Im Projekt efeuCampus werden die Waren- und Abfallströme eines typischen Stadtquartiers an zentraler Stelle gebündelt und automatisiert verteilt bzw. gesammelt. Dadurch gibt es weniger Abgase, Staub und Lärm – die Straßen werden weniger befahren. © Stadt Bruchsal

„Multimodale Verkehrslösungen gewinnen immer mehr an Bedeutung“

Im Gespräch mit Professor Dr. Peter Neugebauer, Leiter des Steinbeis-Transferzentrums Automotive Testing und Professor für Fahrzeugelektronik an der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft

Wie ein Fahrzeug vor Hacker-Angriffen geschützt werden kann und wie die Zukunft der Mobilität aussehen wird, das sind die Themen, mit denen sich Professor Dr. Peter Neugebauer am Steinbeis-Transferzentrum Automotive Testing beschäftigt. Auch der nachhaltige Aspekt der Mobilität spielt in seiner Forschung eine wichtige Rolle. Über diese und andere Mobilitätsfragen hat er mit TRANSFER gesprochen.

Herr Professor Neugebauer, das Thema Mobilität ist sehr facettenreich. Welche Aspekte finden Sie besonders interessant und wichtig?

Unser Institut für Energieeffiziente Mobilität an der Hochschule Karlsruhe beschäftigt sich derzeit vor allem mit zwei Aspekten: zum einen mit der Fahrzeug-Security, zum anderen mit urbaner Güterlogistik. Unter Security verstehen wir „Daten- und Systemsicherheit“, also etwa die Frage, wie sicher die Elektronik im Fahrzeug vor einem Hacker-Angriff ist. Mit dem „BroadR-Reach-Standard“ kommt demnächst Ethernet- Technologie in Fahrzeugen zum Einsatz. Wir alle wissen um die vielfältigen Hacker-Angriffe im Internet – das ebenfalls auf der Ethernet- Technologie basiert. Unsere Forschung beschäftigt sich damit, ähnliche Angriffe auf das Fahrzeug verhindern zu helfen.

Unter der Überschrift „Urbane Güterlogistik“ forschen wir, wie die letzten 100m des Güterverkehrs zukünftig „intelligent“ gestaltet werden können. Aufgrund des starken Wachstums von Online-Shops wächst auch der damit verbundene Warenverkehr. Wir beschäftigen uns damit, wie dieser Verteilverkehr in typischen Siedlungsgebieten gebündelt und auf ein Minimum reduziert werden kann.

Eine nachhaltige Mobilität gewinnt immer mehr an Bedeutung. Welchen Beitrag kann die von Ihnen beschriebene Mobilitätslösung zur Nachhaltigkeit leisten?

Wenn man den Güterverkehr für ein ganzes Wohngebiet an einer Stelle – wir nennen das einen „Hub“ – bündelt, müssen nicht mehr verschiedene Paketdienstleister jedes Haus anfahren, sondern geben ihre Pakete alle an diesem Hub ab. Von dort werden die Pakete dann automatisiert nach Anforderung der Empfänger zugestellt. Der Müll verlässt das Gebiet ebenfalls über den Hub: Er wird dort zentral gesammelt und dann durch den Entsorgungsbetrieb abgeholt. Im Wohngebiet nehmen Lärm, Staub und Abgase ab – die Straßen werden weniger befahren. Dieses Projekt – efeuCampus – ist durch die Landesregierung Baden-Württembergs als Leuchtturmprojekt ausgezeichnet worden und wird mit europäischen Geldern gefördert.

Kein Lebensbereich scheint von der Digitalisierung ausgelassen. Welche Veränderungen hat diese in der Mobilität bereits hervorgerufen, welche stehen noch an?

Neben technischen Veränderungen sind hier sicher auch Veränderungen in unserem eigenen Verhalten und auch infrastrukturelle Aspekte zu nennen. Wir informieren uns heute wie selbstverständlich über den Autobahnzustand, die Fahrpläne von Bahnen und Bussen, die Spritpreise oder auch die Highlights unseres nächsten Reiseziels digital im Internet. Wer hätte vor wenigen Jahren gedacht, dass viele von uns ständig einen kleinen Computer in Form eines Tablets oder Smartphones mit sich herumtragen und darüber mit der ganzen Welt vernetzt sind? Das erschließt – gerade auch in der Mobilität – natürlich ganz neue Möglichkeiten für Dienstleistungen rund ums Reisen oder um das Fahrzeug selber.

Ich glaube, die nächsten Veränderungen werden auf Basis des „Internet der Dinge“ stattfinden: Verkehrszeichen und Verkehrsleiteinrichtungen werden mit unseren Fahrzeugen kommunizieren und Staus, Baustellen oder gefährliche Verkehrssituationen frühzeitig ankündigen. Das wird das Fahren sicherer machen und gleichzeitig den Weg für das automatisierte Fahren ebnen. Wenn aber eine Ampel meinem Auto das Signal „Rot“ übermitteln soll, dann muss diese Ampel mit zusätzlicher Elektronik als Intelligenz ausgestattet werden. Ich weiß nicht, wie viele Ampeln es in Deutschland gibt – aber alleine diese Umrüstungen dürften eine Art eigenes Konjunkturprogramm ergeben. Im Projekt „Testfeld autonomes Fahren“ in der Region Karlsruhe fangen wir in den nächsten Monaten zusammen mit unseren Partnern an, die Verkehrsinfrastruktur intelligent zu gestalten.

Das Zusammentreffen von aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen und neuen technologischen Entwicklungen spiegelt sich auch in der Mobilitätsbranche wider. Wie sieht Ihrer Meinung nach unsere industrielle Mobilitätszukunft aus?

An meinen Studenten sehe ich, dass sie Mobilität viel rationaler verstehen, als das in meiner Generation vielfach der Fall ist: Es geht ihnen darum, von A nach B zu kommen und die Zeit dabei möglichst sinnvoll zu verbringen. Dabei spielt dann in einer Stadt wie Karlsruhe das Fahrrad oft eine größere Rolle als das Auto. Wenn man daraus auf die Zukunft schließt, dann denke ich, dass der Besitz eines Autos immer weniger wichtig sein wird. Ich glaube, dass multimodale Verkehrslösungen – Lösungen, bei denen unterschiedliche Teilstrecken mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden – immer mehr an Bedeutung gewinnen. Das Gleiche gilt auch für Car-Sharing-Lösungen: Es ist schon heute wesentlich wirtschaftlicher, ein Auto nur bei Bedarf zu leihen und es nicht selber zu besitzen.

Autonome Fahrzeuge gibt es schon – in Industrieanlagen, Produktionsstätten und Lagern gehören sie zum Standard. Sie transportieren vor allem Güter und Waren. Von dort aus werden sie mehr und mehr auch unseren Alltag erobern – denken Sie nur an selbstfahrende Staubsauger oder Rasenmäher. Die ersten Fahrzeuge zur Personenbeförderung ohne menschlichen Fahrer gibt es auch schon, es sind meist Schienenfahrzeuge, die beispielsweise Flugreisende von Terminal zu Terminal bringen. Technik und Erfahrungen sind also schon da – und in einigen Jahren werden wir sicher auch das erste vollautonom fahrende Fahrzeug auf unseren Straßen sehen.

Kontakt

Prof. Dr. Peter Neugebauer ist Professor für Fahrzeugelektronik an der Hochschule Karlsruhe und Leiter des Steinbeis-Transferzentrums Automotive Testing an der Hochschule Karlsruhe. Das Angebot des Unternehmens umfasst den Aufbau und Betrieb von Hardware in the Loop (HiL)-Prüfständen, die Auslegung und Erstellung von Diagnose-Systemen sowie die Erstellung von Steuergeräte- Software, Prüfroutinen und Programmen für Steuergeräte.

Professor Dr. Peter Neugebauer
Steinbeis-Transferzentrum Automotive Testing (Reutlingen)