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„Es bedarf viel Pflege und Kommunikation, damit das Netzwerk nicht auseinanderfällt“

Im Gespräch mit Frank Graage, Leiter des Steinbeis-Forschungszentrums Technologie-Management Nordost

Wie managt man Netzwerke, damit diese erfolgreich sind? Welche Vorteile, aber auch Risiken bringen diese mit sich? Diese und weitere Fragen hat TRANSFER Steinbeis-Unternehmer Frank Graage gestellt, der das Thema Netzwerke aus erster Hand kennt.

Herr Graage, einer der Tätigkeitsschwerpunkte Ihres Steinbeis- Unternehmens liegt auf den EU-Forschungs- und Innovationsprojekten und hier speziell in deren Management. Wesentliche Elemente sind dabei das Bilden und Betreiben von Netzwerken. Warum sind Netzwerke gerade in der europäischen Zusammenarbeit wichtig?

Den Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus unserer Region fehlen häufig kompetente Partner mit spezifischer Expertise. Diese finden wir in anderen europäischen Regionen. Dabei steht der Zugang zu aktuellem Wissen und Technologien neben dem Kennenlernen von potenziellen Kunden und Partnerregionen im Vordergrund. Durch ein Netzwerk werden diese Kontakte nachhaltig geknüpft und nach einem gemeinsamen Projekt auch weiter aufrechterhalten. Dies stärkt die internationale Sichtbarkeit und erleichtert den Einstieg in zukünftige Projekte, da man nicht jeweils wieder von vorne mit der Identifizierung von Partnern und gemeinsamen Entwicklungszielen startet. Darüber hinaus hilft es viele Barrieren zu minimieren, seien sie sprachlicher, kultureller oder struktureller Natur. Als Mitglied des Enterprise Europe Network können wir besonders für Neulinge in der europäischen Zusammenarbeit Matchmaker sein und die Kontakte und Anfragen aus anderen Ländern vorab filtern. Das hilft gerade auch sehr kleinen KMU, die nicht die Kapazitäten haben, neben dem Tagesgeschäft die Kontakte in einem solchen Netzwerk zu pflegen.

Netzwerke sind schon seit Langem ein fester Bestandteil des Unternehmensalltags. Die aktuellen Entwicklungen wie Globalisierung, schneller technologischer Wandel und rasanter Informationsaustausch verlangen jedoch von diesen immer mehr Flexibilität. Was bedeutet dieser Trend für die Unternehmen? Und welche Rolle spielt dabei ein kompetentes Netzwerkmanagement?

Es gibt diverse Ausgestaltungen für das Netzwerkmanagement. Hier kommt es sehr auf die Zielstellung des Netzwerks und die Struktur seiner Akteure an. Wir verstehen das Netzwerkmanagement für technologieorientierte Innovationsgruppen so, dass es die Möglichkeiten erkennen und an die beteiligten Akteure im Netzwerk kommunizieren sollte, um schnell gemeinsam auf neue Entwicklungen reagieren zu können. Die Rolle des Netzwerkmanagers ist daher nicht nur als administrative zu sehen, sondern auch und zuerst darin, in der Branche oder zwischen den Branchen Entwicklungstrends zu erkennen. Zur fachlichen Einordnung bedient er sich dann der Experten im Netzwerk.

Dass Netzwerke nicht nur Vorteile mit sich bringen, sondern zugleich auch mit einer Reihe von Kosten und Risiken verbunden sind, ist bekannt. Welche sind aus Ihrer Sicht die wesentlichen Risiken für das einzelne Unternehmen?

Im Vergleich zu den Vorteilen eines Netzwerkes wiegen die Risiken deutlich geringer. Wenn man überhaupt die Risiken betrachtet, so kann man darüber hinaus sagen, dass ein Netzwerk hilft Risiken zu minimieren, da durch den kooperativen Ansatz viele Akteure beteiligt sind, die die Fehlerquellen gemeinsam eher erkennen können und auch die Risiken auf viele Schultern verteilen. Die Herausforderung in solchen Netzwerken ist aus meiner Sicht, dass der Fokus nicht verloren geht, also der gemeinsam definierte Zweck des Netzwerkes. Hier muss sich das einzelne Unternehmen positionieren und seine Interessen klarmachen: Knowhow- Zugang, neue Anwendungen, Entwicklungspartner, Reputation steigern und vieles mehr. Es gilt dabei, das Ziel des Netzwerkes immer wieder kritisch zu hinterfragen und sich an Entwicklungen anzupassen. Wie in jeder Beziehung bedarf es viel Pflege und Kommunikation, damit das Netzwerk nicht auseinanderfällt.

Ihr Steinbeis-Unternehmen hilft nicht nur anderen Unternehmen Netzwerke aufzubauen und zu managen, sondern ist auch selbst aktives Mitglied in solchen Netzwerken. Provokant gefragt: Bei so viel Netzwerken – kommt man da noch zum Arbeiten?

Als Dienstleister ist das Netzwerken ja auch die Arbeit an sich. Diese Dienstleistung wird sehr gerne von Forschungs- und Entwicklungspartnern angenommen, da wir die fachliche Arbeit der Akteure koordinieren und sie in organisatorischen und administrativen Dingen entlasten. Hierfür haben wir das Motto „You do the research, we take care of the rest” kreiert. Netzwerken hat bei uns also viel mit dem Kümmern um die Zusammenarbeit, Themen gestalten, Fördermittel beantragen, Partnersuche unterstützen sowie Moderation und Organisation der Gruppe zu tun.

Nach wie vor sind wir ein großer Fan des Steinbeis-Verbundes. Die Zusammenarbeit mit Steinbeis-Kollegen lässt sich sehr schnell initiieren. Ich habe zum Beispiel in Tunesien mit drei Steinbeis-Unternehmen ein großes Beratungsprojekt innerhalb kurzer Zeit erfolgreich beantragen und realisieren können. Wir tauschen uns nach wie vor über neue Entwicklungen und mögliche gemeinsame Projekte aus. Die Koordination hat mir viel Freude gemacht; das ist sicher auch eine Typ-Frage, ob man gerne die Koordinierungsfunktion übernimmt. Momentan arbeite ich intensiv mit dem neuen Steinbeis-Beratungszentrum Ressourcenmanagement zusammen, um ein ZIM-Netzwerk für eine integrierte, technologieübergreifende Anwendung von Bioökonomie und den erneuerbaren Energien zu realisieren. Diese Kopplung verschiedener Wertschöpfungsketten wird absehbar die einzelnen Technologien marktfähiger machen. Mehr können wir momentan noch nicht verraten, aber das Netzwerk wird Unternehmen helfen, neue Anwendungsfelder zu erschließen.

Die „ökonomische Innovationsgeschwindigkeit“ hat rasant zugenommen, was einen Hyperwettbewerb zur Folge hat. Wie können Unternehmensnetzwerke ihre Mitglieder dabei unterstützen, den Herausforderungen auf nationaler wie internationaler Ebene gerecht zu werden?

Es ist für uns erkennbar, dass branchenübergreifende Arbeit an Bedeutung gewinnt. Die Chancen von solchen Technologie-Systemen, wie ich es mal nennen möchte, werden auch durch neue Geschäftsmodelle erschlossen. Die Netzwerke können die interdisziplinäre Zusammenarbeit maßgeblich fördern und neue Geschäftsmodelle für die Zusammenarbeit entwickeln. Hier wird aus meiner Sicht die Rolle des Netzwerkmanagements sogar erweitert. Die klassische Konstellation von Transferpartnern aus Wirtschaft und Forschung ist meistens branchenspezifisch. Das macht den branchenverbindenden Blick auf ein zusätzliches Feld von Akteuren notwendig. Dies wird, je nach Anwendungsbereich, national oder international zu lösen sein.

Beispielsweise haben wir bei Technologien zur ökologischen Nachhaltigkeit global einen Erfahrungsvorsprung. Netzwerke und damit die Netzwerkmanager können hier den internationalen Transfer der erarbeiteten Technologie-Systeme sicherstellen. Durch unsere, global betrachtet, gemäßigten Bedingungen, sowohl klimatisch als auch beim Bevölkerungswachstum, sind die Anwendungsfälle und Potenziale von Wissen und Technik vergleichsweise begrenzt. Andere Länder mit ihren klimatischen und sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen bieten hingegen weit mehr Marktpotenziale, die es im Blick zu halten gilt.

Kontakt

Frank Graage ist Leiter des Steinbeis- Forschungszentrums Technologie- Management Nordost. Das Steinbeis-Unternehmen bietet seinen Kunden das Management von EU-Forschungs- und Innovationsprojekten im Bereich Gesundheitswirtschaft, Biotechnologie, Umwelttechnologien und erneuerbare Energien, Beratung und Coaching zur Internationalisierung und zum Innovationsmanagement, Seminare und Schulungen zur EU-Antragstellung, Management und Verwertung von Forschungsergebnissen sowie Zugang zu Partnern durch das Enterprise Europe Network und dem Ostseeverbund ScanBalt.

Frank Graage
Steinbeis-Forschungszentrum Technologie-Management Nordost (Rostock)