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Blockchain – Facts behind the Hype

Chancen erkennen und nutzen

2009 stellte eine Person oder Gruppe unter dem Pseudonym „Satoshi Nakamoto“ die digitale Währung Bitcoin vor, mit der Absicht die Bankenwelt zu disruptieren. Bitcoin ist ein prominentes Beispiel für sogenannte Blockchain-Protokolle. Daniel Burkhardt, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Ferdinand-Steinbeis-Institut in Stuttgart, erklärt die Vielfalt von Blockchain und welche Dimensionen für den Einsatz relevant sind.

Einige Unternehmen, Banken und staatliche Institutionen haben als zentrale Mittler zwischen Kunden oder Dienstleistern eine lukrative Machtposition aufgebaut. Der Nutzer hat diese Stellung ohne sein Vertrauen zu hinterfragen sowie mit einer erhöhten Abhängigkeit hingenommen. In einer Zeit, in der der Kunde „König“ sein sollte, erscheint dies paradox: Es ist ein Zustand mit datenmonopolistischen Strukturen und vermeintlichen Datenanalysen entstanden. Mit der Bankenkrise 2008 wurde die Forderung nach mehr Transparenz durch eine neue Lösung laut. Diese bietet die Blockchain – aber das ist bei Weitem nicht alles.

Die Blockchain als ein sich fortschreibendes, über die Teilnehmer des verteilten Netzwerks dupliziertes digitales Hauptbuch (engl. Ledger) ermöglicht die Ablage von wertorientierten Transaktionen. Das darauf aufbauende Protokoll, wie beispielsweise Bitcoin, legt nun fest, wie die Teilnehmer im Netzwerk einen Konsensus über den wahren Zustand einer Transaktion erreichen. Die Ablage der Transaktionen erfolgt zusammen mit weiteren Transaktionen des Netzwerks in Blöcken, bis eine vom Protokoll vorgegebene Blockgröße erreicht wird. Diese Blöcke werden mit neuesten Verschlüsselungsmaßnahmen an die sogenannte Blockchain angehängt. Es ist wichtig zwischen zwei Definitionen der Blockchain zu unterscheiden: Blockchain als Beschreibung des gesamten Bereichs und Blockchain als technologischer Ansatz, der hier vorgestellt wird.

Der aktuelle Zustand des Blockchain-Ökosystems ist mit dem des Internets vor 1990 vergleichbar. Die erste Generation der Blockchain ist beispielsweise in den Protokollen Bitcoin, Ripple oder Dash dargestellt und macht die Umsetzung vor allem von finanziellen Anwendungsfällen möglich. Doch diese Protokolle haben im Hinblick auf Skalierbarkeit und Geschwindigkeit der Durchführung von Transaktionen Nachteile. Zum Beispiel wird bei Bitcoin ein Block mit durchschnittlich 2.050 Transaktionen der Blockchain alle 5 bis 20 Minuten angehängt. Das Kreditkartenunternehmen Visa erreicht eine Anzahl von 2.537 Transaktionen pro Sekunde und verdeutlicht den bestehenden Aufholbedarf auf Seiten Bitcoins und anderer Protokolle. Zur zweiten Generation der Blockchain zählen Protokolle wie Ethereum. Dieses macht es unter anderem möglich, autonome Programme (engl. Smart Contracts) auf der Blockchain zu initialisieren und somit ganze Prozessschritte zu automatisieren. Durch die damit ermöglichte Umsetzung einer verteilten Plattform wird ein größeres Spektrum an Anwendungsfällen realisierbar. Eine Lösung der beschriebenen Schwachstellen, wie beispielsweise die fehlende Skalierbarkeit, ist auch bei diesen funktional erweiterten Blockchain-Protokollen nicht vorhanden und steht momentan in der Entwicklung.

Durch die Eigenschaften der Blockchain können neue Anwendungsfälle entwickelt beziehungsweise bestehende verändert werden. Ein Anwendungsfeld stellt dazu das Industrielle Internet der Dinge (IIoT) dar. Dabei werden neue Ansätze durch die Verschmelzung der Operation-Technologiearchitektur (OT), welche die Ebenen von den Sensoren bis zum Enterprise Ressource Planning (ERP) System beschreibt, mit Informationstechnologien möglich. Es können beispielsweise Sensordaten, die auf Produktionslinienebene gesammelt werden, in einer Cloud analysiert, Beschlüsse getroffen und Aktionen zur Optimierung des Produktionsprozesses durchgeführt werden. In Verbindung mit Blockchain wird es nun möglich, dass zum Beispiel autonome Dinge, wie Sensoren oder Aktoren, entlang der Wertschöpfungskette angebotene Dienste nutzen und diese Nutzung ohne den Umweg über eine zentrale Einheit zu bezahlen.

In Deutschland wurden vereinzelt Aktivitäten gestartet, private oder öffentliche Blockchains zu nutzen. Das Positionspapier des Blockchain Bundesverbands zeigt aktive Unternehmen und Institutionen im Blockchain- Bereich in Deutschland. Um das Entstehen einer heterogenen Blockchain-Landschaft zu vermeiden und den Mehrwert in diesem Umfeld zu identifizieren, muss der Ansatz aus verschiedenen Blickwinkeln analysiert werden. Dies ist eines der Ziele des Forschungsfelds „Distributed Ledger – Blockchain and IIoT“ am Ferdinand-Steinbeis-Institut (FSTI). Blockchain kann nicht wie eine Technologie der vierten industriellen Revolution, wie zum Beispiel Additive Manufacturing oder Künstliche Intelligenz, betrachtet werden. Der Ansatz hat als virtueller Mittler das Potenzial, all diese technologischen Entwicklungen zu befähigen, wertorientierte Transaktionen durchzuführen und neue Verbindungen zu generieren. Durch diese Gegebenheit führt Blockchain nicht nur zu einer technologischen Revolution, sondern bewirkt Veränderungen in gesellschaftlichen, rechtlichen, organisatorischen, regierungsseitigen und individuellen Strukturen. Schlagworte wie „Shared Economy“, „Digital Government“, „Open Ecosystems“, „Data Ownership“ oder „Digital Trust“ gewinnen zunehmend an Bedeutung und werden realisierbar.

Blockchain Stack: Blockchain als digitales Hauptbuch ermöglicht die Ablage von Transaktionen. Das
darauf aufbauende Protokoll bestimmt die Regeln für das Validieren der Transaktionen.

Daher ist es von essentieller Bedeutung, Blockchain in ihren verschiedenen Dimensionen zu untersuchen, um einen Mehrwert bei der Integration in Anwendungsfällen zu erzeugen und folglich Geschäftsmodelle und Ökosysteme zu realisieren oder zu evolvieren. Die folgenden Dimensionen und ihre zur Analyse relevanten Fragestellungen wurden definiert:

  • Technologie: Welche technologischen Aspekte nutzt Blockchain, wie und in welcher Form?
  • Konzept und Architektur: Aus welchen Teilkomponenten und Ebenen setzt sich die Blockchain-Architektur zusammen? Wie ist darauf aufbauend das Blockchain-Ökosystem zusammengesetzt?
  • Geschäftsmodell und Strategie: Welche Geschäftsmodelle werden durch Blockchain ermöglicht, und wie wird dadurch eine Unternehmensstrategie beeinflusst?
  • Funktionen: Welche Funktionen oder Services werden durch den Einsatz von Blockchain realisierbar und einsetzbar?
  • Prozesse und Prinzipien: Welche Prozesse und Prinzipien werden zur Umsetzung von Blockchain in welcher Form verwendet?

Über eine umfangreiche Analyse kann beurteilt werden, ob Blockchain in der Realisierung eines vertrauenslosen peer-to-peer Messaging oder autonomer intelligenter Dinge im Kontext des IIoT einen Mehrwert erbringen kann beziehungsweise für die Umsetzung dieser Beispiele überhaupt Blockchain als Bestandteil relevant ist. Das IIoT weist Schwachstellen im Hinblick auf Identität und Datenschutz auf. Vielleicht könnte Blockchain hier eine Verbesserung bewirken. Des Weiteren wäre ein Marktplatz für Technologiedaten sowie eine Remote-Maintenance-Plattform in Zukunft interessant. Blockchain könnte durch die dedizierten Eigenschaften als entscheidende Komponente eine Umsetzung bewirken. Neben den Implikationen in Ökonomie und sozialen Systemen birgt Blockchain eine hohe Vielfältigkeit, die es umfangreich zu analysieren gilt. Am FSTI wurde die Herausforderung erkannt und als eine essenzielle Aufgabe wahrgenommen.

Kontakt

Daniel Burkhardt

Daniel Burkhardt ist seit Juni 2017 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Ferdinand-Steinbeis- Institut der Steinbeis-Stiftung, einem Forschungsinstitut für Digitalisierung und Vernetzung. Sein Fokus liegt auf der Projektdurchführung und Forschung im Bereich Distributed Ledger – Blockchain & Industrial Internet of Things. Der Schwerpunkt beinhaltet die Themenfelder Geschäftsmodellinnovation und Umsetzung, IT-Servicearchitektur, Geschäftsprozesse und neue Technologien. Interessant ist für ihn die Frage: „Wie erzeugt Distributed Ledger als Komponente in anderen Technologien und Ansätzen einen Mehrwert?“

Daniel Burkhardt
Ferdinand-Steinbeis-Institut (Stuttgart)