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VUKA – Mehr Klarheit für die Ungewissheit

Führung muss neu gedacht werden!

Eine weitere Runde im Ringen um die Revolution von Wirtschaft und Gesellschaft ist längst eingeläutet: Digitalisierung und Industrie 4.0 sind die Vorboten der anstehenden rasanten Metamorphose und dabei ist keineswegs klar, welche Rolle der Faktor „Mensch“ spielen wird. Wenn aktuell überhaupt etwas sicher ist, dann dass nichts mehr sicher ist. Eine Begrifflichkeit, die dieser Situation einen klärenden Rahmen geben möchte, lautet VUKA. Wolfgang Natzke, Leiter des Steinbeis-Transfer-Instituts Business Management and Innovation, erklärt, was damit gemeint ist und wie sich die Führung in den Zeiten der Digitalisierung verändert.

Das Akronym VUKA fasst die Herausforderungen zusammen, denen sich Unternehmen und veränderungswillige Mitarbeiter bei einer erfolgreichen Transformation in die Welt der Digitalisierung stellen müssen: Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität.

Volatilität bezeichnet das Ausmaß von Schwankungen innerhalb einer kurzen Zeitspanne und kennzeichnet damit Zustände, die instabil, unberechenbar und damit nicht vorherseh- und -sagbar sind. Aus der Frage „Wer und wo sind meine Kunden und Wettbewerber von morgen?“ resultiert für Unternehmen ein rasant anwachsender Innovationsdruck mit eindeutig weiterhin steigender Tendenz. Es bedarf einer akzeptierten und (vor-)gelebten Innovationskultur im Unternehmen. Die Tatsache der Unsicherheit, bezogen auf Kunden und Wettbewerb, bedingt eine Steigerung der Unsicherheit über mögliche Marktentwicklungen. Das pure Taktieren mit „Worst Case Szenarien“ zum „Best Case“ hin entpuppt sich als wahres Dilemma. Die zentrale Frage lautet: „Womit und mit wem wird das Unternehmen zukünftig seine benötigten Umsätze generieren können?“ Ein wirksames und zugleich hinreichend flexibles Personalmanagement wird dabei absolut zukunftsweisend sein. Komplexität bedeutet, dass es in einer globalen, hoch komplexen und damit zugleich extrem anfälligen Struktur mehr denn je der Kernkompetenz „Mentale Agilität“ bedarf. Sie stützt die Fähigkeit zum „360° Rundblick“ eines Unternehmenslenkers. Was zukünftig nötig ist, sind „Strategen“, die ihre Komfortzone schnell verlassen können und wollen, extrem adaptiv und fähig sind, sich völlig unbekannten Sachverhalten zu stellen und diese schnell zu erschließen. Ambiguität meint die Mehr- oder Doppeldeutigkeit eines Sachverhalts. Die Abwesenheit von vertrauten Kausalbeziehungen und das wahrscheinliche Scheitern bisher probater Geschäftsmodelle nötigt Unternehmen zu immer individuelleren Lösungsoptionen. Best Practice-Ansätze und Know-how sind keine Garanten mehr für gewohnte Erfolge. Die bittere Erkenntnis lautet: Je radikaler die Veränderung, desto schneller erleben wir die Endlichkeit unseres Wissens und unserer Erfahrungen. Wahrgenommene Branchengrenzen stellen sich als immer diffuser heraus. Und jetzt vollzieht sich etwas völlig Unerwartetes – der Kreislauf schließt sich und der nächste VUKA-Zyklus startet.

Was aber muss auf den Prüfstand, um sich als Unternehmen auf den Weg in die digitale Metamorphose zu machen? Die Experten vom Steinbeis- Transfer-Institut Business Management and Innovation an der Steinbeis-Hochschule Berlin haben einige nachdenkenswerte Impulse, die sie für hilfreich halten, zusammengefasst und bieten mit dem Fachseminar „Fit für die VUKA-Welt“ einen Einstieg in die spannende Thematik der digitalen Transformation. Folgende Impulse halten die Steinbeis- Experten für hilfreich:

Wichtig ist die gelebte Vertrauenskultur im Unternehmen: „Vertrauen ist der Anfang von allem“ – so lautete einst der Werbeslogan einer großen deutschen Bank. Die Grundlage jeglicher menschlichen Beziehung fußt auf Vertrauen. Wann immer Menschen integer handeln, getroffene Vereinbarungen einhalten, sich gegenseitig wohlwollend unterstützen und offen und ehrlich miteinander kommunizieren, ist der Nährboden für Vertrauen gelegt. Wobei Kontrolle im Sinne eines reinen „Monitorings“ als sinnvoll erscheint.

Irrtum anstatt Fehler – dessen sollen sich die Führungskräfte bewusst sein: Letztendlich gibt es nur dort Raum für Fehler, wo auch ein „Richtig“ existiert. Da aber komplexe Systeme einen Einmaligkeitscharakter aufweisen und es kein „Richtig“ gibt, existiert eben auch kein Raum für Fehler – maximal für Irrtümer. Die beliebte Suche nach „dem Schuldigen“ ist dabei wenig hilfreich. Führungskräften und deren Mitarbeitern fällt die Aufgabe zu, Irrtümer zu riskieren und gemeinsam – ohne Schuldzuweisung – daraus zu lernen.

Schwarmintelligenz statt Einzelintelligenz: Um Komplexität auch nur annähernd erfassen und beschreiben zu können, bedarf es der Diversität, des Austausches und des Perspektivenwechsels auf Augenhöhe.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist Übernahme von Verantwortung: Wenn die Jagd nach „dem Schuldigen“ konsequent entfällt, dann wird dem Mitarbeiter die Entscheidung, ob er Opfer oder Verantwortlicher sein will, deutlich leichter gemacht.

Auch das passende Mindset darf nicht fehlen: Wenn ein Irrtum als Niederlage empfunden wird, dann kann der Austausch über die empfundene Betroffenheit und Befindlichkeit helfen, wieder Zuversicht zu gewinnen.

Konsequente Vernetzung statt Hierarchie: Weit über vorhandene formale Strukturen hinaus ist der transparente Austausch über alle Ebenen und Bereiche erwünscht und wird intensiv gefördert. Die Bereitstellung der erforderlichen Infrastruktur (Dialog auf Augenhöhe, Feedbackkultur etc.) ist dabei eine Kernaufgabe der Führungsebene.

Kompetenz statt Hierarchie: Es ist ein signifikanter Vorteil, wenn relevante Entscheidungen da getroffen werden dürfen, wo auch die maximale Kompetenz sitzt. Aktuell werden Entscheidungen häufig noch immer da gefällt, wo die disziplinarische Verantwortung und/oder die hierarchische Macht liegt.

Agilität statt starrer Planung: Bei komplexen Herausforderungen versagen Best Practice-Ansätze und die Suche nach dem perfekten Plan ist einfach hoffnungslos. Hilfreich hingegen ist es, für Dynamik zu sorgen und lediglich den nächsten Schritt „experimentell“ anzugehen. Distanz, Intuition und Vision sind dafür essenziell.

Nachbesserung statt Perfektionismus: Die Komplexität der VUKA-Welt erfordert ein hohes Maß an Nicht-Vorhersehbarkeit und ist geprägt von zahlreichen nicht immer eindeutigen Wechselbeziehungen – da ist Nachbesserung absolute Normalität und unverzichtbar.

Erforderlicher Rollenwechsel: In agilen Unternehmen bedarf es eines Rollenwechsels im Führungsverständnis. Die Führungskraft sollte ein lösungsorientierter Moderator sein, der Mission, Vision und Strategie des Unternehmens im Fokus hat. Sie ist dafür verantwortlich, dass Entscheidungen innerhalb dieser Rahmenbedingungen getroffen werden können.

Führungskräfte sollten sich bewusst sein, dass generalistische und bisher allgemeingültige Managementstrategien in der neuen VUKA-Welt absolut keine Wirkung mehr zeigen werden. Lineare Lösungsansätze, lineares Denken, lineares Management ebenso wie lineare Karrieremodelle sind in einer dynamischen, volatilen, veränderungsorientierten und mehrdeutigen Welt definitiv keine Lösungen, sondern eher ernsthafte Probleme. Die neuen Kernkompetenzen sind Methoden und Prozesse für Innovation, Inkubation, Restrukturierung und Change Management. Die Modelle, in denen der Manager als „Steuermann des Unternehmens“ beschworen wurde, sind definitiv dem Untergang geweiht.