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Instandhaltung vorhersehen: Industrie 4.0 macht’s möglich

Steinbeis-Team entwickelt Entscheidungstool für die Wirtschaftlichkeitsanalyse prädiktiver Instandhaltung

Tools der Industrie 4.0 bieten Betrieben Ansatzpunkte zur Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit und gleichzeitig zur Sicherung ihrer Zukunftsfähigkeit. Die Interoperabilität in der Produktion wird durch modernste Informations- und Kommunikationstechnologien erhöht, Innovationen in den Bereichen Sensorik, Cloud Services sowie künstliche Intelligenz haben produktions- sowie kundenprozessorientierte Innovationen zur Folge. Einsatzmöglichkeiten bieten sich insbesondere in der betrieblichen Instandhaltung – ein Schlüsselelement stellt die vorausschauende, prädiktive Instandhaltung dar. Doch wann lohnen sich Investitionen in diese Tools, insbesondere für KMU? Dieser Frage ist das Steinbeis-Innovationszentrum Saarbrücker Förderinstitut für Controlling-Innovationen (saar#cinnovation) nachgegangen.

Die prädiktive Instandhaltung entwickelt die zustandsbasierte Instandhaltung weiter: Während Letztere den Instandhaltungsbedarf durch turnusmäßige Inspektionen oder die kontinuierliche Überwachung durch den Maschinenbediener aus dem physischen Zustand eines Untersuchungsobjektes bestimmt, erweitert dies die prädiktive Instandhaltung durch die selbstständige Analyse von Maschinendaten zu Prognosen über den Abnutzungsverlauf. Damit lassen sich Instandhaltungszeitpunkte sowie -maßnahmen bedarfsorientiert optimal vorhersagen.

Herausforderungen für eine erfolgreiche Implementierung der prädiktiven Instandhaltung sind mitunter die zur Datenerfassung verwendete Sensorik der Zustandsüberwachung, die Strukturierung der erfassten Daten sowie die Methoden der Datenanalyse. Sensible Daten über den Maschinenzustand sowie das Maschinennutzungsverhalten müssen erfasst und in Echtzeit überwacht werden: So werden Messungen von Umgebungsbedingungen (Temperatur, Luftdruck oder -feuchtigkeit), Drehzahlbereichen, Schall, Temperaturen einzelner Komponenten oder Vibrationen herangezogen, um Anomalien vom Sollzustand festzustellen. Potenzielle Instandhaltungsmaßnahmen lassen sich so frühzeitig prognostizieren.

Zur Analyse der erfassten Daten lassen sich innovative Analyseverfahren und insbesondere künstliche Intelligenz einsetzen. Neben klassischen Prognosemodellen, die über physikalische Gesetzmäßigkeiten das Abnutzungsverhalten bestimmen, können algorithmengesteuerte Methoden, wie das maschinelle Lernen, zur Erkennung von Mustern in den Datensätzen eingesetzt werden und erforderliche Wartungen prognostizieren. Die Algorithmen müssen mit historischen Daten trainiert werden, dafür sind detaillierte Dokumentationen etwa zu Zeitpunkt und Art durchgeführter Instandhaltungsmaßnahmen notwendig. Der Einsatz von Methoden der künstlichen Intelligenz bringt viele Vorteile mit sich: Er ermöglicht eine holistische Betrachtung des Anlagenzustandes, potenzielle Störungen können frühzeitig erkannt und der optimale Zeitpunkt einer Maschinenwartung prognostiziert werden.

Weniger Kosten mit prädiktiver Instandhaltung

Die Instandhaltung ist ein zentraler Kostentreiber vieler Unternehmen. Vorausschauende Instandhaltungsstrategien können maßgeblich zur Kostenreduzierung beitragen. Durch den Einsatz prädiktiver Instandhaltung können die Funktionsfähigkeit von Maschinen und Anlagen gewährleistet und deren ungeplanter Ausfall vermieden werden. Dies kann zwar in begrenztem Umfang auch durch präventive Instandhaltung, also den regelmäßigen Austausch von Verschleißteilen, erreicht werden. Die prädiktive Instandhaltung ist aber meist wesentlich kostengünstiger, da der Abnutzungsvorrat von Maschinen- und Anlagenkomponenten optimal ausgenutzt und die Lebensdauer der Maschinen und Anlagen verlängert wird. Instandhaltungsmaßnahmen lassen sich dadurch flexibel je nach Auftragslage anpassen, sodass Stillstandszeiten minimiert werden.

EWIK-Tool unterstützt KMU bei der Entscheidungsfindung

KMU spüren verstärkten Handlungsdruck in Maßnahmen der Industrie 4.0 zu investieren und eine Implementierung prädiktiver Instandhaltungsstrategien verspricht ihnen eine Vielzahl an Vorteilen. Allerdings fühlen sich KMU bei der Entscheidung über Investitionen in Technik, die prädiktive Instandhaltung unterstützt, häufig überfordert.

Gründe hierfür sind etwa, dass sich deren Nutzen nicht immer einfach quantifizieren lässt oder es KMU bereits grundsätzlich an ausreichenden Planungsressourcen mangelt. Das führt oft dazu, dass notwendige Investitionen in prädiktive Instandhaltungslösungen unterbleiben und folglich die Wettbewerbsfähigkeit gefährdet wird. Ein Tool, um den Nutzen von Investitionen in Industrie 4.0-Anwendungen besser abschätzen zu können und Empfehlungen zu erhalten, in welchen Fällen sich welche Maßnahmen lohnen, wäre daher für KMU von hohem Wert.

Genau das ist Ziel des Forschungsprojekts „EWIK – Entscheidungstool zur Wirtschaftlichkeitsanalyse von Investitionen zur vorausschauenden, prädiktiven Instandhaltung bei saarländischen KMU“. Das Projekt wird aufgrund seiner betriebsübergreifenden Bedeutung vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr des Saarlandes gefördert und von einem interdisziplinären Expertenteam mit ökonomischer und technischer Expertise am Steinbeis-Inno­vationszentrum Saarbrücker Förderinstitut für Controlling-Innovationen (saar#cinnovation) umgesetzt.

Aktuell evaluiert das Projektteam empirisch Herausforderungen der Instandhaltung in KMU und konzipiert gemeinsam mit KMU Lösungsansätze zur Beurteilung von Investitionen in prädiktive Instandhaltungsmaßnahmen. Auf diese Weise können der Umsetzungsstand prädiktiver, sensorbasierter Instandhaltung, Bedarfe an Entscheidungsunterstützung bei entsprechenden Investitionsmaßnahmen sowie mögliche Zielkonflikte identifiziert werden. Die grundlegende Entscheidungsproblematik ist dabei ähnlich, ganz gleich ob es sich nun im konkreten Anwendungsfall beispielsweise um Bearbeitungsmaschinen oder Förderfahrzeuge handelt. Dadurch weist ein standardisiertes, jedoch individuell parametrierbares Tool hohen Anwendungsnutzen auf. Die Zusammenarbeit mit KMU stellt daneben eine methodische Fundierung und zugleich Anwendungsfreundlichkeit der Wirtschaftlich­keitsanalyse sicher.

Kontakt

Prof. Dr. Alexander Baumeister (Autor)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Innovationszentrum Saarbrücker Förderinstitut für Controlling-Innovationen (saar#cinnovation) (Saarbrücken)

Andreas Nagel (Autor)
Projektmitarbeiter
Steinbeis-Innovationszentrum Saarbrücker Förderinstitut für Controlling-Innovationen (saar#cinnovation) (Saarbrücken)

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