© iStockphoto.de/Danijelm

Vollgas oder Vollbremsung – quo vadis Mittelstand?

Von der Notwendigkeit querzudenken, um Veränderung zu gestalten

Wer hat das nicht auch schon einmal erlebt: Ein neues Projekt, in dem zunächst alles in Ordnung zu sein scheint und gut läuft, doch früher oder später kommt der erste Stolperstein, das erste Problem, die erste Krise. Jetzt sind unweigerlich Umdenken und Umsteuern gefragt. In der Regel bleibt es jedoch nicht bei dieser ersten Krise. Es kommt weiter Sand ins Getriebe und der Zeitpunkt für eine notwendige finale Entscheidung naht. Dann gibt es zwei Möglichkeiten, meint Steinwurf-Autor Uwe Haug: entweder auf Biegen und Brechen die Sache durchziehen, koste es was es wolle, und Vollgas geben oder „Stop it” – Vollbremsung!

Viele Unternehmen haben diese Wahl jedoch gar nicht: Es gibt vereinbarte Prozesse, Abläufe und Lieferverpflichtungen – man ist fest in ein Korsett eingebunden. Was aber, wenn es nicht nur um Projekte geht? Wenn sich in kurzen Zeitfolgen die Rahmenbedingungen so stark verändern, dass unser gesamtes Geschäftsmodell in Frage gestellt wird – wie fit sind wir dann in unseren Unternehmen? Wie verhalten wir uns bei einer solchen Herausforderung? Geben wir Vollgas? Nicht immer ist dies eine gute Option. Technisch gesprochen kann dies auch zu Überhitzung führen und der Schaden kann am Ende größer sein. Man übersieht im Vollgas-Modus auch gern wichtige Hinweise: Stop-Schilder, rote Ampeln. Und da kommt sie dann irgendwann, unweigerlich, die fünf Meter dicke Betonwand.

Vollbremsung? Entgegen aller Erwartungen rechts ran fahren – stop & think? Das erfordert Mut und Entschlossenheit, wie auch eine klare Vision, dass dies zu einem Ergebnis führt. Bezogen auf das gesamte Unternehmen ist dies meist ein längerer moderierter Prozess. Vielleicht bedeutet eine Vollbremsung ja das Bestehende abzubremsen und bei Neuem Vollgas zu geben. Ist also beides möglich?

Was aber, wenn weder das eine noch das andere eine Option ist? Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem Zug und auf den Schienen sehen Sie ein Hindernis, auf das der Zug mit Vollgas auffahren wird. Nirgendwo ist die Notbremse zu sehen, es gibt also keinen Ausweg mehr. Der Zug, in dem man sitzt, lässt sich einfach nicht mehr anhalten! Oder wie es Jethro Tull in seinem Song „Locomotive Breath” formuliert hat: „Old Charlie stole the handle and the train it won’t stop going, no way to slow down.” Und nun? Vom fahrenden Zug abspringen? Nun ja, wir werden wohl eher lernen müssen, trotz sich ständig verändernden Rahmenbedingungen bewegungsfähig zu bleiben. Diese Agilität hat vielschichtige Aspekte: Geschäftsmodelle, Mitarbeiter, Qualifikation, Netzwerke und Technologien.

Es wird also klar, um was es geht: Wir müssen querdenken – die Sache einmal komplett umdrehen und aus einem anderen Blickwinkel betrachten, gedanklich eine Vollbremsung hinlegen und uns umorientieren! Erfahrungen aus dem bisherigen Tun sind wichtig, reichen aber alleine nicht aus. Als einzelne Unternehmen gelingen uns diese Veränderungen meistens jedoch nur sehr schwer. Bestehende Netzwerke können hier aber nur bedingt helfen, da diese ja auch „in the box” sind.

So wie sich ein menschliches Gehirn nach Schädigungen im Nervensystem neue Wege sucht, um die Synapsen zu verschalten, so ist es auch bei uns in den Unternehmen an der Zeit, die Fähigkeit zu entwickeln unter ständigen Veränderungen handlungsfähig zu bleiben. Erfahrungsgemäß entwickelt sich diese Fähigkeit nur in konkreten Stresssituationen. Es geht also darum, das potentielle Risiko aktiv zu gestalten und managen zu können. Wir müssen uns mehr involvieren, uns etwas aussetzen, und nicht nur informieren. Es gibt sicherlich Einflussgrößen die (durch Planung) beeinflussbar sind. Aber sind wir doch einmal ehrlich: Die Zunahme der Volatilitäten, die Einfluss auf unser Tun im Unternehmen haben, nehmen eher zu als ab! Stillstand (und wenn nur gedanklich) kann so also doch manchmal Fortschritt erzeugen, indem man sich neuen Wegen und Methoden öffnet.

Keine Frage, wir stehen erneut an einem Wendepunkt. Dieses Mal dürfte es jedoch mit einem Appell an ein Umdenken nicht mehr getan sein. Wir stehen schlichtweg vor der Aufgabe unsere Unternehmen durch eine Revolution zu führen – nicht mehr und nicht weniger! Angesichts der sich vollziehenden Veränderungen reicht es nicht mehr aus nur das Bestehende weiterzuführen und nochmals zu optimieren, wir müssen uns vielmehr selbst in diese Veränderung hineinbegeben um mitgestalten zu können – um etwas Neues hervorzubringen! Keine Angst – es gibt immer eine Option! Kopf in den Sand stecken oder zurückweichen gehört jedoch nicht dazu!

Es liegt mehr denn je an jedem Einzelnen – entscheiden Sie sich!

Kontakt

Uwe Haug
Steinbeis-Zentrale (Stuttgart)