Ministerialdirektorin Grit Puchan (l.) überreicht die Urkunde zum Innovationspreis „Bioökonomie“ an Thomas Karle von der Agro Energie Hohenlohe (r.) Foto: Elke Lehnert

Ökologische Nährstoff­rückgewinnung aus der Landwirtschaft

Steinbeis-Experten tragen zur kreislauforientierten Bioökonomie bei

Die Frage einer wirtschaftlichen, praxistauglichen und ökologischen Weiterverwendung von Gülle und Gärresten aus der Landwirtschaft ist aktueller denn je. Die Agro Energie Hohenlohe GmbH & Co. KG suchte nach einer Lösung und so entstand in der Region Hohenlohe eine Anlage zur Verwertung von landwirtschaftlichen Reststoffen im Rahmen des europäischen Innovationsprojekts „Agriplus: Effizienzsteigerung im Ackerbau in Hohenlohe durch Nährstoffrückgewinnung aus Wirtschaftsdüngern“, die von der EU und dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg gefördert wird. Die Steinbeis 2i GmbH begleitet und koordiniert das Projekt von Anfang an. Sie sorgt für die Kommunikation und die Verbreitung der Ergebnisse und trägt damit zu einer kreislauforientierten Bioökonomie bei.

Die Ausbringung von Gülle und Gärresten in der Landwirtschaft ist eine gängige Lösung, um die Ackerböden mit wertvollen organischen Bestandteilen und notwendigen Nährstoffen zu versorgen. In Gegenden mit intensiver Tierhaltung wie der Region Hohenlohe fallen allerdings mehr Gülle und Gärreste an, als zur Deckung des Nährstoffbedarfs nötig sind. Deshalb müssen aus diesen Regionen die Reststoffe – die zu 90 % aus Wasser bestehen – über weite Entfernungen in andere Regionen mit stärkerem Düngerbedarf transportiert werden. Dies stellt die betroffenen Landwirte häufig vor ökonomische Herausforderungen und belastet die Umwelt. Zum Beispiel tritt bei der Auswaschung Nitrat ins Grundwasser oder es entstehen klimabelastende Lachgasemissionen.

Besseres Nährstoffmanagement – größere Effizienz im Ackerbau

Anlage zur energetischen Verwertung von landwirtschaftlichen Reststoffen bei der Agro Energie Hohenlohe GmbH & Co. KG

 

Die Agro Energie Hohenlohe GmbH & Co. KG griff diese Problematik auf und konzipierte ein Vorhaben, das auf eine Effizienzsteigerung im Ackerbau durch ein verbessertes Nährstoffmanagement abzielt. Die Steinbeis 2i GmbH hat den Antrag der Agro Energie Hohenlohe begleitet und im Jahr 2018 beim Regierungspräsidium Stuttgart eingereicht. Mit Erfolg: Das Projekt wird von Januar 2019 bis Dezember 2021 vom Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg im Rahmen der Europäischen Innovationspartnerschaft „Landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit“ (EIP AGRI) mit 1,3 Mio. Euro gefördert. Weitere Partner im Projekt sind die Öko-Agrar-Service GmbH, die BAG-Hohenlohe-Raiffeisen eG, die Universität Hohenheim, die Landwirte Kümmerer GbT, die Neff KG, Karlheinz Neff und und die Klaus u. Rosemarie Käppler GbR.

Um die stoffliche Umwandlung der Gülle und Gärreste zu gewährleisten, wurde eine Anlage in industriellem Maßstab in Füßbach, Hohenlohe gebaut, die die Verwandlung der Gülle und anderer Reststoffe aus der energetischen Verwertung (Gärreste) in einen organischen Bodenverbesserer und in Phosphor- und Stickstoffdünger ermöglicht. Diese innovativen Dünger können dann gezielt und effizient in der Landwirtschaft eingesetzt oder kostengünstig in Gebiete mit Nährstoffmangel transportiert werden. Die Projektpartner integrieren neben den technischen Aspekten auch die logistischen Ansätze des Gülletransports sowie der Herstellung und Vermarktung der Endprodukte. Die Universität Hohenheim hat das Projekt wissenschaftlich begleitet.

Anlage zur Gewinnung von Nährstoffen aus Gärresten und Gülle bei der Agro Energie Hohenlohe GmbH & Co. KG in Füßbach © Geltz Umwelttechnologie GmbH

 

Bereits im Sommer 2020 besichtigte der baden-württembergische Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Peter Hauk die Anlage in Füßbach und hob die Bedeutung von aktivem Nährstoffmanagement in der Landwirtschaft hervor: „Das Projekt Agriplus optimiert die Nährstoffkreisläufe zwischen der Tierhaltung und dem Pflanzenbau. Ein sehr intelligenter Ansatz, der einen erheblichen Beitrag zum Umweltschutz und zu mehr regionaler Wertschöpfung im Sinne einer kreislauforientierten Bioökonomie leisten kann“.

Ausgezeichnete Innovation

Ministerialdirektorin Grit Puchan (l.) überreicht die Urkunde zum Innovationspreis „Bioökonomie“ an Thomas Karle von der Agro Energie Hohenlohe (r.) Foto: Elke Lehnert

 

Umfangreiche Feldversuche in der Landwirtschaft haben bereits gezeigt, dass die aus Gülle und Gärresten gewonnenen Phosphor- und Stickstoffdünger und die organischen Bodenverbesserer eine vergleichbare Wirkung wie kommerzielle Dünger und humusbildende Produkte haben. In naher Zukunft werden weitere Feldversuche durchgeführt, um die Daten zu validieren und die Funktion der Anlage für mehrere Monate in kontinuierlichem Betrieb zu demonstrieren.

Für diese Lösung wurde die Agro Energie Hohenlohe GmbH & Co. KG im November 2020 mit dem Preis im Rahmen des ersten Ideenwettbewerbs „Bioökonomie“ Baden-Württemberg von Landwirtschaftsminister Peter Hauk ausgezeichnet. Der Wettbewerb honoriert Innovationen entlang der Agrar- und Forstwertschöpfungsketten. Die Auswahl der fünf Preisträger erfolgte durch eine Expertenjury aus verschiedenen Fachbereichen. Die Preisträger erhielten jeweils ein Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro.

Das Projekt steht für die Schaffung einer nachhaltigen Landwirtschaft in Baden-Württemberg und zeigt exemplarisch, wie Nährstoffkreisläufe zwischen Tierhaltung und Ackerbau geschlossen werden können. Damit leistet Agriplus einen innovativen Beitrag zum Umweltschutz und zu einer stärkeren regionalen Wertschöpfung im Sinne einer kreislauforientierten Bioökonomie.


Dieses Projekt wird von der Europäischen Union und dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg im Rahmen der Europäischen Innovations­­partnerschaft „Landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit“ (EIP AGRI) mit einem Betrag von ca. 1,3 Mio. Euro gefördert.

Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums: Hier investiert Europa in die ländlichen Gebiete, mitfinanziert durch das Land Baden-Württemberg.


Europäische Kommission – Ländliche Entwicklung 2014-2020:
http://ec.europa.eu/agriculture/rural-development-2014-2020/index_de.htm

Kontakt

Dr. Jennifer Bilbao (Autorin)
Project Manager Open Innovation und Key Enabling Technologies
Steinbeis 2i GmbH (Stuttgart)
www.steinbeis-europa.de

Regina Hüttner (Autorin)
Project Consultant
Steinbeis 2i GmbH (Stuttgart)
www.steinbeis-europa.de

 

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