„Wir brauchen einen Brückenschlag zwischen dem Grauen und dem Gelingen“

Im Gespräch mit Professor Dr. Torsten Schäfer, Steinbeis-Unternehmer und Experte für Nachhaltigkeits- und Klimakommunikation

Darüber, wie wichtig Nachhaltigkeit ist, herrscht ein breiter Konsens in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Doch auf hehre Worte sollten auch Taten folgen, die wiederum mit Worten bekanntgemacht werden: Die TRANSFER sprach mit dem Steinbeis-Experten Professor Dr. Torsten Schäfer über die Bedeutung der Kommunikation beim Erreichen von Nachhaltigkeitszielen, über Glaubwürdigkeit und Bevormundungsängste und darüber, was ein Donut mit Nachhaltigkeit zu tun hat.

Herr Professor Schäfer, zu den Schwerpunkten Ihrer Arbeit gehören die Nachhaltigkeits- und Klimakommunikation, was können sich unsere Leser darunter vorstellen?

Ich bin Professor für Journalismus und Textproduktion an der Hochschule Darmstadt und analysiere mit den Studierenden die Digitalisierung kritisch im Spiegel der Gesellschaft und vor allem auch im Kontext der Ökologie, der Nachhaltigkeit. Mein Handwerk ist einerseits, dass ich Stilistik, Storytelling, Recherche und Sprache vermittle, und andererseits die Lehre von Klimakommunikation und Klimajournalismus. Ich arbeite sehr interdisziplinär und veröffentliche relativ viele Vorträge und Publikationen. Natürlich geht es bei uns an der Fachhochschule auch um das Handwerk: Wie schreibe ich eine Reportage, ein Feature oder ein Essay im Kontext von Klima? Wir diskutieren Klima, Klimaschutz und Klimakommunikation auch als praktische Gestaltungsaufgabe und die nachhaltige Entwicklung als die ethische Normativität, den ethischen Kontext dahinter. Ich blogge zu Umweltjournalismus seit 13 Jahren und beobachte seit Langem die Entwicklung in diesem Bereich: Es hat sich eine Szene entwickelt, in der gerade viel in Sachen Klimakommunikation passiert. Eins ist dabei sehr wichtig: Wir müssen ein Ethos sowohl für die Kommunikation als auch den Journalismus etablieren, das Klimawandel, Klimaschutz, Klimakommunikation und dahinter die nachhaltige Entwicklung als universelle Werte, als Werterahmen aufspannt, der in jegliches Handeln Einzug halten sollte. Ich sage bewusst „sollte“, weil es hier um eine normative Begründung geht. Es geht darum zu verstehen, dass Nachhaltigkeit und Klimaschutz, vor allen Dingen aber auch Artenschutz, keine Einzelthemen mehr sind, sondern genuin in jeglicher Form von Wirtschaften, von Kommunizieren, von Gesellschaft die Priorität haben müssen.

Welche Rolle spielt die Kommunikation bei der Entwicklung und Umsetzung von Strategien für eine nachhaltige Wirtschaft und Gesellschaft?

Strategien für eine nachhaltige Wirtschaft und Gesellschaft sind ein sehr breites Feld. Die ökologische Kommunikation bildet die Grundlage dafür, dass die Gesellschaft die aktuelle ökologische Situation versteht, in der sie sich befindet: Im neuen Erdzeitalter Anthropozän, im sechsten großen Artensterben der Erdgeschichte. Politik und Wirtschaft haben die aktuelle Situation in ihrer Tragweite größtenteils immer noch nicht verinnerlicht, auch wenn sich einiges in Richtung Klimaschutz und Nachhaltigkeit bewegt. Medien und Kommunikation sind zwar essenziell, um diese Veränderungen zu verstehen, aber sie können die Veränderungen nicht auslösen, dafür braucht es andere Einflussfaktoren: zum Beispiel Vorbilder, Anreize, aber auch viel stärkere Gesetze und deutlich mehr Verbote. Wir müssen an anderen Stellen und viel früher ansetzen: bei der Bildung, an den Schulen, an neuen Lehrplänen. Deswegen ist Kommunikation sehr wichtig, aber sie ist nicht das Einzige.

Was macht Ihrer Meinung nach eine gelungene Kommunikation, insbesondere bei den Nachhaltigkeitsthemen, aus?

Für Unternehmen ist die ganzheitliche Betrachtung enorm wichtig, in der Kommunikation nach außen darf es kein Greenwashing geben. Das heißt, dass sich der ganze Prozess in einem Unternehmen – von der Produktionskette und den Ressourcen bis hin zum Marketing und zum Verkauf – ernsthaft an der Nachhaltigkeit orientieren sollte. Das Lieferkettengesetz zeigt bereits die Richtung auf, auch wenn die Ökologie darin viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommt. Nachhaltigkeit hat auch eine starke soziale Ader, es ist wichtig, woher die Ressourcen kommen, unter welchen Bedingungen sie beschafft werden. Ganz entscheidend für die Wirtschaft ist es, nicht mehr dem inzwischen veralteten Dreieck der Nachhaltigkeit zu folgen. Dieser stetige Gleichklang von Wirtschaft, Ökologie und Sozialem hat zu viel Greenwashing geführt und ist in der Forschung mittlerweile abgelöst. Wir sollten uns am Konzept der planetaren Grenzen orientieren, das von schwedischen Umweltforschern schon 2009 entwickelt wurde. Es zeigt, dass wir einen Erdrahmen haben, in dem wir leben und wirtschaften, und dass es eine klare Priorisierung von der Biosphäre, zur Soziosphäre und schließlich der Technosphäre gibt. Wir sollten uns dabei an dem Modell der Nachhaltigkeit der britischen Wissenschaftlerin Kate Raworth orientieren, das auch als Donut-Modell bezeichnet wird, weil es ringartig ist: Wir haben einen durch die begrenzten Ressourcen der Erde klar umrissenen Entwicklungsrahmen mit menschlichen Bedürfnissen, der sozialen Perspektive und der Perspektive der Wirtschaft.

In der Gesellschaft ist aus meiner Sicht die Angst vor der Bevormundung in Nachhaltigkeitsfragen groß, auch gerade in Deutschland. Dahinter steckt meiner Meinung nach ein falsches Verständnis von Liberalismus, dass Kommunikation nichts Edukatives oder Erzieherisches haben darf. Sicher, sie darf nicht zu streng, zu besserwisserisch werden. Aber ein Stück weit vorangehend und auch bildend darf und muss Kommunikation sein: Der erhobene Zeigefinger sollte nur nicht alleine dastehen, wir brauchen mehr gelingende Perspektiven, Erfolge, Vorbilder, mehr das Konstruktive in der Kommunikation. Jetzt kommt das große Aber: Die Gefahr im Journalismus wie auch in der Unternehmenskommunikation oder in der Wissenschaftskommunikation ist, dass wir nur noch nette, kleine, positive Geschichten machen. Was wir brauchen, ist ein Zweiklang, ein Brückenschlag zwischen dem Grauen und dem Gelingen. Zwischen der Zerstörung und der Schönheit. Zwischen dem, was verloren geht, und dem, was funktioniert.

Worauf sollten Unternehmen bei ihrer Nachhaltigkeits- und Klimakommunikation besonders achten?

Das Wichtigste ist Glaubwürdigkeit: Ich darf nur das kommunizieren, was hinter dem Vorhang wirklich passiert, und am besten sollte es gar keinen allzu großen Vorhang geben, sondern man ist sehr transparent. Natürlich muss es geschützte Räume geben, in denen Wissensvorsprünge und geschützte Kommunikation stattfinden. Trotzdem ist Transparenz etwas, was das Publikum, der Verbraucher stark einfordert. Die Authentizität, die Glaubwürdigkeit hängt ganz eng damit zusammen, wie nachhaltig ein Unternehmen wirtschaftet. Wenn es wie gesagt Greenwashing betreibt oder sich nur ein paar wenige Bereiche aussucht, in denen es nachhaltig ist, dann wird es schwierig glaubwürdig zu kommunizieren, weil das aufgeklärte Publikum das merkt. Was die Nachhaltigkeit und das Einkaufsverhalten angeht, ist in den letzten vier bis fünf Jahren eine kritische Verbraucherschaft entstanden. Ressourcen, Produktions- und Lieferketten, nachhaltiger Konsum sind ein großes Thema, auch wenn zum Beispiel nach wie vor unter 10 % aller deutschen Lebensmittel, die konsumiert werden, bio sind. Ein Unternehmen kann in wenigen Jahren nicht sämtliche Prozesse umstellen. Daher finde ich wichtig, den Kontext zu bewahren. Nehmen wir das Thema Elektromobilität: Solange nicht klar ist, woher der Strom dafür kommt, lassen wir einen ganz wichtigen Kontext aus. Dazu zählt auch die Frage, wie ich solche Autos zukünftig glaubwürdig mit anderen Materialien baue, seltene Erden ist dabei ein riesiges Thema. In der aktuellen Klimadebatte stehen wir jetzt an der Stelle, wo wir die Weichen stellen müssen: Wir lernen aktuell sehr viel über uns als Gesellschaft und auch über ökologische Zusammenhänge und wie schnell eine Gesellschaft aus den Fugen kippen kann. Und um das zu verstehen, ist es auch wichtig, die Debatte über Klima, Natur und Umwelt nicht immer nur auf die Technologie zu fokussieren.

Kontakt

Prof. Dr. Torsten Schäfer (Interviewpartner)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Beratungszentrum Nachhaltigkeitskommunikation und Sprachökologie an der Hochschule Darmstadt (Mühltal)

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