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Digitalisierung – Industrie 4.0 – Additive Fertigung

Effiziente und flexible Just-in-time-Produktion

Industrie 4.0 – in sämtlichen Branchen, von der Automobilindustrie über die Anlagenproduktion bis hin zur Medizin wird dieser Begriff inflationär verwendet. Auch im Zusammenhang mit den Additiven Fertigungstechnologien, der sogenannten 3D-Druck-Technologie, wird Industrie 4.0 oft erwähnt. Doch was genau ist Industrie 4.0? Wofür steht sie und was zeichnet sie aus? Welchen Einfluss hat sie auf die Additive Fertigung? Philipp Renner, Mitarbeiter der Apium Additive Technologies GmbH in Karlsruhe, wagt eine Definition.

Der Begriff Industrie 4.0, der in seiner numerischen Benennung die vierte industrielle Revolution bezeichnet, beschreibt die Verbindung von herkömmlichen Produktionstechnologien mit intelligenten Systemen und digitalen Netzwerken. Das Ziel dieser Verknüpfung besteht darin, den gesamten Produktentstehungsprozess effizienter zu gestalten, indem die einzelnen Schritte der Wertschöpfungskette durch Informatik und moderne Kommunikationstechniken direkt miteinander verknüpft werden. Industrie 4.0 steht für intelligente Maschinen, die durch cyber-physische Systeme eine Kommunikation zwischen allen an der Produktion beteiligten Einheiten – Menschen, Maschinen, Material und dem finalen Produkt selbst – ermöglichen. Durch diese Vernetzung entsteht eine dezentralisierte Organisation, ein Wertschöpfungsnetzwerk, das Daten sammelt, verarbeitet, auf einem dezentralen Speicher, einer sogenannten Cloud, speichert und anschließend in allen Produktionsschritten optimal einsetzt. Die Digitalisierung der Daten und deren Ablegen in einer Cloud ermöglichen es den beteiligten Parteien von überall auf die gesammelten Daten zuzugreifen und gestattet somit auch einen unkomplizierten und schnellen Datenaustausch zwischen verschiedenen Unternehmen, Standorten und Kunden. Somit lassen sich sowohl Effizienz als auch Flexibilität enorm steigern: Maschinen können in kurzer Zeit auf wechselnde Produktwünsche reagieren, als Folge wird es möglich dem Endverbraucher ein personalisiertes Produkt in Echtzeit zu liefern, was Vorteile für beide Parteien bedeutet: Zufriedenheitssteigerung für die Kunden und Gewinnmaximierung für das Unternehmen.

Die Vorteile durch Flexibilität, Personalisierung und individuelle Anpassung an Produktionsanforderungen findet man auch im 3D-Druck wieder. Die nahtlosen Arbeitsabläufe der Industrie 4.0 sind eine der wertvollen Eigenschaften dieser Form der Digitalisierung. Während der Produktion werden Auftragsdaten erfasst, die im nächsten Schritt in das Design einfließen und für die zu fertigenden Objekte in der Topologieoptimierung geprüft und im nächsten Schritt verwendet werden, um die Maschinen entsprechend zuzuteilen. Anschließend folgt das Qualitätsmanagement. Die fertiggestellten Aufträge werden erneut geprüft und deren Prüfdaten an Techniker und Manager weitergeleitet. Hierbei werden sowohl die Entscheidungsträger der Produktion informiert, aber auch der Kunde erhält Rückmeldung über Status, Qualität und Produktionsprozesse seines Endproduktes. Somit wird hier beispielsweise die Option der Warennachverfolgung für den Kunden von dem sonst üblichen Lieferstatus auf den Umfang des Fertigungsstatus erweitert und der Kunde kann einsehen, in welchem Status der Produktion sich sein Produkt gerade befindet.

Ein weiterer Vorteil der Verzahnung von Digitalisierung und Additiver Fertigungstechnologie ist die Produktion in Echtzeit. Durch eine Planungssoftware für die Sortierung und Priorisierung von Produktionsmitteln und -materialien ist es möglich, Just-in-time und Just-in-sequence zu produzieren und somit große Kosteneinsparungen in Lagerung und Logistik zu erzielen. Durch den vereinfachten Datenaustausch mit anderen an der Wertschöpfung beteiligten Firmen und Standorten lässt sich einfacher auf Veränderungen reagieren und die Produktion daran anpassen. Mit der Additiven Fertigung wird darüber hinaus, durch die hohe Flexibilität der 3D-Drucker, ermöglicht, dass auf derselben Anlage, auf der gerade noch ein Brillengestell gedruckt wurde, direkt im Anschluss ein Smartphonegehäuse gefertigt werden kann. Durch dieses hohe Maß an Flexibilität kann in der Industrie die Einsatzplanung dynamisch angepasst werden und auch die Einführung neuer Produktmodelle stellt unter diesen Umständen keine signifikante Fertigungshürde dar.

Durch das kontinuierliche Sammeln von Daten besteht außerdem die Möglichkeit, im Außendienst in Echtzeit anhand der Datenhistorie benötigte Informationen, wie beispielsweise Vertragswerte und Prüfdaten vorheriger Produktionen, mit den Produkt- oder Serviceanforderungen des Kunden abzugleichen und somit personalisierte Angebote für diese zu machen. Diese Integration von Kunden- und Erfahrungsdaten in die Produktion der Industrie 4.0 zeichnet besonders den 3D-Druck und seinen innovativen Vorsprung gegenüber herkömmlicher Fertigungstechnologien aus.

Ein weiterer Vorteil, der sich durch die im 3D-Druck gegebene Digitalisierung der Fertigung ergibt, ist der Hinweis auf auslaufende oder sich abnutzende Bauteile in der Produktion. Durch den zwischen Maschinen herrschenden Kommunikationskreislauf können Verbrauchs- und Verschleißdaten ausgewertet und entsprechend angepasste Auftragswerte an die 3D-Druck-Anlage weitergeleitet werden. Dies kann zum Beispiel in der Spritzgusstechnologie ein Lösungsweg sein, Hochleistungspolymere besser einzusetzen. Hierbei könnten die Spritzgussmaschine und der 3D-Drucker die Zyklusdaten austauschen und nach einem definierten Zyklus gedruckt werden, um bei einem unerwarteten Einbruch der Nachfrage die Qualität aufrechtzuhalten und Kosten einzusparen.

Industrie 4.0 im Rahmen der Verknüpfung von Digitalisierung und Additiver Fertigung ist der nächste Meilenstein in unserer industriellen Wirtschaft, der die Produktion erneut revolutionieren wird. Die Additive Fertigung ist in diesem Kontext mit ihrer Flexibilität und Formfreiheit, um nur zwei Vorteile aus hunderten zu nennen, ein exemplarisches Beweisstück dafür, wie sich unsere Produktionstechnologien in eine nutzenund kundenorientierte Richtung entwickeln, sich autonom optimieren und langfristig zu mehr Effizienz und Qualität führen.

Kontakt

Tony Tran-Mai

Philipp Renner

 

 

 

 

 

Tony Tran-Mai ist Leiter des Steinbeis-Beratungszentrums IMAPS Institut für Materialanwendungen & 3D-Druck-Lösungen. Das Dienstleistungsangebot des Steinbeis-Unternehmens umfasst die Applikationsberatung für Additive Fertigungsverfahren, die Auswahl geeigneter 3D-Druck-Systeme und Materialien für individuelle Bauteilvorhaben, die Entwicklung von Einführungsstrategien in bestehenden Unternehmen sowie Seminare, Trainings und Workshops zu additiver Fertigung.

Philipp Renner ist Mitarbeiter der Apium Additive Technologies GmbH. Das Unternehmen bietet seinen Kunden Produkte und Lösungen für die Verarbeitung von Hochleistungspolymeren mit dem 3D-Druckverfahren Fused Filament Fabrication an.

Tony Tran-Mai
Steinbeis-Beratungszentrum IMAPS Institut für Materialanwendungen & 3D-Druck-Lösungen (Karlsruhe)

Philipp Renner
Apium Additive Technologies GmbH (Karlsruhe)