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Spannende Zeiten wie selten!

Martin Trotier analysiert Themen und Aufgaben für die Personalarbeit 2021

Auch zum Jahreswechsel 2020/21 diskutierten die einschlägigen Medien einmal mehr über die zukünftige Rolle und Aufgaben von Personalabteilungen, oder neudeutsch HR. Und doch ist diesmal etwas anders: Die Pandemie schwebt über allen Diskussionen. Aber wie beeinflusst sie eigentlich HR? Die Bedeutung der Personalarbeit für Unternehmen wächst in diesen Zeiten, meint HR-Experte und Steinbeis-Unternehmer Martin Trotier im „Steinwurf!“. Für ihn ist die Pandemie nicht der Auslöser für die zu beobachtenden Trends, sondern der Brandbeschleuniger für längst angestoßene Prozesse, die nun aber deutlich sichtbar werden und ins Bewusstsein der Beteiligten rücken.

Im Sommer 2020 stellten die Berater von Kienbaum fest, dass mit der Pandemie mit einem Bedeutungszuwachs der HR-­Funktion im Unternehmen zu rechnen sei und sie eine Chance für HR-Bereiche biete, um sich attraktiv in der Unternehmensführung zu positionieren. Natürlich sei dies verbunden mit deutlich gestiegenen Anforderungen des Top-Manage­ments an die HR-Funktion. [1]

In dasselbe Horn bläst der Bundesverband der Personalmanager in seinen schon traditionellen Thesen zum Jahre­s­ende zur zukünftigen HR-Arbeit. Auch hier sieht man einen immensen Bedeutungszuwachs für die HR-Funktion im Unternehmen durch die Pandemie erreicht. HR im Zentrum der Unternehmensführung: Diese Bedeutung gelte es für die Zukunft zu bewahren und nicht in alte Rollenmuster zurückzufallen. [2] Auch die Vorsitzende des Verbandes, Inga Dransfeld-Haase, verweist in ihrer Stellungnahme darauf, dass HR dieses Ergebnis der Pandemie bewahren müsse. [3]

Folgt man diesen Stellungnahmen, hat die Pandemie einen interessanten Effekt: Sie befreit die HR-Funktion „endlich“ aus dem Dilemma, sich fortwährend rechtfertigen und beweisen zu müssen, dass sie einen Mehrwert für das Unternehmen schafft. Die Pandemie leistet einen erheblichen Beitrag zur Selbstvergewisserung der HR-Zunft.

Der Mensch im Mittelpunkt des Geschehens

Die Auswirkungen der Pandemie auf die Unternehmen sind vielfältig, was wohl aber branchenübergreifend gilt, ist: Das Gebot des Abstandhaltens zwischen den Menschen stellte die komplette Organisation und Zusammenarbeit auf den Kopf. Schnellstmöglich mussten Wege gefunden werden, Arbeitsorganisation, Arbeitszeiten, Kommunikationsweisen und Führungstechniken krisengerecht zu definieren. Betroffen ist das Mitei­nander der Menschen im Unternehmen – die Krise rückt den Mensch in den Mittelpunkt, und zwar tatsächlich, nicht wie in der Vergangenheit häufig geschehen als Lippenbekenntnis des Managements. Die Mitarbeitenden im Mittelpunkt des Unternehmens: Plötzlich ist genau dies überlebenswichtig geworden.

Megatrends und HR

Seit geraumer Zeit ist man sich einig, dass die HR-Arbeit von einer Reihe von Megatrends bestimmt wird, auf die sie ausgerichtet werden muss. Das weltweite Geschehen wird immer volatiler, die Entwicklungen werden immer unsicherer und komplexer und es gibt immer weniger eindeutige Antworten auf die Fragen. Gleichzeitig erhöhen temporeiche Trends wie die Digitalisierung, die Veränderung der Demografie, der Klimawandel und die Forderungen nach Diversität den Veränderungsdruck auf die Menschen und die Unternehmen. Damit steht HR an vorderster Front und muss seine Arbeit mit und am Menschen danach ausrichten, diese Trends im Unternehmen beherrschbar zu machen und das Zusammenleben entsprechend zu gestalten.

HR-Herausforderung: die Veränderung des Fokus

Die Pandemie ist also nicht die Erfinderin dieser Trends, aber sie verleiht ihnen noch einmal zusätzliches Gewicht und führt zu veränderten Prioritäten.

Im Zwang, die Menschen räumlich voneinander zu trennen, rückte die Arbeitsorganisation in den Mittelpunkt – und mit ihr der Begriff des Homeoffice. In aller Schnelle waren die Voraussetzungen zu schaffen, die Arbeit neu zu organisieren. Wie in einem Brennglas zeigt das Homeoffice-Thema, in welcher Komplexität die Dinge zusammenhängen und wie wichtig es ist, hier HR als Steuerungsfunktion und Mittler zwischen den Beteiligten zu begreifen und zu nutzen. Das Homeoffice trennt die Mitarbeitenden in Homeoffice-fähige und nicht-Homeoffice-fähige Gruppen. Die einen erleben Flexibilität und neue Freiheiten, die anderen nicht. Fragen der Arbeitszeit, ihrer Einhaltung, Überwachung und Verteilung über den Tag, die Woche werden zum Thema. Das Homeoffice benötigt technische Voraussetzungen und verlangt die Digitalisierung von Prozessen in weit größerem Maße als bisher vielleicht erfolgt. Die Kommunikation erfährt einen großen Wandel und bedarf deutlich mehr Steuerung. Mitarbeitende und Führungskräfte sind auf die Zusammenarbeit aus der Distanz nicht vorbereitet und können mental damit nicht immer umgehen. Wie funktioniert Führung auf Distanz? Braucht es noch Führung oder geht es nur noch um Selbstorganisation und Selbstverantwortung? Wie müssen Homeoffice-Arbeitsplätze ausgestattet und ausgestaltet werden, wenn es um Ergonomie und Gesundheitsfragen geht? Und schließlich stellt das Homeoffice eine neue Herausforderung für die Zusammenarbeit zwischen den Sozialpartnern dar. Arbeitgeber und Betriebsrat müssen hier ihre Zusammenarbeit schnell positiv weiterentwickeln.

Das alles bedeutet Veränderung in bisher ungeahntem Tempo. Im Vordergrund steht die Neudefinition der Arbeits- und Arbeitszeitorganisation im Unternehmen. HR fällt hier die Aufgabe zu, mit allen Stakeholdern zusammen eine zukunftsfähige Lösung zu kreieren und so die dabei entstandenen Konflikte produktiv zu überwinden. Ein Zurück zur Präsenzkultur der Vergangenheit wird es sicher nicht geben.

Die Pandemie lenkt den Blick auch auf das Gesundheitsmanagement und Fragen des Gesundheits- und Arbeitsschutzes. Hier fällt HR die Rolle zu, diese Prozesse über die Pandemie hinaus zu steuern. Das Gesundheitsthema dürfte nun für jeden im Management in seiner Bedeutung klar geworden sein.

Die Veränderungen betreffen zentral das Zusammenleben und -wirken der Menschen in der Organisation. Um diese Veränderung nicht nur auszuhalten, sondern auch zu gestalten, hat sich HR um die Stärkung der Resilienz der Mitarbeitenden zu kümmern. Im Hinblick auf die Führungskräfte bedeutet dies einen Schub in Richtung einer Führungskräfteentwicklung, die den ganzen Menschen mit allen seinen Facetten in den Blick nimmt. Sie muss die Führungskräfte befähigen, ihre eigene Rolle zu reflektieren, neu zu definieren und ihre Mitarbeitenden auf dem Weg zu mehr Selbstorganisation und Selbstverantwortung zu begleiten.

Ein weiteres zentrales Element aktueller HR-Arbeit: Der durch die Krise entstehende wirtschaftliche Druck kann notwendige Restrukturierungen anstoßen oder beschleunigen. Hier kommt HR in der Gestaltung der Arbeitsbeziehungen im Unternehmen eine besondere Rolle zu. Von der funktionierenden, von gegenseitigem Vertrauen getragenen Zusammenarbeit hängt die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens ab.

Andere Bereiche des HR-Managements treten in ihrer Bedeutung zunächst zurück. So kann es sein, dass das Recruiting im Moment nicht im Vordergrund steht. Aber das wird aufgrund der langfristigen demografischen Entwicklung nur ein vorübergehender Effekt sein. Nicht zu vergessen ist, dass HR weiterhin das Verwaltungsgeschäft abwickeln muss. Hier gilt es die Möglichkeiten der Digitalisierung weiter zu nutzen und die Prozesse zu verbessern. Auch das wird langfristig so bleiben.

Externe Unterstützung für HR

HR steht im Angesicht der Pandemie und darüber hinaus vor enormen Herausforderungen – und sollte nicht zögern auf externe Unterstützung zurückzugreifen. So allgemein die beschriebenen Trends sind, so individuell sind zugleich die Voraussetzungen in den Unternehmen. Daher muss jedes Unternehmen für sich die Prioritäten setzen und entscheiden, welche externe Unterstützung notwendig ist. Die Steinbeis Consulting Group Personal steht für diese individuelle Unterstützung und geht entsprechend auf die Bedürfnisse ihrer Kunden ein: Egal, ob es darum geht, Mitarbeitende und Führungskräfte zur Veränderung zu befähigen oder die Arbeit flexibler zu gestalten.

Mein Fazit

Die Pandemie kreiert keine Trends, aber sie hat sich als Brandbeschleuniger erwiesen, der die vorhandenen Trends in der HR-Arbeit verstärkt und den richtigen Umgang mit ihnen zur Überlebensfrage der Unternehmen macht. Die Dauer der Pandemie wird darüber entscheiden, wie tiefgreifend die Veränderungen in der Wirtschaft und den Unternehmen sein werden. Alle Themen betreffen im Kern die Art und Weise, wie Menschen im Unternehmen zusammenleben und -arbeiten. Damit hat HR eine entscheidende Rolle im Prozess über die Pandemie hinaus. HR muss jetzt die Chance ergreifen, die Veränderungen zu gestalten und nicht nur zu erleiden. Spannende Zeiten wie selten. Ich stimme Inga Dransfeld-Haase zu, wenn sie trotz aller Herausforderungen von einem „positiven Geschmack des Aufbruchs in eine gänzlich neue Welt der Wissensarbeit mit mehr Freizügigkeit und Selbstbestimmung“ [3] spricht.

Kontakt

Martin Trotier (Autor)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Beratungszentrum HR Management und Transformation (Mannheim)

Martin Trotier verantwortet das Steinbeis-Beratungszentrum HR Management und Transformation in Mannheim, das seine Schwerpunkte auf das Veränderungsmanagement, Restrukturierungen und die Entwicklung von Personalstrategien legt. Daneben ist er Partner und Koordinator der Steinbeis Consulting Group Personal, einem Zusammenschluss von erfahrenen Expertinnen und Experten der Personalberatung rund um die Themen Organisations- und Personalentwicklung sowie Personal- und Kompetenzmanagement.


Quellen
[1] Jochmann, Walter; Stein, Frank, 5 Thesen zur Zukunft von HR in Personalmagazin 08/20
[2] Human Resources Manager 06/20, S. 80-83, Corona macht Personaler/innen zum Zentrum des Geschehens, Thesen des BPM für 2021
[3] Interview der Haufe Online-Redaktion vom 7.1.2021 mit Inga Dransfeld-Haase
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