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Learn4U: Passgenau fürs lebenslange Lernen gerüstet

Steinbeis-Team systematisiert die Kompetenzentwicklung in Unternehmen

Die personalisierte Kompetenzentwicklung von Lernenden gilt zunehmend als hehres Ziel des Bildungswesens und als einer der entscheidenden Ansätze, das lebenslange Lernen für jeden Menschen attraktiv zu gestalten, um in zunehmend komplexen und dynamischen Arbeits- und Lebenssituationen kreativ handlungsfähig zu bleiben. Die Gestaltung, Analyse und Unterstützung individuell variierender Lernprozesse für einen personalisierten Aufbau relevanter Kompetenzen hingegen gestaltet sich bislang häufig aufwendig, intransparent und wenig effizient. Das Steinbeis-Innovationszentrum Innovation Engineering hat sich im Projekt Learn4U damit beschäftigt, wie Unternehmen und Mitarbeiter für die Anforderungen des lebenslangen Lernens gerüstet werden können und was ihnen Orientierung in der Vielfalt der Weiterbildungsthemen bietet.

Gerade für Jugendliche oder junge Erwachsene ist die Flexibilität beim Wissenserwerb von entscheidender Bedeutung, um in der schnelllebigen, digitalen Welt dauerhaft am Arbeitsmarkt attraktiv zu bleiben, wie die Studie des Stifterverbands „Future Skills 2020“ herausfand. Um diesen wachsenden Herausforderungen beim Kompetenzerwerb auch im unternehmerischen Umfeld wirksam zu begegnen, gilt es Lernprozesse (sogenanntes Corporate Learning) so zu gestalten und operativ aufzusetzen, dass sie die Handlungskompetenzen der Mitarbeiter gezielt stärken: auf der Ebene der fachlichen Hard Skills ebenso wie auf der der überfachlichen Soft Skills. In der unternehmerischen Praxis zeigen sich dabei aktuell folgende Herausforderungen:

In vielen der existierenden Lernplattformen steckt implizit die Erwartung, dass Technologien wie künstliche Intelligenz die Lösung aller Probleme bieten – etwa durch einen Abgleich von Nachfrage und Angebot bei Lerninhalten (Matchmaking). Dass dies zu einfach gedacht ist, weiß Professor Dr.-Ing. Günther Würtz, Steinbeis-Unternehmer am Steinbeis-Innovationszentrum Innova­tion Engineering: „Was wir im Projekt Learn4U bisher herausgefunden haben, ist, dass die Herausforderung darin besteht, den unternehmensspezifischen aktuellen und zukünftigen Kompetenzbedarf klar und eindeutig zu formulieren, Handlungsanforderungen für die Auswahl und Durchführung von Qualifizierungen der Mitarbeiter abzuleiten und auf dieser Basis Lernerfolg messbar zu machen.“ In der Praxis ist jedoch die systematische Planung, Durchführung und das Controlling von Weiterbildung viel zu oft eine „Black Box“, die nur unzureichend beherrscht wird.

Passgenaues Lernen mit Learn4U
Die Personalisierung von Produkten und Dienstleistungen hat sich in den letzten Jahren auch im privaten Alltag fest etabliert: Produkte können vom Kunden individuell nach seinen Vorstellungen gestaltet werden und die Unternehmen sind in der Lage, diese kostengünstig zu produzieren. Dazu waren und sind neue Ansätze erforderlich, deren Übertragung auf das Produkt „personalisiertes Lernen“ den Kern des praxisorientierten Forschungsvorhabens Learn4U darstellt. Das Projekt wird aus Mitteln der Adolf-Leuze-Stiftung finanziell und ideell gefördert. Bei Learn4U geht es darum, mittels etablierter Methoden und insbesondere definierter Prozesse individuelle Anforderungen des Unternehmens und seiner Mitarbeiter übergreifend und systematisch zu verstehen, die Potenziale zu bewerten und diese in eine operative Umsetzung zu bringen. „Dies gelingt einerseits durch die Kombination von Methoden des Engineerings und Komplexitätsmanagements und andererseits mit Methoden des Human-Centered Design und der agilen Entwicklung“, erklärt Günther Würtz. Wesentliche Ansätze des Engineerings sind beispielsweise das klassische Anforderungsmanagement (Requirements Engineering) als Grundlage für Produktentwicklungen sowie schlanke und agile Prozesse in Verbindung mit anerkannten Bewertungskennzahlen des Prozessmanagements (zum Beispiel die Balanced Score­card). Im nutzerorientierten Design kommen spezifisch erstellte Nutzerprofile (wie Personas), nutzerspezifische Anforderungen (wie Reframing) und moderne Formen der Lösungsfindung (wie Design Thinking) zum Einsatz. Durch das Zusammenspiel beider Methoden im personalisierten Lernen können die spezifischen Kompetenzbedarfe des Unternehmens und die individuellen Fähigkeiten (Skills) der Mitarbeiter in Übereinstimmung gebracht werden.

Prozessmodell des personalisierten Lernens
Im Projekt Learn4U kommt das Prozessmodell des personalisierten Lernens zum Einsatz. Zu dessen wesentlichen Merkmalen gehört unter anderem die Definition eines neuen Prozesses „Anforderungsentwicklung“: Damit wird die Grundlage für die Schließung der Lücke („skill gap“) zwischen Kompetenznachfrage und Bildungsangebot insbesondere hinsichtlich der zukünftigen Skills geschlossen. Auch die strukturierte Abbildung der bestehenden Weiterbildungsaktivitäten in Form von Prozessen spielt eine große Rolle, um diese dadurch verzielbar (Management) und steuerbar (Controlling) zu gestalten:

Des Weiteren sollen „Matching Points“ an den Schnittstellen der Prozesse identifiziert werden, um fehlerhaften beziehungsweise unvollständigen Informationstransfer zu vermeiden.


Das Steinbeis-Innovationszentrum Innovation Engineering hat im Zuge des Projekts Learn4U drei Assessments zur Entwicklung eines Corporate Learning Systems, bestehend aus Prozessen, Werkzeugen und Lerntools, entwickelt, das die Grundlage für das personalisierte Lernen darstellt.

Assessment 1

Prozess „Ableitung der Wissensbedarfe aus den Unternehmens-/Projektzielen“: Auf der Basis einer Reifegradbewertung von Projekten oder des Geschäftsmodells werden methodengestützt Änderungsbedarfe in Produkten und Prozessen abgeleitet und diese mit zusätzlichen Kompetenzbedarfen gemappt. Daraus werden dann zusätzliche Wissensbedarfe abgeleitet und priorisiert.

Beispiel: Künftig digitale Services anbieten – unterschiedliche Kompetenzen in verschiedenen Aufgaben und Rollen benötigt.

Assessment 2

Prozess „Ableitung der Kompetenzanforderungen aus den Wissensbedarfen“: Auf der Basis von kontextspezifischen Zielaufgaben und Rollen werden anhand eines ausgewählten / vorhandenen Kompetenzmodells die „skill gaps“ auf Team- und Mitarbeiterebene identifiziert und daraus mithilfe von Selbst-/Fremdeinschätzungen die erforderlichen Lernbedarfe und deren Niveau abgeleitet sowie „Übergangspfade“ definiert.

Beispiel: Datenerfassung für digitale Services – wer muss was von Big Data wissen / können?

Assessment 3

Prozess „Ableitung der Lerninhalte/-formate aus den Kompetenzanforderungen“: Kompetenzbedarfe und Lernende werden geclustert (Lerntypen, Lernpersonas) und anhand dessen entsprechende Lernpfade (Lernformate, Lerneinheiten etc.) erstellt und gegebenenfalls mit bestehenden Kompetenzmodellen und Personalentwicklungskonzepten abgeglichen.

Beispiel: Lerneinheit „Grundlagen Big Data“: gleicher Lerninhalt über unterschiedliche Lernformate (z. B. Podcasts, Videos, etc.) individuell vermittelt