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Was nicht zur Tat wird, hat keinen Wert

Wie sich eine expansive Unternehmensstrategie mit einheitlichen Unternehmenswerten in Einklang bringen lässt

Die CONRADYGRUPPE mit Sitz im baden-württembergischen Gottmadingen bündelt unter ihrem Dach mehrere Reinigungsunternehmen aus Süddeutschland und der Schweiz. Über 4.500 Mitarbeitende arbeiten im Unternehmensverbund und erwirtschaften über 100 Millionen Euro Jahresumsatz. Expansion gehört zu den wichtigen strategischen Zielen des Familienunternehmens, das heute in zweiter Generation von Thomas Conrady geführt wird. Damit die Integration aller Marken und Unternehmen in die CONRADYGRUPPE gelingt, ist Steinbeis-Expertin Ute Villing vom Steinbeis-Transfer-Institut Führungspsychologie, Personal- und Organisationsentwicklung mit in den Prozess einbezogen. Mit ihrer langjährigen Erfahrung und Expertise steht sie seit 2019 der Gruppe beratend zur Seite.

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Die COWA Service GmbH wurde 1965 von Felix Conrady in Singen gegründet und ist die älteste Marke der Gruppe. Das Unternehmen firmiert damals als Spezialbetrieb für Großraumpflege, doch Felix Conrady erkannte die Zeichen der Zeit und legte den Grundstein der heutigen CONRADYGRUPPE. Das Unternehmen fasst schnell Fuß in der Region und nur fünf Jahre später expandiert man in Süddeutschland und in der Schweiz und kooperiert mit Partnern in sechs europäischen Ländern. Eigene Pflegeprodukte und -verfahren sowie ein Qualitätsmesssystem setzen Standards. Seit 1991 ist COWA im Markt für Reinraumreinigung tätig, mit dem Kauf der Firma SHS gehört auch die anspruchsvolle Hotelreinigung zum Portfolio des Unternehmens. 2015 kommen die Firmen dias und GMC dazu, wodurch die Präsenz von COWA in Bayern und der Schweiz erheblich erweitert wird.

Alle unter einem Dach

Mit der Gründung der CONRADYGRUPPE im Jahr 2020 bekommen die Unternehmen COWA, dias, GMC und SHS ein gemeinsames Dach. 2021 findet das Unternehmen service-system aus Freiburg eine neue Heimat in der Unternehmensgruppe, 2022 folgt das Schweizer Unternehmen qualiServ. Seitdem ist die CONRADYGRUPPE flächendeckend in der Deutsch-Schweiz präsent. In der Unternehmensgruppe sind unterschiedlichste Kernkompetenzen und Erfahrungen gebündelt, man profitiert vom gemeinsamen Wissen, einer schlanken Organisation und einem breiten Angebot. „Um die Zukunft unseres Unternehmens und die für die Gebäudereinigung so wichtige Präsenz direkt vor Ort zu sichern, wollen wir weiter wachsen“, erläutert Thomas Conrady seine Expansionsstrategie. „Wir sind uns bewusst, dass diese Strategie auch bedeutet, dass wir besonderes Augenmerk auf die Integration der verschiedenen Unternehmen und ihrer Mitarbeiter in unsere Gruppe legen müssen, damit über die Zeit bei allen das Gefühl der Zugehörigkeit entsteht.“

Beratungskompetenz aus dem Steinbeis-Verbund

Im Zuge dieser Entwicklung entscheidet sich Thomas Conrady für externe Unterstützung zum Thema Organisations- und Personalentwicklung bei der Integration der verschiedenen Unternehmen. Im Herbst 2019 kontaktiert er Steinbeis-Unternehmerin Ute Villing, die im Austausch mit dem Geschäftsleitungsteam ein Konzept für die Weiterentwicklung der Organisation unter Einbeziehung verschiedener Mitarbeitergruppen entwirft. Auch wenn die Pandemie für Verzögerungen sorgt, startet Ute Villing mit dem Projekt. Sie nimmt an Veranstaltungen teil, um die Organisationen und Menschen kennenzulernen, moderiert Workshops und ist Sparringspartner für Thomas Conrady und das Geschäftsleitungsteam der CONRADYGRUPPE. Und weil es zu ihrem Anspruch gehört, sich die Arbeit ihrer Kunden in allen Ebenen vorstellen zu können, läuft sie auch mal einen Tag mit einem Reinigungsteam mit und reinigt in Unternehmen und Schulen. „Nur so kann ich beurteilen, welche Unterstützung die Mitarbeiter vor Ort wirklich benötigen“, begründet Ute Villing ihre Motivation.

Ausbau der Personalentwicklung

Ein entscheidender Faktor für die stark expandierende Unternehmensgruppe ist der Aufbau einer strukturierten Personalentwicklung mit dem Ziel, den Ausbildungsstand zu halten, besser noch zu erhöhen. Um den Mitarbeitenden weiterhin Entwicklungsperspektiven zu bieten und damit auch dem Fachkräftemangel begegnen zu können, werden viele Fach- und Führungskräfte aus den eigenen Reihen entwickelt und gefördert: Viele Beispiele in der CONRADYGRUPPE zeigen, wie sich Mitarbeiter, die mi wenig Kenntnissen der deutschen Sprache oder fehlendem Know-how im Unternehmen angefangen haben, zu Führungskräften entwickelt haben. Im Bereich Personalentwicklung plante Ute Villing mit Thomas Conrady und dem Führungsteam die ersten Schritte und begleitete Personalleiter Daniel Kramer bei der Einführung der Mitarbeiterentwicklungsgespräche. Aktuell wird dieses System in der gesamten Gruppe eingeführt. Am Aufbau eines Weiterbildungsprogramms, zu dem Module wie Führungskräfteentwicklung, Führungspsychologie und ein Train-the-Trainer-Programm gehören, wird bereits gearbeitet. Auch hier unterstützt Ute Villing bei der Konzeptionierung und wird Teile davon als Trainerin übernehmen.

Gemeinsamer Wertekanon als Leitlinie

Für eine erfolgreiche Integration der verschiedenen Unternehmen unter ein gemeinsames Dach ist es essenziell, das gleiche Werteverständnis zu haben und diese Werte erlebbar zu machen. Natürlich gab es schon bei der Gründung der COWA eine gemeinsame Vision, eine Philosophie und eine Kultur, die im Unternehmen geteilt und gelebt wurden. Doch Wachstum bedeutet auch Veränderung in der Organisation, der Kommunikation, der regionalen Ausdehnung und nicht zuletzt in den Führungsstrukturen. Innerhalb der letzten drei Jahre sind 90 % der Führungskräfte in den Zentralen Services der Gruppe neu dazugekommen. Das Ziel von Thomas Conrady: Die Unternehmensgruppe als Gemeinschaft für alle Führungskräfte, Mitarbeitenden und Kunden spürbar werden zu lassen. „Werte sind heute noch wichtiger als damals. Auf dem Markt herrscht ein starker Verdrängungswettbewerb, Fachkräfte sind Mangelware und der Kunde möchte den Mehrwert, den er von uns bekommt, spüren und erleben. Deshalb muss unsere DNA nach innen und nach außen erkennbar sein.“

Kulturelle Integration als Erfolgsfaktor

Das bedeutet, bei den Firmenübernahmen auf den sogenannten „Cultural Fit“ zu schauen. Da Kundenbindung im Servicegeschäft vor allem über die Menschen vor Ort, also Teamleiter, Kundenbetreuer, Service Center Leiter, geprägt und gesichert wird, ist es gut, die handelnden Personen zu kennen – bei Schönwetterlagen, aber auch im Sturm. Das ist im Grunde nichts anderes als ein Assessment bei der Einstellung eines neuen Mitarbeiters. Bei einem Firmenkauf gilt es, die Schlüsselpersonen einer entsprechenden Einschätzung zu unterziehen. Das ist in der Verhandlungsphase nicht einfach und hier ist oft der Wunsch der Vater des Gedankens. Die nächste Herausforderung ist die kulturelle Integration bei der Zusammenführung von Organisationstrukturen. Das setzt voraus, dass klar, offen und transparent kommuniziert wird und man sich die Zeit für eine umfangreiche Analyse gibt. Wichtig ist, die Zeitvorgaben einzuhalten und nicht das Blaue vom Himmel zu versprechen, damit der Prozess glaubwürdig und für alle verlässlich bleibt. Es geht darum, sich auf einen gemeinsamen Nenner zu verständigen, einen Wertekanon, der allen Beteiligten die Möglichkeit gibt sich damit zu identifizieren.

Unternehmenswerte – halten, was man verspricht

Und wie es sich für ein Unternehmen, das etwas auf sich hält, gehört, wurden die Werte in einem gemeinsamen Prozess entwickelt, niedergeschrieben und in verschiedensten Formaten im gesamten Verbund kommuniziert. Das kennt man, denn diese Vorgehensweise ähnelt sich in der Regel weitgehend. Und doch gibt es in der CONRADYGRUPPE einen Unterschied, den man spüren kann. Hier verschwindet das Thema nicht in der Schublade, sondern die Werte werden zum einen theoretisch erfahrbar durch eine Wertebroschüre und Video-Statements zu den einzelnen Werten mit praktischen Beispielen. Zum anderen macht man die Werte praktisch erfahrbar durch gemeinsame Aktionen über regionale Grenzen und Firmengrenzen hinweg: bei Messeauftritten, bei Projektstarts, bei Workshops zu Themen des Alltags oder der Zukunft. Und die Werte werden von allen gelebt. Kommunikation auf allen Ebenen ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Integration. Das gehört zum Selbstverständnis des kompletten Führungsteams, denn neben der Expansion ist auch die kulturelle Vielfalt eine der täglichen Herausforderungen, damit über 50 Nationen gut, tolerant, offen und respektvoll miteinander arbeiten.

Thomas Conrady ergänzt: „Eine Unternehmenskultur ist lebendig und für unseren Fall bedeutet das: Mehr als 50 % der Mitarbeiterstärke und des Umsatzvolumens der CONRADYGRUPPE wird durch hinzugekommene Unternehmen bestimmt. Dass bestehende Unternehmenswerte ergänzt oder leicht modifiziert werden, liegt in der Natur der Sache. Doch die fundamentale Unternehmenskultur darf nicht in Frage gestellt werden: Wir wollen begeistern, wir wollen uns weiterentwickeln und wir bleiben rechtschaffen. Wir sind achtsam und tolerant gegenüber Kollegen und Kunden – weil wir uns vertrauen.“