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Zwei Welten, ein Ziel: Geschäftsführung und Juristen bauen gemeinsam eine Datentreuhand

Das FSTI-Team will das Vertrauen in datenbasierte Kooperationen erhöhen

Ob in der Industrie, im Handel oder im Dienstleistungssektor – datenbasierte Geschäftsmodelle gelten als Herzstück der digitalen Transformation und bieten enormes Potenzial. Voraussetzung dafür ist, dass die dafür notwendigen Daten zwischen verschiedenen Akteuren sicher, kontrolliert und effizient geteilt werden. In der Praxis zeigt sich jedoch häufig: Ohne klare Regeln und gemeinsame Strukturen bleibt dieses Potenzial ungenutzt. Im Forschungsprojekt KS-ROAD („Konzept für die Spezifikation rechtlicher und organisatorischer Aspekte für unterschiedliche Datentreuhandmodelle“) hat das Team am Ferdinand-Steinbeis-Institut (FSTI) untersucht, wie Datenkooperationen rechtssicher und zugleich praxisnah gestaltet werden können. Das Ergebnis ist ein Webtool, das wirtschaftliche Anforderungen in juristische Dokumente überführt. Damit werden Datentreuhandmodelle greifbar und können zielgerichtet sowie pragmatisch gestaltet werden – als Enabler für kooperative Wertschöpfung.

Prozess der automatisierten Übersetzung von Anforderungen an die Datentreuhand (Business-Input) in juristische Vertragsdokumente.

Datenübergreifende Geschäftsmodelle scheitern selten an der technischen Umsetzung, sondern meist an organisatorischen und rechtlichen Unsicherheiten. Fragen wie „Wem gehören die Daten?“, „Wer darf sie wofür nutzen?“ oder „Können sie weitergegeben oder kombiniert werden?“ blockieren Entwicklungen oft, noch bevor sie beginnen. Nicht selten finden Geschäftsführung und Rechtsabteilung keinen gemeinsamen Lösungsweg.

„Unser Forschungsprojekt zeigt, wie sich ein wachsendes Ökosystem mit mehreren Partnern durch ein klares rechtliches und organisatorisches Rahmenwerk absichern kann – durch eine Datentreuhand“, erläutert Projektleiter Dr. Patrick Weber. Das Konzept der Datentreuhand wurde entwickelt, um Vertrauen und klare Regeln im Datenaustausch zu schaffen. Sie fungiert als neutrale Instanz zwischen Datengebern und -nutzern und ermöglicht dadurch Sicherheit, Kooperation und nachhaltige Wertschöpfung in Datenökosystemen. Sie regelt Datenhoheit, Nutzungsrechte, Weiterverarbeitung und Governance – abgestimmt auf die jeweiligen Geschäftsmodelle.

Die Datentreuhand in der Praxis

Wie können Unternehmen nun konkret mithilfe einer Datentreuhand datenbasierte Innovationen rechtskonform und kooperativ umsetzen? Das macht das FSTI-Team in einem Praxisbeispiel deutlich: In einem industriellen Logistikökosystem arbeiteten mehrere Partner gemeinsam an der digitalen Vernetzung von Materialflüssen. Ziel war es, durch den Einsatz von Datentreuhandstrukturen Transparenz über Warenbewegungen zu schaffen und gleichzeitig sensible Unternehmensdaten zu schützen. Im Prozess zeigte sich, dass insbesondere die Abstimmung zwischen den beteiligten Unternehmen sowie die Klärung rechtlicher Verantwortlichkeiten zentrale Herausforderungen darstellten. Dabei gingen die Projektpartner schrittweise vor:

Die relevanten Anforderungen an eine Datentreuhand hat das Projektteam in einer Interviewreihe mit Expertinnen und Experten erhoben und anschließend zu spezifischen Funktionen einer Datentreuhand gebündelt. Dazu zählen unter anderem die Festlegung von Zugriffsrechten und Rollen im Ökosystem, die Balance von Einbringen und Nutzen zwischen den beteiligten Partnern sowie die Schaffung von Transparenz in der Datenerfassung. Im nächsten Schritt wurden diese Funktionen den entsprechenden rechtlichen Dokumenten zugeordnet.

Um die beteiligten Akteure bei der praktischen Umsetzung dieses Prozesses zu unterstützen, entstand am FSTI im Rahmen des KS-ROAD-Projekts ein Webtool. Es adressiert insbesondere den dritten Prozessschritt, in dem die erarbeiteten Anforderungen den passenden rechtlichen Dokumenten zugeordnet werden. Das Tool fungiert als Schnittstelle zwischen operativen und juristischen Teams: Juristinnen und Juristen können bestehende Vertragsvorlagen direkt in das System hochladen. Mithilfe eines Mistral Large Language Models (LLM) werden die zuvor definierten, projektspezifischen Anforderungen über einen vordefinierten Prompt automatisch mit den juristischen Dokumenten abgeglichen, um daraus einen ersten Entwurf der entsprechenden Vertragsdokumentation zu erstellen. Dadurch entsteht ein signifikanter Mehrwert: Rechtliche und organisatorische Aspekte lassen sich konsistent zusammenführen, der Abstimmungsaufwand wird reduziert und der Prozess der Vertragserstellung beschleunigt sich deutlich. Das Webtool schafft somit eine gemeinsame, datengetriebene Arbeitsgrundlage und ermöglicht die Entwicklung skalierbarer und rechtssicherer Geschäftsmodelle.

Ergebnis: Ein Datenraum, der Vertrauen schafft

In einem Illustrationsfilm veranschaulicht das FSTI das Ergebnis: Aus einem zuvor blockierten Datenfluss entsteht eine rechtssichere, gemeinsam gestaltete Lösung – verständlich nicht nur für Entwicklerinnen, Entwickler und Projektleitende, sondern auch für Juristen und Entscheidungsträger. So wird Datentreuhand zu einem Enabler der digitalen Transformation.


Illustrationsfilm:


Das Projekt KS-ROAD wird gefördert durch das Bundes­ministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt und kofinanziert von der Europäischen Union (NextGenerationEU).