlern beim Sprung ins Netz helfen und dabei mitverdienen wollen. Auch die ganz Großen wie Google oder Ebay haben den lokalen Einzelhandel für sich entdeckt.

Hier die richtige Strategie zu finden, ist nicht einfach. „Der Blick von außen hat uns gut getan“, sagt Anna Pfeifer über das Coaching mit Steinbeis. Besonders hilfreich fanden sie, dass ihr Steinbeis-Experte auch selbst erfolgreich Unternehmen gegründet hat.

Die Jungunternehmer sind optimistisch, dass ihr Plan aufgeht. Neben Konstanz kamen im November Karlsruhe und Aachen hinzu. Mit einer weiteren Großstadt in Norddeutschland laufen Gespräche. Jeweils vorgesehen ist eine kostenlose Basisversion und ein Abo, das Händler 25 Euro pro Monat kosten soll. Einen Monat lang können die Händler die Version kostenlos testen. Das Interesse ist jedenfalls da. Und wenn es doch Probleme gibt, ist der Steinbeis-Experte nicht weit. Im Gründerzentrum der Stadt sitzt er mit den Start-ups quasi Tür an Tür.

Kontakt

Jens Freiter
Steinbeis-Beratungszentrum Existenzgründung (Stuttgart)
www.steinbeis-exi.de

Winfried Küppers
Steinbeis-Beratungszentrum Vertriebsanalytik (Hilzingen)