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Der Spagat zwischen Visionen und realen Rahmenbedingungen

Im Gespräch mit der Steinbeis-Beraterin Rita Strassburg

Den Weg in die Selbstständigkeit wagen oder doch eher nicht? Was braucht eine erfolgreiche Unternehmensgründung und was macht eine Gründerpersönlichkeit aus? Für alle, die sich mit diesen Fragen im Landkreis Konstanz auseinandersetzen, weiß Steinbeis-Beraterin Rita Strassburg Rat. Die TRANSFER hat sie getroffen und über Gründungen in Pandemiezeiten und die Rolle des Ökosystems für den Erfolg einer Gründung gesprochen.

Frau Strassburg, Sie bieten unter anderem Gründungsberatungen an. Wie hat die Corona-Pandemie das Gründungsgeschehen in Deutschland und im Landkreis Konstanz beeinflusst?

Deutschlandweit betrachtet sind die Gründungen im ersten Corona-Jahr 2020 gesunken. Allerdings war die Qualität der Gründungen laut dem Gründungsmonitor besonders gut. Das liegt daran, dass eher Menschen gegründet haben, die schon konkrete Gründungsvorstellungen hatten und diese dann gezielt umgesetzt haben. Für 2021 gibt es noch keine verlässlichen Zahlen. Es sieht aber so aus, dass die Kleingründungen weiterhin abgenommen haben, dafür aber die Gründung größerer Unternehmen und Nebenerwerbsgründungen gestiegen sind.

Im Landkreis Konstanz scheint das Gründungsgeschehen eher stabil geblieben zu sein. Das entspricht auch dem, was die Statistik für Baden-Württemberg sagt: Das Bundesland scheint beim Thema Gründungen besonders stark und aktiv zu sein.

Welche Rolle spielt die Einbettung in das spezifische Ökosystem der Region Konstanz für den Erfolg von Gründungen und Gründern?

Wenn ein Gründer am Anfang des Gründungsprozesses steht, also eine Idee hat und sich mit dem Gedanken zu gründen auseinandersetzt, hat er einen enormen Beratungs- und Informationsbedarf. Ein Ökosystem hilft Gründern dann am besten, wenn die unterstützenden Akteure und Organisationen gut zusammenwirken, wie beispielsweise Bildungs- und Fördereinrichtungen, Unternehmen, Investoren und politische Institutionen. Das Ökosystem der Region Konstanz ist gut aufgestellt, um Gründende zu unterstützen. Das Technologiezentrum Konstanz, kurz TZK, fördert zum Beispiel seit über 35 Jahren Gründer sowie junge Unternehmen, unter anderem unter der neuen Dachmarke für Gründende – Farm. Die Farm ist das Zentrum für Gründung, und bietet unter anderem das erste Zuhause für Neugründungen mit reduzierten Mieten. Dort kommt auch das Gründungsnetzwerk zusammen, bei dem alle gründungsrelevanten Vereine und Institutionen sich finden, zum Beispiel die Wirtschaftsförderung, Steinbeis, die IHK, die Handwerkskammer, Km1, etc. Dieses Netzwerk trifft sich regelmäßig, etwa alle vier bis sechs Wochen, und tauscht sich zu aktuellen Themen aus: Was ist aktuell gerade wichtig? Was sind die nächsten Schritte? Und natürlich finden sich in Konstanz eine Vielzahl von Beratungsangeboten oder Events, wie die Impuls-Reihe oder die Hackathons, die unter anderem von BioLAGO und cyberLAGO angeboten werden. Auf diese Weise haben die Gründer die Möglichkeit, ihr Geschäftsmodell oder ihre Geschäftsidee weiterzuentwickeln. Das Ökosystem für Gründer funktioniert in Konstanz sehr gut, wobei wir alle natürlich das Bestreben haben, unsere Unterstützung für Gründer weiter synergetisch auf- und auszubauen.

Mit welchen Dienstleistungen unterstützen Sie als Steinbeis-Beraterin Menschen auf dem Weg ins Unternehmertum?

Ich starte immer auf der persönlichen Ebene, es geht zuerst darum sich kennenzulernen. Mir liegen die Gründer sehr am Herzen: Ich freue mich, dass ich bestimmte Grundsteine bei deren Vorhaben legen, sie fachlich und emotional unterstützen kann und dass ich selbst dadurch am Puls der Entwicklung eines Business bleiben kann.

Nach dem Kennenlernen geht es darum, mehr über die Gründungsidee zu erfahren und festzustellen, in welcher Gründungsphase sich der Gründer gerade befindet. Erst danach kann ich den Gründer mit konkreten Angeboten und Informationen unterstützen: Wenn der Gründer ganz am Anfang ist, fangen wir damit an seine Geschäftsidee zu überprüfen und zu konkretisieren. Ist er schon weiter, unterstütze ich ihn bei der Entwicklung des Geschäftsmodells. Darüber hinaus biete ich auch die Entwicklung von Marketing- und Vertriebskonzepten oder auch die Erstellung des Businessplans und die Ausarbeitung einer Finanzplanung für die ersten Jahre mit Investitionsplanung, Ertrags- und Liquiditätsplanung an.

Die Geldfrage ist natürlich sehr wichtig. Hier helfe ich bei der Klärung von ersten Finanzierungsfragen und bei Gesprächen mit der Bank und zeige die Fördermöglichkeiten auf. Je nachdem, wie intensiv die einzelnen Themen beraten werden sollen, kommen aber auch andere Berater ins Spiel, die zum Beispiel auf Finanzierungsthemen oder Übernahme spezialisiert sind. Ich greife in solchen Fällen gerne auf den Steinbeis-Verbund zurück, da das Stein­beis-Netzwerk über zahlreiche Experten in verschiedenen Bereichen verfügt. Die Themen, bei denen ich in der Tiefe berate, sind Geschäftsmodellentwicklung und Vermarktung.

Welche Gründungsideen haben Sie am meisten beeindruckt?

Es gibt so viele interessante Projekte, es fällt mir schwer mich da zu entscheiden. Spontan fällt mir als erstes die ELENA-App ein, da sie ein großes soziales Problem mitlösen könnte: Es geht dabei um eine App gegen die Einsamkeit bei Senioren. Ihr Ziel besteht darin mit ganz einfachen digitalen Mitteln eine Lösung zu schaffen, wie Senioren mit ihren Angehörigen barrierefrei kommunizieren können. Im Grunde ist das wie ein kleiner virtueller Besuch. Und das finde ich wirklich eine ganz tolle Geschichte. Ein anderes Projekt ist der Sensor von Spinnax fürs Skateboarding. Dort können die Skater ihre Bewegungen aufzeichnen, damit dann trainieren und sich verbessern. Oder das Projekt Paopao: Hier geht es um Naturprodukte für Frauen in allen Lebensphasen. Das sind aber nur drei Ideen, die mir spontan eingefallen sind, aus vielen weiteren tollen Projekten.

Basierend auf Ihrer Erfahrung: Welche Eigenschaften und Kompetenzen sollte ein Gründer besitzen, um mit seinem Vorhaben Erfolg zu haben?

Ich denke, es braucht auf jeden Fall Unternehmergeist. Und als Gründer und Gründerin sollte man unbedingt einen starken Willen haben und an seine Idee glauben. Allerdings sollte das damit verbunden sein, dass man sich bewusst und objektiv mit seinen Rahmenbedingungen auseinandersetzt. Und was ich auch wichtig finde, ist, dass man für eine Beratung offen ist, da man sich schließlich nicht in allen Fragen auskennen kann. Auf der anderen Seite ist es auch notwendig, bei Ratschlägen differenzieren zu können. Eigentlich geht es bei einer Gründung um den Spagat zwischen „Visionen haben“ und „seine Möglichkeiten und Rahmenbedingungen einschätzen und zu nutzen“. Dieser Spagat ist zugegeben nicht einfach, ist aber für eine erfolgreiche Gründung unabdingbar.

Auch eine bestimmte Beharrlichkeit, Einsatzbereitschaft, Risikobereitschaft und Belastbarkeit sowie Resilienz zählen aus meiner Sicht zu den Eigenschaften für Gründende. Er oder sie sollte sich auf dem Gebiet, in dem gegründet wird, auskennen und geeignete berufliche Qualifikationen besitzen, aber auch kreativ sein. Und man darf das Verantwortungsbewusstsein – sich und anderen gegenüber – nicht vergessen.

Ich denke, es ist wichtig, eine Gründung positiv anzugehen, mit einem offenen Blick und einer permanenten Veränderungsbereitschaft: All das, was man sich vielleicht am Anfang vorstellt, muss nicht immer eintreten. Dann muss man vielleicht sein Modell ändern. Und was besonders wichtig ist: Auch Mut gehört dazu, man darf nicht zu viel Angst haben.


Das sagen die Gründer:

„Als Existenzgründerin steht man mit vielen Fragen alleine da. Daher hilft die individuell zugeschnittene Beratung, zum Beispiel durch die Exi-Gutscheine, enorm. Besonders hat mir die Unterstützung für einen soliden Businessplan sowie die Vernetzung der Steinbeis-Beraterin in Konstanz geholfen. Dadurch sind bereits viele Kontakte und Möglichkeiten für künftige Kooperationen entstanden. Als Jungunternehmen bleibt das Thema Förderung für mich natürlich weiterhin wichtig.“

Giovanna Ratini | Proximo-WSD UG | www.elena-app.de
Die ELENA-App ist eine barrierefreie App gegen die Einsamkeit von Senioren, die häufig weniger gut mit digitalen Medien umgehen können. Diese App bietet den Senioren eine direkte Kommunikation mit ihren Angehörigen oder Pflegekräften.

„Wir als junges Start-up sind mit der Zusammenarbeit mit Steinbeis sehr zufrieden. Wir hatten sehr kompetente Unterstützung in den unterschiedlichen Gründungsphasen durch zwei unterschiedlich aufgestellte Beraterinnen, die sich gut ergänzt und zusammengearbeitet haben. Das hat unseren Gründungsprozess deutlich beschleunigt und wir konnten dadurch etliche Fehler vermeiden. Was wir uns noch wünschen? Sehr schön wären Förderangebote für Jungunternehmen. Damit wir unsere PS noch schneller auf die Straße bringen.“

Marco und Isabel Bertiller | Spinnax GmbH & Co. KG | www.spinnax.com
Das Unternehmen stellt Sensoren für Skateboarder her, die Bewegungen von Skateboards erfassen können. Dazu gibt es eine App, mit der Skater ihre Aufzeichnungen sehen und teilen können.