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Reden, bevor es zu spät ist

Steinbeis-Mediations-Team arbeitet in EU-Projekt zur außergerichtlichen Konfliktbeilegung bei Erbstreitigkeiten mit

In Zeiten zunehmender Mobilität europäischer Bürger kommt es vermehrt zu Erbfällen mit grenzüberschreitendem Bezug: Das kann der deutsche Rentner sein, der seinen Lebensabend in Spanien verbringt, oder die Französin, die Immobilien in Österreich besitzt und diese nach ihrem Ableben vererben möchte. Die EU-Erbrechtsverordnung aus dem Jahr 2012 reformiert die rechtlichen Zuständigkeiten folgenschwer. So ist nun einheitlich geregelt, dass immer dasjenige Landesrecht zum Tragen kommt, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Für Deutsche ändert sich damit Grundlegendes: So kommt nicht mehr wie bisher das Recht der eigenen Staatsangehörigkeit zur Anwendung, sondern das Recht des Landes, in dem der Staatsbürger zuletzt seinen Lebensmittelpunkt hatte. Da sich das Erbrecht der europäischen Länder – auch im Hinblick auf Pflichtteilansprüche – zum Teil erheblich voneinander unterscheidet, können diese Veränderungen zu Rechtsunsicherheiten und Konflikten führen. Das Steinbeis-Beratungszentrum Wirtschaftsmediation und das Steinbeis-Transfer-Institut Akademie für Mediation, Soziales und Recht untersuchen in einem EU-geförderten Projekt, wie grenzüberschreitenden Konflikten in Zivil- und Erbsachen vorgebeugt werden kann. Außerdem soll im Rahmen des Projektes ein internationales Expertennetzwerk aufgebaut werden.

Im Fokus des auf zwei Jahre angelegten Forschungsprojekts „Fostering Mediation in cross-border civil and succession matters“ (FOMENTO) steht die theoretische und empirische Aufarbeitung der Implementierung zweier EU-Gesetzgebungen: der Richtlinie 2008/52/EG über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen (Mediationsrichtlinie) und der Verordnung Nr. 650/2012, die sogenannte Erbrechtsverordnung.

Ziel ist es, dass in Konfliktfällen Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung (Alternative Dispute Resolution) zum Tragen kommen. Eine Mediation, die im besten Fall im Vorfeld eines Todesfalls stattfindet und die möglichen Erben sowie auch den Erblasser zusammenbringt, könnte solchen Konflikten vorbeugen. Auch im Falle einer Erbschaft, bei der die Erben in verschiedenen Ländern wohnen, kann beispielsweise das Verfahren der Online-Mediation einen entscheidenden Beitrag zur Verständigung zwischen den Erben leisten. Um die Mediation in ganz Europa voranzubringen, verabschiedete die EU im Jahre 2008 die Mediationsrichtlinie.

Das Steinbeis-Beratungszentrum Wirtschaftsmediation und das Steinbeis- Transfer-Institut Akademie für Mediation, Soziales und Recht der Steinbeis-Hochschule Berlin arbeiten in einem Projektkonsortium mit weiteren Projektpartnern aus Italien (Resolution, Prodos Consulting) und Polen (Mediatorzy.pl) zusammen. Die Teams untersuchen in den nächsten Monaten die konkreten Auswirkungen der genannten Richtlinien für die Länder Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Schweden und Österreich. Anhand von Experteninterviews und Online-Befragungen werden die größten Schwierigkeiten bei internationalen Erbkonflikten evaluiert, um auf Basis der gesammelten Daten Best Practice-Vorschläge für den Umgang mit diesen Konflikten zu entwickeln.

Ab 2018 sind Trainings und Informationsveranstaltungen in Deutschland, Italien und Polen geplant, um EU-Bürger über die Erbrechtsverordnung und die Möglichkeiten der außergerichtlichen Streitbeilegung aufzuklären. Darüber hinaus soll ein länderübergreifendes Netzwerk für Erbmediation geschaffen werden. Zum Projektende wird 2019 eine Abschlusskonferenz in Leipzig stattfinden.

Kontakt

Jonathan Barth, Judith Pfützenreuter
Steinbeis-Beratungszentrum Wirtschaftsmediation (Leipzig)