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Potenziale der Digitalisierung effektiv nutzen

EU-geförderte Qualifizierungen zur Digitalisierung im Gesundheitssektor

Das Steinbeis-Transfer-Institut Therapeutische Kommunikation und integrierte Gesundheitsförderung hat im Januar 2018 zusammen mit zwölf Partner-Organisationen aus acht europäischen Ländern das dreijährige Projekt „Digital skills on Computational Biology for Health Professionals“ (BioS) gestartet, das europaweit digitalisierte Ressourcennutzungen im Gesundheitssektor unterstützen und modularisierte Computational Biology Curricula-Angebote für Ärzte und deren Teams entwickeln sowie implementieren soll.

Das vom Erasmus+ Programm der Europäischen Union geförderte Projekt wird bei seinem Ansatz die Alltagswirklichkeiten in den ärztlichen Praxen und Krankenhäusern und die besonderen europäischen Vorgaben für den Gesundheitssektor einbeziehen und soll dabei folgende Aspekte und Gegebenheiten berücksichtigen: Digitalisierung, das heißt die automatisierte Verarbeitungsmöglichkeit großer Datenmengen, wird im Gesundheitssektor auf vielen Ebenen zu Veränderungen bisheriger Versorgungsstrukturen, Prozesse und Ergebnisse führen. Aktuell vorstellbare oder vorgeschlagene – inhaltliche wie ökonomische – Szenarien können sich dabei auch als Wunschdenken oder Sackgassen herausstellen. Vor diesem Hintergrund bedarf es im Hinblick auf den Aus-, Weiter- und Fortbildungssektor eines fortlaufenden Monitorings und entsprechender Aktualisierungen, um die Befähigung von Ärzteteams zur gezielten Nutzung von Digitalisierungspotenzialen zu steigern wie auch deren Risiken zu erkennen und zu vermeiden.

Telemedizin-Ansätze ermöglichen es, medizinische Leistungen unabhängig von Zeit und Raum verfügbar zu machen. Damit können kompetente, spezialisierte Zentren auch flächendeckende Angebote erbringen. Telemonitoring kann dabei eine kontinuierliche Beobachtung von Vitalparametern mit entsprechenden bedarfsgerechten therapeutischen Interventionen ermöglichen. Noch bestehen hierfür aber zu wenig anerkannte evidenzbasierte Standards. Zudem fehlt es an etablierten Dienstleistungskonzepten, die mit den Abläufen in Praxen und Kliniken kompatibel wären. Auch elektronische Patientenakten versprechen bessere Effizienz, Qualität und reduzierte Kosten im Gesundheitssektor. Einmal erfasste Informationen können durch sie jederzeit an jedem Ort abgerufen werden, dadurch werden Doppeluntersuchungen vermieden und eine leitliniengerechte Versorgung unterstützt. Allerdings ist die Strukturierung und Bewertung von Informationen hier weder national noch europaweit hinreichend geklärt. Nicht zuletzt im Hinblick auf die demographisch bedingten Zunahmen von chronisch Kranken und multimorbiden Patienten wird es deshalb auch darum gehen, die gerade bei dieser Patientenklientel gesteigert anfallenden Informationsmengen angemessen strukturiert und bewertet zu bekommen. Ferner geht es darum, sinnlose Datenfriedhöfe zu vermeiden und stattdessen die Effizienz und Qualität von Informationen gezielt durch leicht verfügbare und europaweit möglichst einheitlich strukturierte Daten zu nutzen. Da eine systematische Ausbildung zum Datenschutz bei vielen Ärzteteams und deren Kooperationspartnern noch kontinuierlich ausgebaut werden muss, wurde bereits ein weiteres Projekt speziell zu diesem Aspekt bei der EU zur Förderung beantragt.

Prädiktive und individualisierte Medizin können durch Genanalysen und molekularbiologische Verfahren auf Basis der Verarbeitung großer Datenmengen Diagnostik und Therapie verbessern. Idealerweise führt dies zu gesteigerter Prävention und adäquat individualisierten Diagnostiken wie Therapien. Wenn Diagnosen und Therapiemöglichkeiten sich nicht gleichermaßen entwickeln, wirft dies allerdings auch vielfältige ethische Fragen auf. Auch ein Missbrauch von prädiktiver Medizin muss durch entsprechende Regulierung vermieden werden. Diese neuen Möglichkeiten und Risiken erfordern Weiterbildungsangebote, wie sie vom Projekt BioS angestrebt werden.

Für Patienten verfügbare gesundheitsbezogene Apps, Big Data und Algorithmen versprechen eine Stärkung der Eigenverantwortung der Patienten, gegebenenfalls in Verbindung mit Eigenvorsorge und -therapie. Mögliche Probleme von Korrelationen sind aber hinlänglich bekannt und der Nachweis von Kausalitäten erweist sich oft als problematisch. Ihre Einsatzmöglichkeiten müssen daher ärztlich kontrolliert und eventuell gesteuert werden. Dies erfordert eine entsprechend qualifizierte Auseinandersetzung mit den Entwicklungen.

Für das BioS-Projekt sollen die initial schon angebotenen gesundheitsbezogenen Bioinformatik-Ausbildungsangebote analysiert werden. Bisher wurden schon 52 derart annoncierte Curricula Angebote auf der Ebene von BSc, MSc und Promotion zur systematischen Auswertung durch die BioS-Partner erfasst. Unterstützt von externen Experten sollen dabei auch die genannten Bewertungsparameter und Aspekte durch Befragungen und Interviews fundiert untersucht werden. Systematische Literaturrecherchen in diesem Bereich sind ebenfalls integraler Bestandteil des Projektes. Auch einschlägige Veranstaltungen auf nationaler und internationaler Ebene werden explorativ wie durch aktive und passive Teilnahme im Rahmen eines generellen Disseminationsplanes seit Anfang Mai gezielt erfasst, um eigene Ausbildungsansätze zur Diskussion zu stellen und zu testen. Das Steinbeis-Transfer-Institut Therapeutische Kommunikation und integrierte Gesundheitsförderung ist als Koordinator für das gesamte Management des Projektes zuständig, trägt aber auch zu allen anderen Arbeitspaketen wie Vertrieb, Trainingsentwicklung und -umsetzung sowie der Qualitätssicherung bei.

Die Befähigung zur Auseinandersetzung mit den Chancen und Risiken der Digitalisierung erfordert insgesamt also nicht nur bei der Entwicklung, sondern auch bei der Anwendung und den Entscheidungen zur Nutzung der Digitalisierungsangebote ein hohes Kompetenzniveau. Universitäten, Ärztekammern, Fachgesellschaften, einschlägige Netzwerke und Produktanbieter sind daher bereits im Rahmen zukünftiger Projektansätze zu Ausbildungen und Qualifizierungen als Kooperationspartner angesprochen worden. Auch Politiker, Kongressagenturen und die unterschiedlichsten Weiterbildungsträger fördern und nutzen den Megatrend der Digitalisierung für ihre Zwecke. Vielfältige Studien bieten immer neue Informationen über zusätzlichen oder auch mangelhaften Nutzen von digitalen Entwicklungen an. Die damit teilweise verbundene Unübersichtlichkeit in diesem Gebiet nimmt das Projekt zum Anlass, um solche Angebote systematisch zu sammeln, zu bündeln und zu bewerten und gegebenenfalls auch für ein modularisiertes (Basis-) Curriculum Bioinformatik für Ärzte auf europäischer Ebene zu erproben und zu nutzen.

Kontakt

Professor Dr. Hartmut Schröder

Professor Dr. Hartmut Schröder leitet das Steinbeis-Transfer-Institut Therapeutische Kommunikation und integrierte Gesundheitsförderung. Das Dienstleistungsangebot des Steinbeis-Unternehmens umfasst transferorientierte Forschung im Bereich Gesundheitskommunikation, Beratung von Therapeuten und Institutionen im Bereich der therapeutischen Kommunikation und Gesundheitskommunikation sowie Gesundheitsmanagement.

Professor Dr. Hartmut Schroder
Steinbeis-Transfer-Institut Therapeutische Kommunikation und integrierte Gesundheitsforderung (Berlin/ Potsdam)
www.bios-projekt.eu

Dieser Text wurde abgestimmt mit: Songul Secer (DEGEDI, Bochum), Stephan von Bandemer (IAT, Gelsenkirchen), Mehmet Canbay (EUREHVA, Essen), Peter Augat (BG Klinikum, Murnau), Franz Bartmann (AEKSH, Bad Segeberg), Winrich Breipohl (EUREHVA, Essen).