- Steinbeis Transfer-Magazin - https://transfermagazin.steinbeis.de -

Nachhaltige Fischzucht und innovative Abwasserverwertung am Viktoriasee

Steinbeis ist Partner im EU-Projekt VicInAqua, das den Wissenstransfer zwischen Kenia, Tansania, Uganda und Europa unterstützt

Sauberes Wasser ist die Grundlage für so vieles: Ernährung, Klima oder auch Landwirtschaft. Im Hinblick auf das knappe Gut Wasser kommt der Reinigung von Abwasser eine wesentliche Rolle zu. Im EU-Projekt VicInAqua entwickeln elf Partner aus Dänemark, Deutschland, Italien, Kenia, Malta, Tansania und Uganda ein effizientes, flexibles und robustes System für Abwasserreinigung und -wiederverwertung in Fischzucht und Bewässerung für die Region des Viktoriasees im Osten Afrikas. Das Institut für Angewandte Forschung an der Hochschule Karlsruhe ist Koordinator des Projekts, in dessen Mittelpunkt der Aufbau einer Demonstrationsanlage in der Stadt Kisumu in Kenia steht. Die Steinbeis 2i GmbH unterstützt als Projektpartner die Verwertung der Projektergebnisse, das administrative und finanzielle Management und die Kommunikation der Projektfortschritte.

Die Partner aus Forschung, Industrie und Verwaltung verfolgen einen integrierten Ansatz: Sie entwickeln eine nachhaltige Kombination aus Abwasserbehandlung und einem re-zirkulierenden Aquakultursystem (recirculating aquaculture system, RAS) für die Wiederverwendung des Wassers und die Qualitätssteigerung der Fischzucht im Viktoriaseebecken. Das System soll zur Verminderung der Belastung des empfindlichen Ökosystems und zur Steigerung der Ernährungs- und Gesundheitssicherheit beitragen. Im RAS werden Fischlaiche großgezogen, die durch die optimale und ständig überprüfte Wasserqualität und Versorgung eine besonders hohe Qualität besitzen. Die Fischlaiche werden später an lokale Fischteichbetreiber zur weiteren Aufzucht übergeben.

Daneben wird im Projekt ein neuartiger selbstreinigender Wasserfilter entwickelt und eingesetzt, der aus einem Membranbioreaktor (MBR) als Hauptbehandlungseinheit in einem kombinierten Behandlungssystem besteht. Die größte Herausforderung ist dabei die Membranverschmutzung, die eine häufige Reinigung mit teuren Chemikalien erfordert. Deshalb entwickelt VicInAqua neuartige selbstreinigende Membranmaterialien, die zu einer besseren und umweltschonenderen Langzeitleistung beitragen. Ein innovatives, leicht bedienbares Monitoringsystem macht es möglich, die gesamte Anlage vor Ort und über das Smartphone zu überwachen. Das gefilterte, nährstoffreiche Abwasser fließt wieder in das RAS und wird zusätzlich für die landwirtschaftliche Bewässerung genutzt. Der gefilterte Überschussschlamm aus dem Filtersystem wird mit organischen Abfällen aus der Umgebung verwendet, um Biogas zu produzieren. Zusammen mit einer fortschrittlichen Photovoltaikanlage sorgt dieses Biogas für eine flexible, dezentrale Energieversorgung.

„In VicInAqua entwickeln wir eine innovative Rundumlösung, die für einen erfolgreichen Betrieb in Afrika aber auch weiteren Regionen der Welt mit Wasser- oder Nahrungsmittelknappheit angepasst wird. Sie soll letztendlich dazu beitragen, neue Geschäftsmöglichkeiten für die lokale Bevölkerung aufzubauen. Die größte Herausforderung neben den technischen Innovationen besteht darin, den gegenseitigen kulturellen und technischen Austausch zwischen der europäischen und der afrikanischen Gesellschaft zu fördern, um den Menschen in Afrika eine Perspektive in ihren Heimatländern zu bieten“, erläutert Prof. Dr. Jan Hoinkis, Projektkoordinator und Professor an der Hochschule Karlsruhe. Susan Clare Adhiambo ist als Chief Fisheries Officer verantwortlich für das Kisumu East Sub-County im Ministerium für Landwirtschaft, Viehzucht und Fischerei (Departments of Agriculture, Livestock and Fisheries, DALF) in Kenia und Partner in VicInAqua. Sie ergänzt: „Uns gefällt der innovative Ansatz von VicInAqua, der sich insbesondere mit den Problemen in Kenia und in den weiteren Ländern des Viktoriasees, Uganda und Tansania, befasst. Es geht nicht nur um den allgemeinen technologischen und ökologischen Fortschritt, sondern auch darum, eine afrikanische Lösung für die effiziente Wiederverwendung von Wasser und die Kontrolle der Umweltverschmutzung vorzuschlagen“. Das DALF bringt seine langjährige Expertise in der Planungs-, Umsetzungs- und Regelungspolitik von Fischzucht und Fischerei in Kenia und am Viktoriasee ein. Da das DALF die Pilotanlage auch nach Projektende betreiben wird, spielt es eine wichtige Rolle bei der Koordinierung der Bauarbeiten, die im Frühling 2018 begonnen haben.

© Hochschule Karlsruhe/Marion Broda

Eine der größten Herausforderungen des Projekts ist es, eine für den lokalen Markt finanziell erschwingliche technologische Lösung zu finden. Um die lokale Bevölkerung, Unternehmen und Entscheidungsträger zu überzeugen, dass die Anlage und deren innovative Technologien funktionieren und sich lohnen, konzentriert sich das Projektkonsortium gleichzeitig darauf, verschiedene Schulungen zu den VicInAqua-Technologien, Studienbesuche und runde Tische zum Kompetenzaufbau und zur Aufklärung durchzuführen.

Zusätzlich ermöglicht ein akademisches Studentenaustauschprogramm zehn Studierenden aus Kenia, Tansania und Uganda die VicInAqua- Technologien bei den europäischen wissenschaftlichen Partnern an der Hochschule Karlsruhe, am Institute on Membrane Technology of the National Research Council (ITM-CNR) und an der University of Calabria (UNICAL) kennenzulernen und die Arbeit der Forscher zu verfolgen. Im Mai wurden Studierende zu den Themen Wasseraufbereitung, Membranwissenschaft, Chemie und organische Synthese an den beiden Forschungseinrichtungen ITM-CNR und UNICAL im italienischen Rende aufgenommen. Im Juni kamen weitere Studierende an die Hochschule Karlsruhe, um ihre Kenntnisse in den Themen Wasseraufbereitung, Membranwissenschaft und erneuerbare Energietechnologien zu vertiefen. Für beide Gruppen haben die Projektpartner ein vielfältiges Programm aus Vorlesungen, praktischen Übungen und Ausflügen entworfen. Die Studierenden werden abschließend in einem Erfahrungsbericht das Austauschprogramm bewerten.

Das Fazit des VicInAqua-Projektteams fällt schon heute sehr positiv aus: Wenn die Technologien von Fischern und lokalen Behörden am Viktoriasee eingesetzt werden, wird dies zu neuen und nachhaltigen Beschäftigungschancen und einer verstärkten qualitativen Fischproduktion durch Aquakultur führen.

VicInAqua wird vom EU Forschungs- und Innovationsprogramms Horizont 2020 im Rahmen der Zuschussvereinbarung Nr. 689427 gefördert.