Aus Trümmern hergestellter Stein (X.2010.040,03) (© Historisches Museum Frankfurt, Foto: Horst Ziegenfuß)

Stein um Stein: Mit intelligenter Kreislaufwirtschaft auf dem Weg in eine nachhaltige Ökonomie

Wie man ein altes (Natur)Prinzip für die Wirtschaft nutzbar macht

Die Idee einer Kreislaufwirtschaft erlebt zurzeit, nicht zuletzt befeuert durch die Pandemie-bedingten Einschnitte, einen enormen Aufschwung. Das zeigt sich sowohl am zunehmenden öffentlichen Interesse, als auch an der steigenden Nachfrage von Unternehmen nach umsetzungsorientierten Lösungen. Was genau dahinter steckt und wie die Unternehmen davon profitieren, das erklärt Steinbeis-Experte Dr. Christoph Soukup.

Aus Trümmern hergestellter Stein (X.2010.040,03) (© Historisches Museum Frankfurt, Foto: Horst Ziegenfuß)

 

Der Begriff der Kreislaufwirtschaft (engl. circular economy) ist in aller Munde, Studien, wie eine von PwC aus dem Jahr 2019 [1], erklären sie sogar zum baldigen „new normal”. Die Grundidee ist dabei schnell umrissen und orientiert sich an der Natur und ihren Kreisläufen: Dort gibt es keine Abfälle, alles ist so organisiert, dass die Überbleibsel eines Prozesses in einem nachfolgenden Ablauf verwertet werden. Entweder sind sie der Nährstoff in einem neuen Zyklus oder gehen als Ausgangsprodukt in einen anderen natürlichen Prozess ein, der damit verwoben ist. Ob Blüten und Pollen im Frühling, Früchte in den Sommermonaten oder abgefallene Blätter im Herbst: Im Kreislauf der Natur findet alles seine Verwertung.

Kreislaufwirtschaft – ein altbekanntes Prinzip

Der Gedanke, diesen Ansatz auf die Wirtschaft anzuwenden, ist nicht gänzlich neu – eher im Gegenteil. Immer da, wo Rohstoffe knapp waren und mehr Mangel als Überfluss herrschte, wurde Material immer und immer wieder verwertet. Das war im Mittelalter so, das geschah so nach Kriegen, das ist in wirtschaftlich weniger entwickelten Ländern heute noch so. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlangte beispielsweise die Frankfurter Trümmerverwertungsgesellschaft weltweit Ansehen. In dieser Aufbereitungs- und Verwertungsanlage für Trümmerschutt wurden Vollsteine sowie Dachziegel für den Wiederaufbau der durch Bombenangriffe zerstörten Stadt hergestellt.

Die Idee, etwas zu benutzen und dann wegzuwerfen, hat sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg langsam durchgesetzt. Aber auch da ging die Produktion von Kreislaufgütern weiter. Bestes Beispiel: Die EURO-Palette, die dieses Jahr ihren 60. Geburtstag feiert. Sie ist ein Erfolgsmodell, millionenfach bewährt und weit über Europa hinaus geschätzt. Heute werden Innenmaße von LKW-Anhängern und Transportern auf ihre Standardabmessungen abgestimmt.

Wegwerfgesellschaft

Unser aktuelles Wirtschaftssystem basiert auf Wachstum und orientiert sich an linearen Prinzipien: Rohstoffe werden extrahiert, damit werden Produkte hergestellt, diese werden genutzt. Am Ende ihrer – mehr oder weniger langen – Lebensspanne, werden sie aussortiert und werden zu Abfall. Eine Einbahnstraße in Richtung Müllhalde. Heute kommen wir damit in Europa auf einen Ressourcenkonsum, der bei den nachwachsenden Rohstoffen etwa dem von drei Erden entspricht. Bei den nicht-erneuerbaren Bodenschätzen, die mehrere Millionen Jahre für ihre Entstehung brauchten, ist das Ende der Reserven vielfach absehbar. Klar ist: Das wird auf Dauer nicht gut gehen. Ein anschauliches Beispiel: Für den Abbau von einem Kilogramm Gold müssen 100-200 Tonnen Gestein bewegt (zumeist: gesprengt) werden. Bei Handys, deren Elektronikbauteile alle Gold an den Kontakten enthalten, ist die Ausbeute deutlich höher – hier genügen 6-8 Tonnen ausrangierter Geräte, sodass die „urbane Mine” den 25- bis 30-fachen Gehalt im Vergleich zum natürlichen Vorkommen aufweist.

Eine alte Idee neu belebt

Nun kommen die Ideen der Kreislaufwirtschaft zurück. Adidas, Fairphone, IKEA, Philips – zahlreiche Firmen arbeiten heute wieder daran, Prinzipien der „circular economy” mit Leben zu füllen. Der Unterschied ist: Was früher ökonomische Notwendigkeit war, wird heute aus ökologischen Gründen und Überlegungen der Nachhaltigkeit wieder aufgegriffen. Materialien werden am Ende des Lebenszyklus eines Produkts nicht einfach zu Müll, sondern können idealerweise wiederverwendet werden – danach streben Kreislaufwirtschaftsansätze: Und das rechnet sich für Unternehmen. Das beweist auch das Beispiel von Lorenz Meters, einem schwäbischen Hersteller von Wasserzählern, der vor einigen Jahren eine Demontagelinie auf seinem Fabrikgelände errichtet hat. Dort landen ausgemusterte Wasserzähler aus eigener Produktion, werden demontiert, Bauteile werden gesäubert und neu justiert, um schließlich wieder in fabrikneuen Zählern zu landen. „Wir wären heute, wie so viele andere, in China. Durch die Rücknahme unserer Zähler konnten wir unsere Materialkosten massiv senken und haben nicht nur unsere Produktion in Deutschland gesichert, sondern haben sogar einen preislichen Vorteil gegenüber der Produktion von Einmalprodukten in Billiglohnländern – ganz aktuell wird es zudem mit dem Lieferkettengesetz ganz eng für diese Wettbewerber”, so Wilhelm Mauß, der Geschäftsführer von Lorenz Meters.

Kreislaufwirtschaft ist mehr als Recycling

Während die heutigen Formen des Recyclings sehr auf die Optimierung der Abfallverwertung setzen, gehen Geschäftsmodelle der Kreislaufwirtschaft konsequent einen anderen Weg. Recycling ist da erst die letzte Stufe in einer Fülle von (besseren) Möglichkeiten Ressourcen weiter zu nutzen: Neben dem schon erwähnten Remanufacturing gehören dazu die Reparatur, das Refurbishment oder die Umnutzung von Produkten. Recycelt wird am Ende nur, wo es keine Ideen gibt für ausrangierte Produkte ohne Funktion. Sobald Produkte schon mit der Idee der späteren Weiternutzung oder Wiederverwendung entwickelt werden, braucht es die Idee von „Müll”, der recycelt werden muss, immer weniger. Natürlich ist dieser Umbau der Wirtschaft auf Kreisläufe kein einfaches, schnelles Unterfangen. Erste Schritte sind getan, aber um Wirtschaft konsequent auf Kreisläufe zu trimmen, braucht es ein neues Mindset.

Steinbeis-Experten weisen den Weg

Das Steinbeis-Beratungszentrum Circular Economy begleitet und unterstützt Unternehmen, die die Nachhaltigkeit ihrer Produkte und Dienstleistungen entscheidend verbessern möchten, ohne Profitabilität aus den Augen zu verlieren. „Der Werkzeugkasten mit Tools aus der ‚circular economy‘ liefert die Ansatzpunkte für schnell umsetzbare Ergebnisse. Mit schlanken Workshop-Formaten bieten wir einen unkomplizierten Einstieg mit einem überschaubaren Aufwand in puncto Zeit und Geld“, so Christoph Soukup, der das Steinbeis-Unternehmen verantwortet.

Eines der Themen, die dabei behandelt werden, ist Materialeffizienz: Mit der Materialfluss-Kostenrechnung bietet sich produzierenden Unternehmen die Möglichkeit, ihre Materialeffizienz signifikant zu verbessern. Material, das im Müll landet, ist in der Buchhaltung von Unternehmen bereits abgeschrieben, denn es wird von vornherein in die Preise mit einkalkuliert. Durch die Analyse der Materialflüsse in der Fertigung werden jene Energie- und Materialmengen sichtbar, die nicht im Produkt landen: Verschnitt, Reststoffe, Abfälle, Ausschuss oder Überproduktion. Auch in diese fließt die betriebliche Wertschöpfung ein und verursacht, neben den reinen Anschaffungskosten, weiteren Aufwand. Damit lassen sich relativ rasch Ansätze zur Optimierung erarbeiten. Das Schöne daran: „Einsparungen am Material wirken direkt und unmittelbar auf das Betriebsergebnis, gerade in den aktuellen Zeiten“, betont Christoph Soukup.

Vom Steinbeiser beraten – zum Steinbeiser geworden

Mario Buric, der seit vielen Jahren Gründer und Start-ups berät, hat Christoph Soukup im Rahmen der Steinbeis EXI-Beratung bei den Schritten in die unternehmerische Selbstständigkeit begleitet: Von der Idee über die Konkretisierung des Angebots bis hin zu den ersten Kundenprojekten. Ein besonders spannender Aspekt war die Wahl der Rechtsform: zahlreiche und durchaus auch unkonventionelle Modelle wurden dafür auf den Prüfstand gestellt. Letzten Endes fiel die Entscheidung auf ein Steinbeis-Unternehmen. „Die Verbindung aus Renommee der Marke ‚Steinbeis‘, dem schier unerschöpflichen Reservoir aus Steinbeis-Experten und der Flexibilität bei der Ausgestaltung des eigenen Portfolios waren für mich die ausschlaggebenden Faktoren für diese Lösung“, so der Gründer.

 

Wie die Zukunftsfähigkeit in Ihrem Unternehmen sichern? In der Europäischen Union beginnt die Förderperiode 2021 bis 2027, in der erhebliche Beträge (insgesamt mehr als 1.800 Mrd. EUR) als Fördermittel eingesetzt werden. Zahlreiche Fördermittelprogramme widmen sich dabei explizit der circular economy.
Haben Sie Fragen dazu? Dann nehmen Sie Kontakt mit uns auf.

Kontakt

Dr. Christoph Soukup (Autor)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Beratungszentrum Circular Economy (Stuttgart)

Mario Buric (Autor)
Freier Projektleiter
Steinbeis-Beratungszentrum Existenzgründung (Stuttgart)
www.steinbeis-exi.de

 

215404-21

Quelle
[1] https://www.pwc.de/de/nachhaltigkeit/pwc-circular-economy-study-2019.pdf