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Die Zukunft des Wasserstoffs ist grün

Ein Steinbeis-Team analysiert den Markt für Elektrolyseure

Wasserstoff gilt als einer der Energieträger der Zukunft. Bei seiner Gewinnung kommt aus wirtschaftlichen Gründen bisher fast ausschließlich fossile Energie zum Einsatz. Das Team des Steinbeis-Innovationszentrums energieplus untersucht im Forschungsvorhaben „H2-Quartiere“ im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, wie eine dezentrale und verbrauchernahe Wasserstoffproduktion durch Wasserelektrolyse (kurz: ELY) möglich ist. Sechs Vorzeigequartiere in Baden-Württemberg liefern den urbanen und suburbanen Kontext für die Umsetzung des Projekts zur Gewinnung des sogenannten „grünen Wasserstoffs“.

Mit einer Marktanalyse für Elektrolyseure hat das Steinbeis-Team die technisch-wirtschaftlichen Hürden dieser Form der Wasserstoffproduktion untersucht. Die Untersuchung basiert auf Betreiber- und Herstellerinterviews sowie vorliegenden Marktrecherchen. Die Ergebnisse geben einen Überblick über die aktuellen industriellen Produktionskapazitäten, Investitionskosten (CAPEX-Kosten), Wirkungsgrade, Stack-Temperaturen sowie Herausforderungen für Betreiber beim Vertrieb von grünem Wasserstoff.

Der ELY-Herstellermarkt zeigt charakteristische Merkmale eines jungen, wachsenden, tendenziell fragmentierten Marktes: Er umfasst eine hohe Anzahl an Herstellern, die Mehrheit von ihnen verfügt über vergleichsweise geringe Produktionskapazitäten und teilweise noch wenig Referenzen. Ursachen für die Fragmentierung liegen in der Regionalität und dem geringen Automationsgrad der Fertigung.

ELY: Produktionskapazitäten

Laut der nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) der Bundesregierung soll die elektrische Leistungsaufnahme von Elektrolyseuren, die ELY-Kapazität, in Deutschland von aktuell 70 Megawatt bis 2030 auf 10 Gigawatt erhöht werden – das bedeutet einen industriellen „Ramp-up“ mit Ausbaufaktor 140 in den nächsten acht Jahren. Die für die Marktanalyse befragten Hersteller gaben ihre Lieferkapazität 2022 mit 3 Gigawatt pro Jahr an. Hierbei handelt es sich um die elektrische Leistungsaufnahme von Elektrolyseuren, die in einem Jahr lieferbar wären. Sie soll bis 2025 auf 15-20 Gigawatt pro Jahr steigen. Selbst bei einem starken Anstieg der Nachfrage sollten auf der Angebotsseite damit keine Engpässe entstehen.

ELY: Kosten und Wirkungsgrad

Die CAPEX-Kosten liegen verfahrensübergreifend bei Großanlagen bei ungefähr 1.000 Euro pro Kilowatt elektrisch. Die Vergleichbarkeit ist teilweise allerdings fraglich, da im Hinblick auf die Balance of Plant (Anlagenperipherie; BoP) nicht alle Hersteller den gleichen Leistungsumfang anbieten. Die CAPEX-Kosten könnten außerdem wesentlich sinken, da Hersteller vermehrt den Ausbau zunehmend automatisierter Produktionslinien planen. Bei Proton-Exchange-Membrane-Elektrolyseuren (PEMEL) lag 2020 der Kostenanteil des BoP bei 55 % [IRENA, 2020]. Das Marktvolumen ist seitdem gestiegen, das Steinbeis-Team geht aber davon aus, dass auch hier durch Skaleneffekte weiterhin beachtliche Kostensenkungen erfolgen werden.

Der elektrische Wirkungsgrad bewegt sich bei allen untersuchten Produkten auf ähnlichem Niveau, wobei Solid-Oxide-Elektrolyseure (SOEL) aufgrund des prozessbedingten Wärmebedarfs nicht mitbetrachtet werden. Der Vergleich der Herstellerangaben ist jedoch schwierig, da es keine Norm oder Richtlinie gibt, die einen Standard definiert, unter welchen vergleichbaren Bedingungen der Wirkungsgrad zu ermitteln ist.

Durch Abwärmenutzung kann der Gesamtwirkungsgrad deutlich gesteigert werden. Unter dem Aspekt der Stack-Temperatur sind alle gängigen Produkte geeignet, über ein Nahwärmenetz ein Bestands- oder Neubaugebiet mit Heizwärme zu versorgen. Ferner ist die Stack-Temperatur der meisten alkalischen Elektrolyseure mit durchschnittlich 76 °C theoretisch hoch genug, um auch eine Trinkwarmwasserversorgung zu ermöglichen. In der Praxis zeigen sich jedoch Hürden, die eine Abwärmenutzung erschweren: Bei Containeranlagen werden häufig kompakte Wärmeübertrager mit kleinen Übertragungsflächen und dementsprechend hohen Grädigkeiten eingesetzt, was äußerst niedrige Eintrittstemperaturen auf Seite des Kühlmediums erfordert. Beim Einsatz einer Wärmepumpe ist diese Eintrittstemperatur für die Verdampfungstemperatur des Kältemittels entscheidend. Um eine hohe Effizienz beziehungsweise Leistungszahl der Wärmepumpe zu gewährleisten, wären größere Wärmeübertrager und höhere Eintrittstemperaturen von Vorteil.

ELY: Leistung und Förderung

Öffentlich bekannt sind aktuell dreizehn Elektrolyseanlagen, die in Deutschland mit einer Leistungsaufnahme über 1 Megawatt im Betrieb sind (Stand 2022). Sie verfügen in Summe über eine Kapazität von 70 Megawatt. Von sieben interviewten Elektrolysebetreibern und -eigentümern beanstanden zwei die fehlende Normung beim Stack-Markt. Es wäre aus ihrer Sicht vorteilhaft, wenn man beim Stack-Austausch nicht an den ursprünglichen Hersteller gebunden wäre. Es bestehen außerdem Zweifel, wie schnell Servicemonteure außereuropäischer Hersteller im Fall einer Betriebsstörung verfügbar sind.

Im Hinblick auf das politisch avisierte Scale-up bemängeln fünf von sieben Betreibern, dass es für weitere Investitionen nicht genug Abnehmer sowie keine ausreichende Nachfrage nach grünem Wasserstoff gibt. Dies zeigt sich auch bei den bisherigen Verwertungswegen von grünem Wasserstoff: Sechs von dreizehn Elektrolysegroßanlagen speisen ihren Wasserstoff bislang in das Erdgasnetz ein. Lediglich sechs liefern Wasserstoff an die Industrie. Aus volkswirtschaftlichen und ökologischen Gründen sollte grüner Wasserstoff vorwiegend in sonst schwer zu dekarbonisierenden Industrieprozessen eingesetzt werden [Agora Energiewende, 2021].

„Es bedarf schnell wirkender Umsetzungsstrategien und langfristig angelegter Förderinstrumente, um die Nachfrage nach grünem Wasserstoff zu erhöhen. Durch den Markthochlauf der P2G-Technologien und die Nutzung von Skaleneffekten ist zwar langfristig von einer wesentlichen Senkung der Investitionskosten auszugehen, entscheidend ist jedoch der zukünftige Preis des grünen Stroms und die erzielbaren Volllaststunden zur elektrolytischen Wasserstofferzeugung. Der Markthochlauf der Wasserstoffwirtschaft ist im europäischen Kontext zu entwickeln und fördern, damit werden ökonomische und geopolitische Vorteile gehoben“, empfiehlt Steinbeis-Unternehmer Professor Dr.-Ing. M. Norbert Fisch. Die Gestehungskosten werden bei Großanlagen größtenteils von den Betriebs- und Wartungskosten bestimmt, weshalb der Fokus auch auf andere Maßnahmen gelegt werden muss. Die CO2-Bepreisung ist aktuell noch zu niedrig, um einen signifikanten Effekt zu erzielen. Eine Nachschärfung und Erhöhung wäre hier notwendig. Wie in der NWS bereits festgelegt, plant die Bundesregierung den Einsatz von Carbon Contracts for Difference (CfD). Dabei übernimmt der Bund die Mehrkosten von Klimaschutzprojekten in der Stahl- und Chemieindustrie, die indirekt Anreize zur Wasserstofferzeugung liefern.

Hier soll auch die 2021 gegründete H2Global-Stiftung einen Beitrag leisten. Das Ziel der Kooperation privatwirtschaftlicher Unternehmen und des Bundes ist die Gründung einer börsenähnlichen Auktionsplattform für Wasserstoffprodukte, die sowohl die internationale Beschaffung als auch den Verkauf in Deutschland regeln soll. Die anfänglichen Preisunterschiede zwischen Beschaffung und Verkauf sollen dabei, vergleichbar mit dem CfD-Konzept, vom Bund übernommen werden. Ergänzend zu den vorherigen Maßnahmen wäre auch der Einsatz eines Quotensystems denkbar, das ausgewählte Industrien zu einem steigenden Einsatz von grünem Wasserstoff verpflichtet [e-mobil BW GmbH, 2022]. Ein solches System könnte die Wirksamkeit der bereits erwähnten Mechanismen erhöhen. Alle der genannten Maßnahmen bieten Synergieeffekte sowohl für die Klimaschutzziele Deutschlands als auch den Markthochlauf und sollten aus Sicht des Steinbeis-Teams mit Nachdruck weiterverfolgt werden.