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KI für die nächste Generation der Tumordiagnostik

Ein Forschernetzwerk entwickelt eine KI-basierte Plattform zur Behandlungsunterstützung

Die genomische Krebsmedizin und Immuntherapie revolutionieren die Behandlung von Krebspatienten. Die US-amerikanischen Wissenschaftler Ralph Weissleder und Mikael Pittet prognostizieren, dass in Zukunft diagnostische und therapeutische Entscheidungen in der Onkologie im Wesentlichen auf der molekulargenetischen Tumoranalyse von Patienten im Rahmen der Präzisionsmedizin beruhen werden. Viele neue Krebsarten werden sich aufgrund dieser neuen Ansätze wohl zu chronischen Erkrankungen entwickeln. Tumorerkrankungen werden in Zukunft nicht nur nach ihrem Ort, sondern vielmehr nach ihrem genomischen Profil behandelt werden. Dazu ist es notwendig, das genomische Tumorprofil für jeden Patienten zu analysieren und in molekularen Tumorboards die Behandlung für jeden Fall individuell festzulegen. Steinbeis- Unternehmer Professor Dr. med. Dirk Hempel und sein Steinbeis-Transfer-Institut Klinische Hämatoonkologie sind Teil eines Netzwerks, das eine KI-basierte Plattform für virtuelle molekulare Tumorboards entwickelt, um genomische Daten mit Bildmaterial und klinischen Verläufen abzugleichen und so Entscheidungen für die geeignete Behandlung zu unterstützen.

Die Entwicklung der personalisierten Medizin ist so dynamisch, dass sie schnell Einzug in die Routineversorgung halten wird und daher breit verfügbar sein muss. Auch die Diagnostik wird schnell ein Niveau erreichen, das von einigen wenigen Spitzenzentren nicht mehr bewältigt werden kann. „Da die Expertenteams für die Durchführung von molekularen Tumorboards nicht an allen Kliniken vorhanden sind, streben wir ein breit verfügbares KI-basiertes Expertensystem an, das die virtuelle, webbasierte Durchführung von molekularen Tumorboards unterstützt, sogenannte Virtual Molecular Tumor Boards“, skizziert Dirk Hempel eines der Ziele des Netzwerks.

Die Herausforderung besteht darin, dass bei der genomischen Tumoranalyse extrem große Datenmengen (Big Data) generiert und ausgewertet werden müssen. Hinzu kommt, dass die behandelbaren individuellen Genveränderungen des Patienten in einer enormen Variantenvielfalt vorliegen und die Inzidenz von Treibermutationen, die als Angriffspunkte für spätere medikamentöse Interventionen dienen können, daher sehr gering ist.

Die Ziele von OnkoVision

Im Projekt OnkoVision entwickelt ein Forscherteam des Steinbeis-Transfer-Instituts Klinische Hämatoonkologie, des Fraunhofer-Instituts für Optronik in Karlsruhe (IOSB), des Helmholtz-Instituts München und der Technischen Universität München eine automatisierte Hightech-Unterstützungsplattform mit künstlicher Intelligenz. Die geplante Plattform unterscheidet sich grundlegend von allen derzeit im europäischen wie auch internationalen Umfeld verfügbaren Systemen. Das Projektnetzwerk hat vier zentrale Herausforderungen definiert, die Onko- Vision angehen will:

  1. Wie kommt man zu einer breiten genomischen Medizin?
  2. Wie können die enormen Datenmengen ausgewertet und mit den großen Datenbanken verglichen werden?
  3. Wie können molekulare Tumorboards landesweit implementiert werden?
  4. Wie können die enormen Daten der realen Welt für die onkologische Versorgungsforschung genutzt werden?

Die Funktionen von OnkoVision

OnkoVision befasst sich mit der Entwicklung und Erprobung von KI-Lösungen für die Verknüpfung von Genomik-Repositorien, einschließlich Datenbanken mit „omics-“ und gesundheitsbezogenen Daten, Biobanken und anderen Registern, mit dem Ziel, die klinische Forschung und Entscheidungsfindung zu unterstützen. Das Projekt verfolgt dabei das Ziel, diese Funktionen zu kombinieren:

  • Automatisierte Bilderkennung als Teil von radiologischen Schnittbildern wie CT / Kernspin und PET nach RECIST-Kriterien.
  • Matching-Funktion im Rahmen des automatisierten Abgleichs von patientenspezifischen molekularen Daten mit den ständig wachsenden internationalen molekularen Datenbanken.
  • Selbstlernfunktion, die auf Basis von selbstlernenden Algorithmen die genannten Funktionen kontinuierlich verbessert.
  • Mosaikerkennung in den gesammelten molekularen Daten sowie im Rahmen eines Abgleichs der klinischen Daten mit den molekularen Daten einschließlich der Bildgebung, die automatisierte Vorschläge für eine geeignete personalisierte Behandlung entwickelt.

Die Entwicklung der Plattform umfasst zwei Module. In Modul A soll im ersten Schritt eine Entscheidungsunterstützung im Rahmen von molekularen Tumorboards durch den Einsatz von KI-basierten Algorithmen ermöglicht werden. Molekularmedizinisches Fachwissen soll über die Plattform breit verfügbar werden und damit die Molekularmedizin als Grundlage für die Präzisionsmedizin nicht nur an wenigen Spitzenzentren, sondern auch in ländlichen Gebieten ermöglichen. Durch den Einsatz von KI soll das System selbstlernend sein und sich durch die kontinuierliche Interaktion mit medizinischen Experten verbessern. Als weitere Funktion soll das System durch die wachsende Datenmenge mit maschinellen Lernverfahren Forschungsfragen im Rahmen der Versorgungsforschung auf Basis von sogenannten Real-World-Daten beantworten.

Im zweiten Modul sollen das Aufspüren neuer molekularer Biomarker für Diagnose und Therapie möglich und schließlich Orphan Drugs für seltene Tumorerkrankungen auf Basis von Real-World-Daten zugelassen werden.

Der Ansatz der Plattform stellt eine neue Generation der Entscheidungsunterstützung dar und unterscheidet sich wesentlich von allen bisher verfügbaren Systemen. Unabdingbar für die optimale Nutzung des Systems ist, dass es selbstverständlich vernetzbar ist: Dies gilt nicht nur für die Vernetzung mit anderen Datenbanken, sondern auch für die Anwender. Der Nutzerkreis soll aus zertifizierten Tumorzentren im klinischen wie im ambulanten Bereich bestehen und zwar im weitesten Sinne, also nicht nur an einigen wenigen Spitzenzentren.

Kontakt

Prof. Dr. Med. Dirk Hempel (Autor)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Transfer-Institut Klinische Hämatoonkologie (Donauwörth)
www.sti-cho.com

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