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„Die Vielfalt der Perspektiven und Expertisen in einem Team kann große Kraft und Dynamik entfalten“

Im Gespräch mit Beate Wittkopp, Leiterin des Steinbeis-Transferzentrums TransferWerk-BW

Die Vielzahl an vorhandenen und die Auswahl der passenden Netzwerke kann für ein Unternehmen ein Dilemma darstellen. Warum das Netzwerken trotzdem für den Unternehmenserfolg unabdingbar ist, erklärt Steinbeis-Expertin Beate Wittkopp.

Frau Wittkopp, das Motto Ihres Steinbeis-Unternehmens lautet „Kräfte bündeln zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit“. Warum ist Ihnen die „Bündelung“ in der Projektarbeit so wichtig?

Dieses Motto entspricht meiner Überzeugung, dass wir nur mit dem effizienten Einsatz unserer Ressourcen schnell genug im Wettbewerb sein können. Der Ansatz ist im Zuge der internetbasierten Vernetzung noch wichtiger geworden und passt aus meiner Sicht bestens in die neue Kultur einer offenen fach- und organisationsübergreifenden Zusammenarbeit. Letztlich bezieht sich mein Bild auf die Kollaborationen, die genau dieses Ziel verfolgen, die richtigen Perspektiven und Expertisen zu bündeln und Synergien zu nutzen. Als Unternehmen muss ich mich im wahrsten Sinne des Wortes „verbünden“, um im globalen Wettbewerb wahrgenommen zu werden und mich erfolgreich zu platzieren. Und wenn wir den Blick dann einmal auf die jüngeren Generationen richten, die jetzt in den Beruf einsteigen, fällt doch der hohe Stellenwert des „Co-Working“ auf – ich bin gespannt, wie sich diese Arbeitskultur mit den Jahren weiterentwickeln wird.

Ihr Steinbeis-Unternehmen „TransferWerk“ steht für konkrete Umsetzung, für Ergebnisse im und durch Transfer – von was? Welche Rolle spielen Netzwerke für ein beziehungsweise für Ihr erfolgreiches Transferwerk?

Die technologische als auch die kulturelle Vernetzung sind elementarer Teil der Zusammenarbeit mit den Partnern und so auch Teil des globalen Wettbewerbs geworden. Damit hat sich auch das Transfergeschehen verändert und zunehmend in wertschöpfende Netzwerke verlagert. Die kontinuierliche eigene Weiterentwicklung braucht den Diskurs, daher war es für Unternehmen schon immer wichtig, den Blick über das eigene Unternehmen und die aktuellen Aufträge hinaus zu richten. Sie finden in diesen Netzwerken auch die passenden Verbündeten für den tiefgreifenden Wandel, der inzwischen alle Branchen erfasst hat und durch die Digitalisierung ständig noch weiter an Fahrt aufnimmt. Mein besonderes Interesse gilt gerade den Schnittstellen zwischen den Netzwerken. Hier treffen Fachdisziplinen, unterschiedliche Kompetenzen und Kulturen aufeinander. Quasi im Kurzschluss entzünden sich ständig neue Potenziale. So entsteht ein Großteil der disruptiven Innovationen. Selbstverständlich zählt weiterhin das branchenspezifische Know-how, aber gerade die Vielfalt der Perspektiven und Expertisen in einem Team kann große Kraft und Dynamik entfalten. Diese Erkenntnis wälzt zurzeit Organisationen und Prozesse in den Unternehmen um und verändert die Arbeitswelt radikal! Innerhalb der Wirtschaftsinitiative Baden Württemberg: connected bwcon e.V. befassen wir uns in der Special Interest Group „Future Work“ intensiv mit diesen neuen Arbeits- und Karrieremodellen. In den Netzwerken des Steinbeis-Verbundes bilden wir mit unseren 6.000 Expertinnen und Experten von vorneherein eine sehr besondere Diversität an Fachund Kulturkompetenz, an Strategien und Typen ab. Damit sind wir für den Wandel sehr gut aufgestellt. Ich denke, dass wir Steinbeiser momentan sogar noch unter den tatsächlichen Möglichkeiten bleiben, die uns der Verbund in der Transformation bietet. Wir können im alltäglichen Projektgeschäft noch mehr Möglichkeiten für Kooperationen nutzen, die nach meiner Erfahrung gerade beim Kunden auf äußerst positive Resonanz stoßen. In dem Kontext denke ich besonders an die Aktivitäten der Steinbeis- Zentrale zum Unternehmens-Kompetenzcheck (UKC) oder an die Just-testbed-IT-Initiative unter Federführung des Ferdinand-Steinbeis- Institutes – neue Optionen der Zusammenarbeit mit neuen Akteuren, in neuen Konsortien, für neue Zielgruppen. Aktuell arbeite ich zusammen mit dem Steinbeis-Europa-Zentrum und Dr. Petra Püchner an einem Angebot zur Umsetzung von gebündelter Netzwerkexpertise im Transfergeschehen. Mit der Initiative „Die andere Sicht auf das Innovieren – Frauen im Technologietransfer“ wollen wir nicht nur intern Akteurinnen ansprechen und die Kompetenzen vernetzen, sondern diese Vielfalt an Expertisen teilen und nach außen zu den Kunden transportieren. Wir bauen an einer gemeinsamen Geschäftsplattform zum anderen Innovieren.

Sie haben Ihr Steinbeis-Unternehmen mit dem Ziel gegründet, Ihren Kunden ein Netzwerk in Baden-Württemberg zu bieten. Warum haben Sie sich für den regionalen Bezug entschieden?

In Baden-Württemberg sehe ich in der wirtschaftlichen Diversifizierung und der damit gewachsenen Netzwerk-Vielfalt besondere Chancen und Potenziale. Meine Berufslaufbahn brachte mich direkt nach dem Studium aus Norddeutschland hierher, weil neue Ansätze im Ressourcenmanagement hier zuerst an den Start kamen. Die Projekte führten mich von der Stadt- und Regionalentwicklung über die kommunale und regionale Wirtschaftsförderung quer in Initiativen zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit auf Landesebene. An den einzelnen Stationen baute ich meine Kontakte und Netzwerke aus und entwickelte mein geschäftliches Profil. So lernte ich das Land kennen und schätzen und entwickelte eine eigene Perspektive auf Baden-Württemberg. Hieraus entstand letztlich auch der Impuls zur Gründung meines TransferWerkes-BW, um mich auf die Ökosysteme neuer Technologien und auf neue Arbeitswelten fokussieren zu können. Geschäftsbasis bilden meine Netzwerk-Expertise aus zahlreichen, multidisziplinären Projekten sowie meine persönlichen Kontakte in Verbände, Verwaltung und Fachgruppen als auch in die Unternehmen. So kann ich für meine Kunden sehr bedarfsspezifisch agieren. Damit beginne ich direkt vor der Tür, im Steinbeis-Verbund: Seit meiner Gründung suche ich gezielt die Kooperation mit anderen Steinbeis-Unternehmen und habe damit auch tatsächlich sehr gute Projekterfahrungen machen können. Eine für meine Schwerpunktthemen wichtige Plattform in Baden-Württemberg ist die Landesinitiative „Frauen in MINT-Berufen“ unter Federführung des Wirtschaftsministeriums, ein Netzwerk mit inzwischen knapp 50 Partnerorganisationen aus allen Bereichen der Arbeitswelt: Es geht im Kern um ein strategisches Aktionsprogramm zur Erschließung neuer Potenziale für den Fachkräftemarkt im MINT-Sektor. Der aktuelle Fokus liegt auf der digitalen Transformation. Der Blick in andere Bundesländer zeigt, dass dieses Programm inzwischen Vorbildcharakter gewonnen hat.

Mit welchen Problemstellungen kommen Ihre Kunden zu Ihnen und wie hilft das Netzwerken bei deren Lösung?

Ein Teil meiner Aufträge entsteht aus der Vielzahl der Netzwerke. Denn für ein Unternehmen kann allein die richtige Auswahl schon ein Dilemma sein. Unter dem Druck des operationellen Tagesgeschäftes fehlen die Ressourcen für die Erschließung neuer Felder. Genau hier biete ich Verstärkung an und kann als „Brückenbauerin“ einzelne Unternehmen unterstützen. Der Großteil der Anfragen gilt aber dem Aufbau von Plattformen und der Gewinnung von Zielgruppen. Dabei geht es in der Regel darum, für ein bestimmtes Thema die richtigen Expertinnen und Experten zu identifizieren, oft aus unterschiedlichen Branchen und Organisationen, sie zu gewinnen und als Team in eine erfolgreiche Zusammenarbeit zu bringen. Auf diesem „Matching“ im Spannungsbogen zwischen Themen und Menschen liegt mein Fokus. Hier ist sehr viel Potenzial zu entdecken, es braucht im Vorfeld des Projektes aber auch Energie und Spielraum für das Herausfinden der passenden Konstellation. Persönlich reizt es mich immer wieder aufs Neue, interdisziplinär zu agieren und projektspezifisch personifizierte Mikro-Netzwerke zu entwerfen.

Persönliche Netzwerke, soziale Netzwerke, Unternehmensnetzwerke – alles ist vernetzt. Wo liegen Ihrer Meinung nach die Chancen und Risiken dieser Entwicklung? Die internetbasierte Vernetzung kann in jede Richtung große Potenziale freisetzen. Dem „offline“-Kontakt gebührt aber auch künftig Raum und Zeit, Emotionen vermittelt nur der Augen-Blick und nicht ein Emoji. Die Technologie kann zwar der Treiber und die Arbeitswelt die Schnittstelle sein, betroffen ist aber inzwischen unser gesamter Lebensalltag. Ich surfe um die Welt! Geschäftlich wie privat verbinden wir uns mühelos. Auch wer heute nicht in den Kerngebieten der IT unterwegs ist, braucht Digital-Expertise. Denn die internetbasierte Vernetzung dient nicht nur der Verbindung, sondern auch der Partizipation. Sie prägt auf einer Vielzahl von Kanälen ganz wesentlich unsere Kommunikation. Die digitale Transformation führt uns in einen echten Kulturwandel. Der gesellschaftliche Diskurs dazu läuft allerdings den Fakten hinterher. Das finde ich in vielerlei Hinsicht kritisch, denn wir beobachten deutliche Tendenzen zu einer Spaltung der Gesellschaft. Während unsere Unternehmen sich immer mehr öffnen und auf Kooperationen setzen, gibt es Gruppen in der Gesellschaft, die Abschottung und Rückkehr in vergangene Lebenswelten wünschen. Wir können mit der Vernetzung solche Klüfte nicht schließen, aber einige der Ursachen abbauen und dabei Zugang zu Bildung und Chancengleichheit schaffen. Die Chance liegt in der Weitergabe und dem Teilen von Wissen und Informationen. Auf dieser Basis sind wir in der Lage, als Gesellschaft den Wandel aktiv zu gestalten.