Der Steinbeis-Dialog@Adlershof setzt sich mit den Fragen des Vertrauens und des kritischen Denkens auseinander
Die dritte Ausgabe des Steinbeis-Dialogs@Adlershof widmete sich einer der drängendsten Fragen unserer Zeit: Wie gestalten künstliche Intelligenz (KI) und datengestützte Innovationen die Geschäftswelt neu und warum ist ihr verantwortungsvoller Einsatz entscheidend für die Zukunft unserer Industrien? Die Veranstaltung, die am 4. Juni 2025 im Steinbeis-Haus Berlin-Adlershof stattfand, beleuchtete die Notwendigkeit eines menschenzentrierten Ansatzes in einer zunehmend technologiegetriebenen Ära und bot eine Plattform für tiefgehende Diskussionen und wertvolles Networking.
Der Steinbeis-Dialog@Adlershof verbindet Impulse von führenden Experten aus Politik, Forschung und Industrie mit einem offenen Mikrofon für einen inklusiven Dialog mit der Öffentlichkeit. Das schuf bei der bereits dritten Durchführung des Formats im Juni eine dynamische Umgebung für den Austausch über zentrale Themen wie Vertrauenswürdigkeit, technologischer Hype, Regulierung und konkrete Anwendungen von KI und Daten.
Impulsgebender Auftakt: Mensch oder Maschine?
Evita Milan, Innovationsmanagerin im Steinbeis Transfer-Hub Berlin, eröffnete die Veranstaltung mit einer brisanten Frage: „Was, wenn Ihre KI-Strategie Top-Talente vertreibt und den Ruf Ihres Unternehmens schädigt?“ Sie beleuchtete jüngste „AI-first“-Strategien, die die Befürchtung vieler Mitarbeitender bestätigen: KI ersetzt Menschen …
KI prägt unbestreitbar unsere Zukunft – doch eine schlecht umgesetzte KI-Strategie kann Nachwuchskräfte vertreiben und dem Ruf eines Unternehmens schaden. Der jüngste Fall bei Duolingo zeigt dies deutlich: Die Priorisierung der Automatisierung gegenüber menschlicher Zusammenarbeit führte zu öffentlicher Kritik und Vertrauensverlust. Das Beispiel zeigt, wie schnell „AI-first“ nach hinten losgehen kann. Tatsächlich geben mehr als die Hälfte der Unternehmen, die bereits Menschen durch KI ersetzt haben – etwa IBM, McDonald’s oder Klarna – inzwischen zu, dass diese Entlassungen und Strategien ein Fehler waren.
Jenseits technischer Risiken wie Halluzinationen und Deepfakes liegt die größte Gefahr in der Erosion des Vertrauens. Wahre Innovation bedeutet mehr als Effizienz: Sie erfordert Vertrauen durch Fairness, Datenrespekt und die aktive Einbindung der Mitarbeitenden. Genau diese menschzentrierte Perspektive stand im Fokus der folgenden Session.
Mensch im Mittelpunkt der Transformation
Diese Session wurde von Ela Kurtcu, Geschäftsführerin der Steinbeis School of Sustainable Innovation and Transformation GmbH, eröffnet. Mit über 15 Jahren Erfahrung in den Bereichen Corporate Sustainability und Transformation reflektierte sie, wie systemische Veränderungen im Zeitalter der KI gelingen können. Sie betonte, dass Menschzentrierung das zentrale Prinzip für die Entwicklung verantwortungsbewusster, datengestützter Industrien sein müsse. Der Wandel von Industrie 4.0 zu Industrie 5.0 markiere einen Paradigmenwechsel – weg von reiner Automatisierung, hin zu Nachhaltigkeit, Resilienz und menschlichem Wohlbefinden. Daten spielen dabei eine Schlüsselrolle, um Bedürfnisse besser zu verstehen und verantwortungsvolle Entscheidungen zu ermöglichen. Die ethischen Herausforderungen – Fairness, Zugang und Kontrolle – gilt es aktiv anzugehen, damit KI menschliche Kapazitäten schützt und erweitert.
Im weiteren Verlauf der Veranstaltung teilten Branchenexperten in inspirierenden Keynotes ihre vielfältigen Perspektiven auf die Integration von KI in die Praxis.
So brachte Roman Eckschlager, CEO mAInufaktur GmbH, mit seinem Ansatz „Human by design – AI as an enabler, not a replacement“ die praktische Perspektive ein. Für ihn gilt: „Ich wurde gefragt, was die größte Herausforderung in der KI ist und was gleichzeitig die Ermöglichung oder die Lösung sein wird. Und es ist irgendwie die gleiche Antwort: Es sind die Menschen! Wir sind die größte Herausforderung und auch die Lösung. Und was ist die Lösung, um Menschen zu befähigen, KI zu nutzen? Sie vertrauenswürdig und auch erklärbar zu machen.“ Er unterstrich weiter: „KI ist human by design.“ Unternehmen müssten lernen, mit der Maschine auf Augenhöhe zu kommunizieren, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Denn: Nicht KI ersetzt Menschen, sondern Menschen, die KI nutzen.
Jutta Juliane Meier, Gründerin & CEO Identity Valley Research gGmbH, ergänzte diese Sichtweise mit ihrer Keynote über eine digitale Welt, die auf Vertrauen und Verantwortung aufbaut. Ihre Vision: „Was das größte Risiko und die größten Chancen von KI angeht, so ist es wahrscheinlich dasselbe: Es ist Vertrauen. Es besteht ein enormes Risiko, nicht vertrauenswürdige Organisationen sowie Produkte und Dienstleistungen nicht identifizieren zu können. Und das ist auch die Chance, die wir lösen müssen und worauf wir hinarbeiten: die guten Akteure sichtbar zu machen und uns als Kunden und Entscheidungsträgern zu helfen, fundierte Entscheidungen im digitalen Raum zu treffen.“
Davide Mazzanti, CEO sykell GmbH, rundete die Diskussion mit einer praxisnahen Industrieperspektive ab. Er sprach über nachhaltige und digitale Logistikprozesse für die Lebensmittelindustrie und darüber hinaus. Entscheidend sei, dass die Lösungen mit den Unternehmenszielen – insbesondere Nachhaltigkeit – übereinstimmen. Er betonte: „KI ist für uns ein Enabler. Wir beschleunigen viele Operationen dank KI. Besonders in unserem Umfeld, wo wir finanziellen Erfolg mit Nachhaltigkeitserfolg verbinden, müssen wir sicherstellen, dass die Lösungen, die uns von der KI angeboten werden, definitiv im Einklang mit unseren Zielen stehen. Es ist also wichtig, dass wir Wege finden, um sicherzustellen, dass die Ergebnisse des gesamten Systems wirklich mit unseren Zielen übereinstimmen.“
Vertrauen und Menschlichkeit im KI-Zeitalter
Nach diesen spannenden Keynotes moderierten Frank Graage, Geschäftsführer der Steinbeis Wissens- und Technologietransfer GmbH, und Evita Milan eine lebendige Diskussion mit den Keynote-Sprechern und dem Publikum über verschiedene Aspekte der KI-Implementierung – von fachlicher Expertise bis hin zu Nachhaltigkeit.
Im Dialog mit den Teilnehmenden wurde die Bedeutung von Vertrauen – und gesunder Skepsis – durch ein kleines Vor-Ort-Experiment verdeutlicht. Die Moderatorin Evita Milan bat alle, über ein Tool nachzudenken, das viele von uns täglich nutzen: ChatGPT. „Wer vertraut dem Tool vollkommen?“, fragte sie. „Und wer fühlt sich eher dazu veranlasst, die Antworten zu überprüfen?“ Interessanterweise hob niemand die Hand für blindes Vertrauen. Die einhellige Reaktion war: „Vertrauen, aber überprüfen.“ Diese Haltung sagt viel über das aktuelle Verhältnis zwischen Mensch und KI aus: Obwohl diese Werkzeuge mächtig sind und immer stärker in unseren Alltag integriert werden, erkennen die meisten Menschen instinktiv die Notwendigkeit von kritischem Denken und Kontrolle.
Dieser Moment unterstrich eine zentrale Botschaft der Veranstaltung: Die Zukunft mit KI zu gestalten bedeutet nicht nur technologische Innovation, sondern eine Kultur zu fördern, in der Vertrauen verdient und nicht einfach vorausgesetzt wird – und in der das menschliche Urteilsvermögen immer im Mittelpunkt steht, ganz gleich, wie fortschrittlich die Technologie wird.
Auf den Menschen kommt es an
Der durchgehende „rote Faden“ des dritten Steinbeis-Dialogs@Adlershof war unverkennbar: die zentrale Bedeutung von Vertrauen und Menschlichkeit in einer zunehmend von künstlicher Intelligenz und Daten getriebenen Industrielandschaft. Von der Eröffnungsfrage bis zu den abschließenden Branchenperspektiven zog sich die Erkenntnis, dass technologische Fortschritte nur dann nachhaltig erfolgreich sein können, wenn sie den Menschen in den Mittelpunkt stellen und auf einer soliden Vertrauensbasis aufbauen.
Die Quintessenz des Dialogs war klar: Die Zukunft der datengestützten Industrie ist nicht nur eine Frage der Technologie, sondern vor allem eine der menschlichen Gestaltung und des Vertrauensaufbaus. Nur wenn wir KI als Werkzeug begreifen, das unsere Fähigkeiten erweitert und unsere Werte widerspiegelt, können wir ihr volles Potenzial verantwortungsvoll entfalten.